No. 9903 of 10318
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H.C. Andersen 1845 [+]

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Berlin

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Bertel Thorwaldsen

Eine biographische Skizze
von
H. C. Andersen.

Ein reiches Blatt in der Geschichte der Kunst ist vor uns aufgerollt und entziffert; Thorwaldsen ist gewesen; sein Leben war ein Triumphzug, das Glück und der Sieg folgten ihm, die Menschen haben in ihm die Kunst erkannt und geehrt.

Das Leben dieses Glücklichen, dieser Triumphzug, kann mit Worten wie mit Farben gemalt werden. Sollten wir eine Vignette, das Ganze anzudeuten, geben, so würden wir dreikeit selbst ist es, welche das Motiv zu jedem dieser Bilder giebt. Island bewahrte den Nordischen Reichen deren ältere Sprache, Mythologie und Geschichte. Genau und treu wird in den Sagen der ganzen Geschlechter Stammtafel gefunden, und so haben wir Thorwaldsens. Das Geschlecht stammt von Dänemarks König Harald Hildetand ab, von Dänemark flüchtete es nach Norwegen und später nach Island; dort lesen wir in der Sage von den Lardölern, daß einer dieses Geschlechts, Oluf Baa, ein mächtiger Häuptling war, dessen Sinn für Kunstwerke in den Gesängen der Barden gerühmt wird. Bertel Thorwaldsens Geist regte sich in des Häuptlings Brust. Höre, was die Sage berichtet:

“Oluf Baa ließ einen Speisesaal errichten, der war größer und schöner als man solchen je zuvor gesehen hatte; auf der Wand und an der Decke waren berühmte Begebenheiten nach alten Sagen abgebildet, und es war so tüchtig ausgearbeitet, daß es weit schöner aussah, als wenn Decke und Wände mit Tapeten behängt gewesen wären. Als der Speisesaal fertig war, gab Oluf Baa ein großes Gastmahl, da kam auch der Barde Ulf Uggason hin, der ein Gedicht auf Oluf Baa und die Sagen, die an den Wänden abgebildet waren, machte. Dieses Gedicht wurde Hunsdrapa genannt.”

Durch mehrere Geschlechter können die Aehnlichkeit in Zügen und Manieren, ebenso auch geistige Eigenthümlichkeit bewahrt werden, und die des Oluf Baa ist es, welche veredelt und größer in unserm Thorwaldsen hervortritt.

Wir stehen am Eingänge zu seiner Lebensgallerie; Bild schließt sich an Bild in dem glücklichen, siegreichen Triumphzuge.

Es war in Kopenhagen 1770 den 19. November, als des Bildschneiders Gottschalk Thorwaldsens Frau, Karen Grönlund, eine jütländische Predigertochter, ihrem Manne einen Sohn gebar, der in der Taufe den Namen Bertel erhielt. Der Vater war von Island herüber gekommen und lebte in dürftigen Umständen; sie wohnten in der kleinen Grünstraße, nicht weit von der Kunstakademie; der Mond hat oft hinein geblickt in die ärmliche Stube, er hat uns davon erzählt.

