Albert Thorwaldsen.
Dresden, 11 Sept. Zu den merkwürdigsten Reisenden, die in großen Schaaren unsre Stadt und die lachende Umgegend durchziehn, dürfen wir zuerst den dänischen Staatsrath und Ritter v. Thorwaldsen rechnen, welcher von einigen Tagen hier von Berlin angekommen, und bei seinem Besuche in unsern Museen von den ihn zahlreich bewillkommenden Künstlern und Kunstfreunden empfangen worden ist. Durch anspruchlose Einfachheit und neidlose Mittheilung erkannten Alle, daß auch in ihm der Charakter wahrer Größe sich nie verläugne. Er ist durch alle Ehrenbezeugungen und Feste, womit ihn sein Vaterland Monate lang ehrte – man erinnere sich nur an das auch in der Zeitung verkündigte große Banket auf dem Schießhause von Kopenhagen – nicht stoltz oder übermüthig geworden, und spricht stets mit großer Bescheidenheit von den Leistungen, wodurch sein Ruhm in ganz Europa begründet wurde. Bekanntlich reiste er schon im vorigen Jahre mit dem dänischen Maler Lund von Rom ab, und bestimmte auf seiner Durchreise durch die Schweiz zu Luzern die Ausführung des Denkmals auf die 1792 in Paris gefallenen treuen Schweizer.
So lange die Muse der Geschichte ihren Griffel führt, wird auch der aus lebendigem Fels ausgehauene kolossale Löwe, der selbst bei tödlicher Verwundung noch das Wappen Frankreichs mit seiner Tatze schirmt, als Beispiel hoher Symbolik belobt und gedeutet worden.
Thorwaldsen ging bei seiner Hinreise über Stuttgart, Frankfurt und Hamburg nach Kopenhagen, wo er nach einer 24jährigen Abwesenheit nur begeisterte Freunde und dankbare Mitbürger fand.
Hundert kleine Beweise von Aufmerksamkeit und Liebe rührten sein gefühlvolles Herz, und es mag unentschieden bleiben, ob ihn der rührende Orgelklang, womit er beim Eintritt in die Kirche auf einem Gute des Grafen v. Holstein, wo er den Taufstein mit den berühmten vier Basreliefs geschmükt, empfangen wurde, oder die bei seinem Fest erschallenden Kanonenschüsse in Kopenhagen, mehr gefreut haben. Der gefeierte Künstler verließ, von einem jungen Architekten, Pontoppidan, den der König nach Italien schikt, begleitet, Kopenhagen mit mehr Bestellungen, als er in langer Zeit zu leisten im Stande seyn wird. Wenn wird sein herrlicher Triumpheinzug Alexanders in Babylon an der Friese des neuen Schlosses von Kopenhagen prangen? Ende Augusts trat er in einem kleinen Ueberfahrtsschif seine Rükreise an, und landete, nicht ohne lebensgefährlichen Sturm, an der Küste von Mecklenburg, wo er Blüchers Statue von Schadow in Rostock besuchte, und dem alten Meister gerne Gerechtigkeit wiederfahren ließ.
In Berlin konnte er sich nur sechs Tage aufhalten, und dort die geniale Schöpfung der Bildnerei am neuen (mit dem Anfang des Jahrs 1821 zu eröfnenden) Schauspielhause, und was in Schadow’s, Rauch’s, Tiek’s und anderer Künstler Werkstätten aufblüht, Schadows Luther für Wittenberg, Rauchs Blücher für Breslau u.s.w., in Augenschien nehmen, am Arm seines alten Freundes Hirt die Giustinianische und Sollysche Gemäldesammlung betrachten, und die Künstler und Kunstliebhaber besuchen, mit welchem er sich früher in Rom als Lehrer und Freund in den angenehmsten Verhältnissen befunden hatte.
Er sah dort die große tragische Schauspielerin, die Schröder, und huldigte dankbar einer so einzigen Virtuosität. Von einigem ihm dort gewidmeten Festen haben auch öffentliche Blätter Erwähnung gethan. Hier in Dresden durchwanderte er die Kunstmuseen mit freudiger Anerkennung alles Vortreflichen, was hier versammelt ist, stand mit Bewunderung vor unserer Rafaelischen Madonna, vor Correggio’s und Tizians Farbenzauber; betrachtete mit hohem Genuß die Werke der altgriechischen Kunst, den Sturz der alten Minerva mit dem Gigantenkampf auf dem Gewand, von deren Verwandtschaft mit der äginetischen er sehr ergriffen war, bemerkte mit Kennerblik die Ueberarbeitung in den schönen Herkulanerinnen, und huldigte der sonst Agrippina genannten griechischen Heroin im Antikenmuseum; erkannte den unschätzbaren Werth des jetzt einzigen Mengsischen Museums, und stand versunken in Bewunderung vor den kolossalen Gruppe des Menelaus und Patroclus.