– “Vater und Mutter schliefen, aber der kleine Sohn schlief nicht; ich sah, erzählt der Mond, wie die geblümten Kattun-Bettvorhänge sich bewegten, das Kind blickte heraus; ich glaubte erst, es betrachte die schwarzwalder Stubenuhr; die war noch so bunt bemalt, mit Roth und Grün, es saß ein Kukuk oben darauf; da waren schwere Bleilöthe, und der Perpendikel mit der glänzenden Messingplatte ging hin und her: “tick! tack!” aber das war es nicht, wonach er sah, nein, es war der Mutter Spinnrad. Dieses stand gerade unter der Uhr; das war des Knaben liebstes Stück im Hause, aber er durfte es nicht berühren, denn sonst bekam er etwas auf die Finger; ganze Stunden, wenn die Mutter spann, konnte er sitzen, die schnurrende Spuhle und das kreisende Rad betrachten, und dabei hatte er nun seine eigenen Gedanken. Ach, könnte er doch auf dem Rade spinnen! Vater und Mutter schliefen, er sah sie an, er sah nach dem Rade, und bald darauf stak da ein kleiner nackter Fuß aus dem Bette hervor, und dann noch ein kleiner nackter Fuß, dann kamen zwei kleine Beine: Bums! da stand er auf dem Fußboden. Er wendete sich noch einmal zurück, um zu sehen, ob Vater und Mutter schliefen; ja, das thaten sie, und dann ging er sachte, ganz sachte, nur in seinem kleinen, kurzen Hemdchen, zum Spinnrade hin und begann zu spinnen. Die Schnur flog ab und das Rad lief weit schneller. Im selbigen Augenblick erwachte die Mutter, der Vorhang bewegte sich, sie sah hinaus und dachte an den Kobold, oder an ein anderes kleines Gespenst. ””In Jesu Namen!”” sagte sie und stieß ängstlich den Mann in die Seite; er schlug die Augen auf, rieb sie mit der Hand und betrachtete die kleine ämsige Person. ””Das ist ja Bertel!”” sagte er.
Was der Mond erzählt, sehen wir hier als das erste Bild in Thorwaldsens Lebensgallerie, denn es ist eine Abspiegelung der Wirklichkeit. Thorwaldsen hat selbst fast Wort für Wort, in vertraulichem Zwiegespräch auf dem schönen Nysö, dem Verfasser erzählt, was dieser in seiner Dichtung dem Monde sagen ließ. Das war eine der ältesten Erinnerungen Thorwaldsens, wie er in seinem kleinen, kurzen Hemde im Mondenscheine saß, und an der Mutter Spinnrad spann, und die liebe Mutter hielt ihn für ein kleines Gespenst.

Vor einigen Jahren lebte noch ein alter Schiffszimmermann, der sich des kleinen, hellblonden, blauäugigen Bertel erinnerte, der zu seinem Vater im Schnitzhause auf den Holm kam; des Vaters Handwerk sollte er erlernen, und da dieser fühlte, wie schlimm es sei, nicht zeichnen zu können, mußte der elfjährige Knabe in die Freischule der Kunstakademie, und da ging es denn rasch vorwärts; zwei Jahre später konnte Bertel dem Vater schon fleißig zur Hand gehen, ja dessen Arbeiten verbessern.

Sieh, die schwebenden Schiffe auf den Wersten! Die dänische Flagge weht, die Handwerker sitzen im Kreise im Schatten bei ihrem einfachen Frühstück; aber vorn erhebt sich die Hauptfigur in diesem Bilde; es ist ein Knabe, der dreist Lebenszüge in das Holzbild zur Galion des Schiffes schnitzelt. Das ist der Schutzgeist desselben und soll als das Bild von Bertel Thorwaldsens Hand in die weite Welt hinaus wandern. Das ewig wogende Meer wird es mit seinen Wassern taufen, und einen Kran; von nassen Pflanzen darüber hängen.
Unser nächstes Bild bezeichnet einen Schritt weiter; unbemerkt unter den andern Knaben hat er nun schon in sechs Jahren die Schule der Akademie benutzt, wo er immer wortkarg und stumm bei seinem Zeichenbrette stand; seine Antwort war ja oder nein, ein Nicken oder Schütteln mit dem Haupte; aber Milde leuchtete aus den Mienen, Gutmüthigkeil aus jeder Aeußerung. Das Bild zeigt uns Bertel als Confirmant; er ist siebenzehn Jahr, gerade kein frühes Alter um seinen Taufbund anzuerkennen; sein Platz beim Probste ist zu unterst zwischen den armen Knaben; seine Kenntnisse sind nicht ausreichend, um ihn höher zu stellen. Vor Kurzem war durch die Zeitung berichtet, daß der Eleve Thorwaldsen bei der Akademie die kleine Silbermedaille erhalten habe.

“Ist das Euer Bruder, der die Medaille gewonnen hat?” fragte der Probst. “Ich bin es selbst!” sagte Bertel, und der Geistliche betrachtete ihn mit Wohlwollen, setzte ihn zu oberst über alle Knaben, und nannte ihn von nun ab “Monsieur Thorwaldsen.” O, wie dieses “Monsieur” damals tief in seine Seele klang, erzählte er oft später, es klang mächtiger denn jeder Titel, den ihm Könige geben konnten; nie vergaß er es wieder.

In einem kleinen Hause in “Aabenraa,” die Straße, in der Holberg seine arme Poeten wohnen läßt, lebte Bertel Thorwaldsen bei seinen Eltern und theilte seine Zeit zwischen der Kunst und der Hülfe, die er seinem Vater leistete. Der Akademie kleinere Goldmedaille sollte in der Bildhauerkunst gewonnen werden. Thorwaldsen war zwanzig Jahr alt, seine Freunde wußten besser denn er selbst, wie tüchtig er war, sie nöthigten ihn, die Aufgabe: “Heliodorus, der aus dem Tempel gejagt wird” anzunehmen.

Wir sind auf Charlottenburg, aber die kleine Kammer, wo Thorwaldsen vor Kurzem saß, um seine Skizze auszuführen, steht leer, und die schmale Hintertreppe hinunter, von Furcht und den Dämonen des Mißtrauens gejagt, eilt er davon, um nicht zurück zu kehren. In eines großen Genies Leben ist Nichts zufällig; das scheinbar Unbedeutende ist eines Gottes leitender Finger; Thorwaldsen sollte seine Aufgabe vollführen. Wer ist es, der ihn auf der dunklen Hintertreppe aufhält: einer der Professoren kömmt gerade des Weges, spricht mit ihm, frägt ihn aus, ermahnt ihn, er kehrt zurück, und in vier Stunden ist die Skizze ausgeführt und die kleine Goldmedaille gewonnen. Das war den 15. August 1791.

Der Staatsminister Graf Ditlew von Rewentlow sah des jungen Künstlers Arbeit und wurde sein Beschützer, er schaffte ihm Erwerb, und setzte seinen Namen an die Spitze einer Subscription, welches ihm freiere Gelegenheit verschaffte, sich seinem Studium zu widmen, zwei Jahre darauf war die große Goldmedaille gewonnen, und damit der Genuß eines Reisestipendiums; aber vor der Abreise sollte einem mangelhaften Schulbesuch nachgeholfen werden. Das Jahr verging, er las, studirte, die Akademie gewährte ihm ihre Unterstützung; alle Erkenntniß lächelte ihm entgegen; ein größerer, geistigerer Kreis lag ihm offen. Wir wollen unsere Augen auf einen ihm in jener Zeit lieben Gegenstand richten: wir finden diesen zu seinen Füßen in jenen munteren Abendscenen, wo er im lustigem Gelage mit Männern, wie Rahbek und Steffens, ein stiller Beschauer dasitzt; wir finden diesen in einem Winkel hinter dem großen Ofen mit den blanken Messingkugeln darauf in der sonst ärmlichen Kammer zu Hause, welche gegen die geputzten Herren, die Besuche machen, sehr absticht; wir sehen diesen, aber mit einer Schnur hinter der Thür zum Gesellschafts-Theater angebunden, wo Thorwaldsen die beiden Repliken, die er im “Barbier von Sevilla,” in seiner kleinen Rolle zu sagen hat, nicht kann, es ist sein lieber Hund, der gehört gerade mit in jene Zeit, gehört mit zu seines Lebens Triumphzug, den hat er geliebt, dessen hat er bei mancher Arbeit gedacht, sein treuer Begleiter, sein lieber Gefährte, alle Freunde wollten gerade Junge von diesem haben, denn da einst einer von Bertels Kreditoren zu heftig wurde, fuhr er grimmig auf den strengen Mahner los. Thorwaldsen hat ihn in Marmor unsterblich gemacht, das hat seine erste Liebe nicht gethan, die, welche sich sonst in eines Dichters Brust zu einem unverwelklichen Dafneblatte verwandelt.