Er sah mit Wohlgefallen die Säle der Akademie, den Gyps- und Antikensaal, und fand in der noch immer geöfneten Ausstellung manches Vorzügliche. Als er in der italienischen Oper Rossinis Elisabeta hörte, erfüllte ihn seltne Luft über das unvergleichliche Zusammenspiel des Orchesters.
In der mit Blumengewinden geschmükten kleinen Villa des Professors Matthäi in der äußersten Vorstadt empfing ihn ein Künstlergastmahl, wobei sich sehr viele hiesige Künstler der mit ihm in Rom verlebten Tage, der ihnen bewiesenen Freundschaft und Aushülfe erinnerten.
Um die 10te Stunde zogen an 100 Zöglinge der hiesigen Kunstakademie hinaus und brachten dem Meister, welcher der ganzen europäischen Kunstwelt angehört, ein jubelndes Fakelvivat. Der Vorredner hieß Koopman aus Hamburg. Da rief der bis zu Thränen gerührte Meister: wäre ich ein reicher Mann, ihr alle müßtet mit mir nach Rom! Ich wollte dort gern euer Vater seyn.
Den 12 reist der vielfach beeilte Mann auf dem kürzesten Weg über Breslau nach Warschau, um dort in Gegenwart des großherzigen Kaisers Alexander den Platz zu wählen, auf welchem, nach seinem Modelle und Vorbildungen, die kolossale Reiterstaute des Helden Poniatowsky, der bei Leipzig fiel, in Bronze gegossen und mit zwei bezeichnenden Reliefs und Inschriften auf der Basis geschmükt werden soll. Der Summe, welche eine patriotische Unterzeichnung zu diesem Zweke zusammenbrachte, fügte der Kaiser, der in den so hochgefeierten Todten nur den Helden erblikt, auch seinen Beitrag hinzu. Bei Thorwaldsens Anwesenheit wird sichs bald bei mündlicher Verständigung entscheiden, ob der Held im allein selbstständigem, keinem Modenwechsel unterworfenen antiken Kostum, oder in der sarmatischen Nationaltracht, oder in der mißgestaltenden Feldherrn-Uniform unserer Tage dargestellt werden soll. Möge der gute Geschmak für das erstere entscheiden! Von Warschau wird unser Reisender auf dem geradesten Weg und in der kürzesten Frist die kunstliebende Kaiserstadt an der Donau nur auf wenige Tage besuchen, und von da nach München gehen, um die unter Leitung des Oberbauraths Klenze indeß weit vorgerükte Glyptothek des Kronprinzen von Baiern, die ein großes Basreliefs von Thorwaldsen aus dem christlichen Cyklus als Friese schmüken wird, und was der Bund der Kunst mit der Wissenschaft dort sonst noch Herrliches geschaffen hat, zu betrachten. Hier sollen ja auch die herrlichen äginetischen Marmore ihre Ehrenstellen erhalten, nachdem sie Thorwaldsen in seiner Kunstwerkstätte mit bewundernswürdigem Aufspüren und Erfassen ihres ursprünglichen Charakters wieder ergänzt, und im Geist ihrer frühern Aufstellung geordnet hat. Noch sind sie in Rom unter des dazu beauftragten Professor Wagners Aufsicht.
Sein Aufenthalt kan auch in München nur kurz seyn, weil ihn sehr wichtige Gründe bewegen, schon Ende Oktobers wieder als Schöpfer und Lehrer in seiner Kunstwerkstätte, seinen lang verwaiseten zahlreichen Schülern und Kunstgenossen zur Freude, aufzutreten, und seine Lehrstelle in der jetzt so gut organisirten Akademie des heiligen Lucas wieder auszufüllen. Möge auch nur ein Hunderttheil der Wünsche und Trinksprüche in Erfüllung gehen, die bei den großen Festlichkeiten in Kopenhagen Dichterbegeisterung und Vaterlandsliebe so kräftig aussprachen!