Wir kennen ein Capitel jener Geschichte. Es war im Frühjahr 1796, wo Thorwaldsen seine Wanderung in die Welt, über die Alpen nach Nom, antreten sollte; aber er wurde krank und nach der Krankheit niedergeschlagen. In Deutschland war Krieg; seine Freunde riechen ihm, mit der königlichen Fregatte Thetis zu gehen, die gerade nach dem Mittelmeere sollte. Er hatte der Zeit eine Geliebte, er nahm von ihr einen treuherzigen, ehrlichen Abschied und sagte: “Du sollst nicht, da ich jetzt fortreise, an mich gebunden sein. Hältst Du fest an mir und ich an Dir, bis wir uns nach mehreren Jahren wieder treffen, so ist die Sache abgemacht!” – und so schieden sie – und sahen sich erst nach vielen, vielen Jahren wieder, kurz vor seinem Tode, sie, als Wittwe, er, als Europas ewig junger Künstler. Als Thorwaldsens Leiche in königlicher Pracht durch die Straßen geführt wurde, weinte an einem offenen Fenster eine alte Frau der Bürgerklasse, das war sie; der erste Abschied tauchte hier bei dem letzten vor ihr auf. Der erste Abschied, ja, das war ein festlicher Tag! die Kanonen donnerten zum Lebewohl von der Fregatte Thetts.

Sieh, wie die Segel vorm Winde schwellen, das Kielwasser schäumt, das Schiff fährt der waldbedeckten Küste vorbei, Kopenhagens Thürme verschwinden. Bertel steht vorn, die Wogen bespritzen das Thetisbild, dem er selbst einst lebende Züge einschnitzte; vorwärts bildet er den Argonautenzug nach dem heiligen Schein der Kunst; in Kolchis-Roma hat er nun begonnen. Aber daheim in der kleinen Stube in “Aabenraa,” steht die untröstliche Mutter und jammert über den Verlust ihres Sohnes, den sie nicht mehr sehen, nicht mehr an ihr Herz drücken wird. Einer der liebsten Freunde Bertels ist auch dort. Er bringt ihr von dem Fortreisenden eine kleine Schachtel mit Dukaten, aber sie schüttelt mit dem Haupte, und ruft laut: “ich bedarf nichts in der Welt, außer meinem Kinde, welches nun auf dem wilden Meere umkommen wird!” – und sie nimmt aus dem Schranke seine alte schwarze Seidenweste, drückt tausende von Küssen darauf und weint bittere Thränen über Bertel, den geliebten Bertel.

Ein ganzes Jahr verrinnt. Wir sind in den letzten Tagen des Februar, auf Neapels Molo; das Packetboot von Palermo kömmt an; Türken, Griechen, Malteser, Leute von allen Nationen steigen an das Land. Unter diesen geht ein bleicher, kränklicher Nordbewohner, er hilft dem Fakinen sein Zeug tragen, und schüttelt mit dem Haupte bei dessen Redseligkeit, denn er versteht die Sprache nicht. Was hilft es, daß draußen die Sonne so klar und warm scheint, es ist kein Sonnenschein in seinem Innern, dieses ist krank, es ist zermalmt von Heimweh; so hat Bertel Thorwaldsen nun endlich das Festland Italiens betreten, nachdem er sich, einem Ulysses gleich, herumgetummelt. DieThetis hat erst einen Kreuzzug in die Nordsee machen müssen, um die nordischen Küsten gegen englische Kaper zu bewachen. Im September erst ging das Schiff durch den Kanal und kam im Oktober nach Algier, wo die Pest ausgebrochen war. Darauf folgte eine lange Quarantaine auf Malta, dann eine Fahrt nach Tripolis, um dort die Feindlichkeiten gegen die dänischen Schisse zu schlichten; da, während der Kapitain am Lande war, trieb das Schiff vor gekappten Ankern auf dem Meere herum, hielt eine neue Quarantaine auf Malta ans, und danach befand es sich in solchem Zustande, daß es gekielhohlt werden mußte. Von Malta, im offenen Boote, verließ Thorwaldsen deßhalb seine Landsleute und ging nach Palermo; von dort war es nun, daß das Packetboot ihn nach Neapel brachte.

Er traf keinen Landsmann; die Sprache verstand er nicht. Mißmuthig und sehnsüchtig suchte er schon am nächsten Tage im Hafen, ob nicht unter den vielen fremden Flaggen das weiße Kreuz im rothen Grunde wehete: nein, da war kein dänisches Schiff; wäre ein solches da gewesen, so wäre er nach Dänemark zurückgekehrt. Seelenkrank brach er leicht in Thränen aus. Die alte neapolitanische Frau, bei der er in diesen Tagen wohnte, sah ihn weinen und dachte: “das ist sicher Liebe, die ihn drückt, Liebe zu Einer in seinem kalten, barbarischen Lande!” Und sie weinte mit, dachte vielleicht an ihre eigene erste Liebe, denn die Rosenhecke kann immer frisch und jugendgrün sein, obgleich es Erntezeit ist, und sie draußen blattlos mit ihren Hagebutten steht. “Wozu hat die Reise geführt! warum kömmt der Weichling zurück!” das würden die Worte sein, womit man ihn in der Heimath empfangen würde, das fühlte er in diesem kämpfenden Augenblicke; eine Art Scham traf seinen weichen Sinn, und in dieser Stimmung nahm er in Hast einen Platz bei einem Veturin nach Rom, wo er den 8. März 1797 eintraf, an einem Tage, der später von seinen Freunden in Kopenhagen, bevor sie das Datum seiner Geburt kannten, als sein Geburtstag gefeiert wurde. Der 8. März war der Tag, an dem Thorwaldsen für die Kunst in Rom geboren wurde.

Eine Portrait-Figur tritt uns hier entgegen, es ist ein Däne, der gelehrte, strenge Zoega, dem der junge Künstler empfohlen ist, aber der in ihm nur ein gewöhnliches Talent erblickt, und nur Worte des Tadels hat, Augen, mit denen er in seinen Arbeiten eine sklavische Nachahmung der Antiken erblickt. Streng rechtschaffen nach seiner Anschauung stand dieser Mann da, welcher Thorwaldsens Leiter sein sollte.

Wir lassen drei Jahre nach der Ankunft dahingleiten und fragen Zoega, was er noch jetzt von Bertel oder, wie die Römer ihn nennen, Alberto sagt, und der strenge Mann schüttelt das Haupt und spricht: ”da ist Vieles zu tadeln, wenig, womit man zufrieden sein kann, und fleißig ist er auch nicht!” Doch fleißig war er gerade, aber das Genie bleibt dem fremden Sinne fremd. “Der Schnee thaute mir damals von den Augen!” hat er selbst oft wiederholt. Des dänischen Malers Carstens Zeichnungen gehörten zu den Geistes-Werken, die ihre heilige Taufe über das hervorwachsende Genie ausgossen. Das kleine Atelier sah einem Wahlplatz gleich, rings umher zerbrochene Statuen. Der Geist schaffte sie oft in den Stunden der Nacht; der Mißmuth über ihre Mängel zerschlug sie.

Die drei verronnenen Jahre waren wie dahingeflogen und noch nichts hervorgebracht; die Heimkehr stand bevor, eine Arbeit mußte doch gemacht werden, damit man nicht in Dänemark mit Recht sagen könne: Thorwaldsen habe in Rom die Zeit ganz und gar vergeudet. An seinem Genie zweifelnd, wo dieses ihn gerade am liebevollsten umfing, keines Sieges gewärtig, während er doch schon in der Mitte der Bahn desselben stand, modellirte er Jason, der das goldene Vließ gewonnen hat. Dieses war es, was Thorwaldsen im Reiche der Kunst gewinnen wollte und nun glaubte, aufgeben zu müssen. In Thon stand die Gestalt da, viele Augen betrachteten sie gleichgültig und – er zerschlug sie.
Es war im April 1801, als die Heimreise in Gesellschaft mit Zoega vorgenommen werden sollte; sie wurde bis zum kommenden Herbst aufgeschoben. Jason erfüllte noch alle seine Gedanken; eine neue, eine größere Statue des Heldes wurde geformt, ein unsterbliches Werk. Aber noch war es vor der Welt nicht ausgesprochen und von ihr verstanden. “Hier ist etwas mehr als Gewöhnliches!” sagte die Menge, selbst der gehuldigte, hochstehende Canova stutzte und rief aus: “Quest’ opera di quel giovane danese é fatta in uno stilo nuovo e grandioso!” Zoega lächelte: “das ist brav!” – Die dänische Friederike Brun war damals in Rom und besang begeistert Thorwaldsens Jason. Sie unterstützte den Künstler, daß er sein Werk in Gips abgeformt erhalten konnte; denn er selbst hatte kein Geld mehr, als was er gerade gebrauchte, um nach Hause gelangen zu können.

Das letzte Glas Wein war schon zum Abschiede geleert, der Koffer eingepackt, des Veturinen Wagen in der Morgendämmerung vor der Thür; nun wurde der Koffer hinten aufgeschnallt – da kam ein Mitreisender, der Bildhauer Hagemann, welcher nach seiner Vaterstadt Berlin wollte; sein Paß war nicht in Ordnung, die Reise mußte zum nächsten Tage verschoben werden, und Thorwaldsen versprach, ungeachtet der Veturine schalt, so lange zu bleiben, – er blieb, blieb, um sich einen irdisch-unsterblichen Namen zu erringen, Sonnenglanz über Dänemark zu werfen.

Der Britten Bomben hatten Kopenhagens Thürme gestürzt, die Britten haben uns Dänen unsere Flotte geraubt, aber in unserm gerechten Schmerz und Bitterkeit hierüber wollen wir gedenken, daß es ein Engländer war, der für uns und unseres Landes Größe, Dich Bertel Thorwaldsen rettete! Ein Engländer war es, der für uns nach Gottes Willen mehr aufrichtete, als wenn alle unsere Thürme aufgebaut worden wären, der den Ruf des Namens der Nation mehr beflügelte, als alle Schiffe des Landes durch Flaggen und Kartaunen ausdonnern konnten, es warder Engländer Thomas Hope.

In dem kleinen Studio, welches der Künstler verlassen wollte, stand Hope vor dem entschleierten Jason; das war ein Lebens-Moment in Thorwaldsens und also auch in der Kunstgeschichte. Der fremde Reiche war vom Lohnbedienten dahin geführt, denn Canova hatte ja gesagt, daß Jason eine Arbeit in einem nenen und großartigen Style sei.

Nur 600 Zechinen verlangte Thorwaldsenum sein Werk in Marmor zu liefern, Hope bot ihm gleich 800. Seine Bahn der Berühmtheit begann. Das war im Jahre 1803.

Erst fünf und zwanzig Jahre danach war Jason vollendet und dem edlen Britten zugesandt, aber in diesen fünf und zwanzig Jahren waren andere Meisterwerke geschaffen, Thorwaldsens Name unter den Unsterblichen verzeichnet.
Er war ein Liebling des Glückes und doch noch bisweilen kranken Gemüthes; Neapels Sonne vermochte nicht dahinein zu dringen, aber Freundschaft, liebende Pflege vermochte es, und diese fand er beim Baron Schubart, dänischem Gesandten in Toskana; bei ihm, auf seiner hübschen Villa Montenero bei Livorno, kam die Gesundheit in das Blut, Ruhe in das Gemüth; das Sommerleben an diesem Orte spiegelt sich noch in seinen Basreliefs: “Sommer” und “Herbst” ab. Fürsten und Künstler schlössen sich hier ihm liebend an; rings umher erscholl Anerkennung und Bewunderung. Der Tanz der Musen auf dem Helicon entsprang da im Marmor; er schuf Amor und Psyche; diese Gruppe stand vollendet auf dem Schlosse: ein Gewitter zog auf, der Blitz schlug nieder und zertrümmerte alle anderen Bilder, mit Ausnahme von Amor und Psyche. Das war ein Zeichen vom Himmel, er war dessen Liebling; der Himmel verschonte mit seinem Blitz ein Werk von Thorwaldsen; das Meer selbst in seiner Wuth verschonte seine Venus mit dem Apfel, die schöne Statue sprang gerettet und wohlbewahrt aus des Meeres Schaum, nachdem die Trauerbotschaft das Versinken des Schiffes auf der Fahrt nach England verkündet hatte. Das Gerücht von Thorwaldsens Anerkennung erreichte Dänemark und erweckte Freude und Interesse; er wurde zum Mitgliede der königlichen Kunst-Academie ernannt, erhielt Bestellungen für das Schloß und für das Rathhaus. Herrliche Statuen entstanden in diesen Jahren: neue Kunstwerke, neue Bestellungen folgten. – Die Jahre rollten dahin.

Norwegen war damals noch mit Dänemark vereint; 1811 wurde dort ein weißer Marmorbruch entdeckt. Unser jetzt regierender König, der Zeit Prinz Christian, schrieb an ihn und Thorwaldsen sprach seine Lust und Sehnsucht zum Kommen aus; aber Arbeiten fesselten ihn noch einige Zeit lang an die Stadt des Pabstes.
Es herrschte Jubel und Thätigkeit in Rom, ein Kaiserpallast sollte sich auf dem Quirinalberge erheben; Künstler und Handwerker waren vielfach beschäftigt, denn schon im Mai 1812 sollte Alles fertig sein, um Napoleon aufzunehmen; da waren mehrere Zimmer, wo eben an allen vier Wänden ein offener Raum zu Basreliefs gelassen war. Niemand dachte an Thorwaldsens Hülfe, er wollte ja heimkehren nach dem Norden. Die Zeit drängte, die Arbeit sollte fertig sein; der Architekt Stern, welcher dem Ganzen vorstand, kam durch Zufall in der Akademie St. Luca neben Thorwaldsen zu sitzen, und machte ihm hier den Vorschlag, zu den Gemächern ein Fries in Gips, 29 dänische Ellen lang zu liefern; aber in drei Monaten sollte es vollführt sein. Thorwaldsen versprach es und hielt Wort, er gab ein Meisterwerk, Alexanders Triumphzug.

Das Gerücht hiervon durchlief alle Länder, in Dänemark stieg es bis zur Begeisterung; Geldsummen wurden eingesammelt um es in Marmor zu erhalten; die dänische Regiernng machte eine Bestellung.
Noch blieb Thorwaldsen in Rom; neue Werke wurden geschaffen, wir wollen bei zweien vom Jahre 1815 verweilen.

Wochen und Monate waren verronnen, ohne daß Thorwaldsen etwas vollbracht hatte. In unerklärliche Schwermuth versunken, ging er umher. In der Frühe eines Sommermorgens, nach einer schlaflosen Nacht, setzte er sich vor den Holzkasten, legte den nassen Thon über denselben, und in einem Nu formte er sein berühmtes Basrelief: “die Nacht.” Und während der Arbeit schwanden die dunklen Nebel in seiner Seele; es wurde Tag, klarer sonnenheller Tag; eine freudige Ruhe, welche ihm später immer als Sieger über sich huldigte. Froh und mit einer großen Katze und seinem lieben Hunde Teverino spielend, fand ihn einer seiner dänischen Freunde vor dem vollendeten Basrelief. Am selben Tage kam der Gipser, um es zum Abformen zu holen, und Thorwaldsen hatte schon ”den Tag” in Arbeit und sagte: ”Wartet ein wenig, dann können wir zugleich auch dieses abgeformt erhalten!” In einem Tage waren zwei unsterbliche Werke vollendet.
Am 14. Juli 1819 des Morgens 4 Uhr trat er in Gesellschaft mit dem Grafen Rantzau zu Breitenburg und dem Geschichtsmaler Lund die Heimreise an. Durch Schleswig über Als und Fünen, kam Thorwaldsen am 3. Oktober nach Kopenhagen. 23 Jahre waren verflossen, seit er das letzte Mal hier war.

Die Eltern sollten ihn nicht zu sehen bekommen, die Mutter ihren geliebten Bertel nicht an ihr Herz drücken, nicht seine Huldigung hören, den Jubel sehen, den seine Heimkehr weckte; sie waren längst verschieden, aber von Gottes Himmel erblickten sie ihn, von Gottes Himmel waren sie ihm auf seinem irdischen Lebens-Triumphzuge gefolgt. Einer Mutter Thränen auf Erden und Gebete im Himmel sind Segnungen.

Durch alle italienischen und deutschen Städte hatten Hohe und Niedere sich ihm mit Ehrenbezeugungen genähert; mancher junge und begeisterte Künstler eilte nach der Stadt, wo er wußte, daß Thorwaldsen durchkam, auf einer der letzten Stationen vor Stuttgardt hielt ein Wanderer den Wagen auf, in welchem Thorwaldsen saß, und bat um die Erlaubniß, mitfahren zu dürfen; er erhielt dieselbe und erzählte nun, daß er einen weiten Weg zurückgelegt habe, um in der Stadt den großen Künstler Thorwaldsen zu sehen, der erwartet würde. Thorwaldsen gab sich zu erkennen, das war für den Fremden einer der schönsten Augenblicke seines Lebens. Liebe und Huldigung hatten die Heimreise zu einem Siegeszuge gemacht; die Heimkunst war es nicht minder.

Sieh! wie sie sich zu ihm drängen, Alte und Junge, des Landes größte Männer, ein herzlicher Händedruck, ein Kuß auf den Mund, ist Thorwaldsens Guter Tag. Alle weltliche Ehre und Erhebung verdarben seinen schlichten Sinn und sein gerades Wesen nicht. Auf Charlottenburg ist ihm eine Wohnung angewiesen; sein Auge sucht unter den Vielen, die ihn umgeben, einen seiner älteren Freunde zu finden; bescheiden steht der alte Pförtner in seinem rothen Kittel an der Thür, der alte Mann ans den Tagen der Jugend. Thorwaldsen fliegt in seine Arme und drückt herzliche Küsse auf seine Lippen.

Fest folgt auf Fest zur Ehre Thorwaldsens; am schönsten das, welches von den Studirenden der Universität ausging, und auf der königlichen Schießbahn gefeiert wurde. Oehlenschläger hielt die Rede, bei deren Schluß der Dichter ihn aufforderte, doch auch einmal einen der alten Götter des Nordens darzustellen! Lieder wurden gesungen, Kanonen donnerten, Toaste wurden ausgebracht, auch einer für Thorwaldsens Grazien, im Toast für “alle dänischen Mädchen!”

Bald verlangte ihn danach, zu arbeiten, das Atelier wurde eingerichtet, Alle strömten herzu, um ihn in seiner Wirksamkeit zu sehen; für die meisten Kopenhagener war es eine neue Kunst, die für sie erstand. Naiv fragte eine schöne Dame, als sie ihn mit den Fingern in dem weichen Thon modelliren sah: “Diese Arbeit machen der Herr Professor wohl nicht selbst, wenn Sie in Rom sind?” — “Ich versichere Sie,” erwiederte er gutmüthig, “dieses ist gerade das Allerwichtigste!”
Ungefähr ein Jahr darauf verließ er Kopenhagen.

Es ist stockfinstere Nacht, es ist Windstille, ein offenes Verdeckboot liegt ruhig einige Meilen hinter Laaland; die Seehunde heulen von den Banken, der Matrose sitzt unsicher horchend im Hintertheile, und weiß nicht, was er thun soll; schon kräuselt sich der Wasserspiegel, ein Sturm ist im Anzüge, er nähert sich auf sausenden Schwingen, die Wogen heben das leichte Boot; es ist der Tod hier über den fürchterlichen Tiefen, aber der Tod mäht nur mit seiner Sense den Schaum von den hohen Wellen, Thorwaldsen ist im Boote, seine Sendung im Reiche der Kunst aus Erden ist noch noch nicht vollendet. – In der Morgendämmerung kömmt der Lootse ihnen zu Hülfe und sie erreichen Rostock.

Ueber Berlin, Dresden, Warschau und Wien ging es nach dem alten Rom, Thorwaldsens zweiter Heimath; in jeder Stadt Huldigung und Anerkennung.

Der Kaiser Alexander und der Kaiser Franz nahmen den Künstler mit Auszeichnung auf; die ganze Reise bildet einen neuen Zusatz von Triumph auf seiner Lebenswanderung.

Wieder stand er kräftig schaffend in seinem römischen, luftigen Atelier, die Rosen blühten zu den offenen Fenstern herein; die gelben Orangen glänzten in der warmen Sonne; unsterbliche Werke entsprangen seinem Meißel; Christus und die zwölf Apostel; die Johannes-Gruppe wurde geformt, Copernicus saß da in Kraft und Größe.

Es war der letzte Tag der Fasten 1823; die Glocken läuteten, Pistolen und Gewehre knallten. Thorwaldsens Wirthin hatte ei-nen kleinen Sohn. Nach der Mahlzeit, am stillen Freitag, bat der Knabe, ihm seine Pistolen zu leihen. Sie gingen, um diese zu holen, in die Schlafkammer hinein, da hingen sie noch von der Reise. Thorwaldsen nimmt die eine herunter und probirt sie am offenen Fenster, der Knabe hat inzwischen die andere ergriffen, sie geht los, Thorwaldsen stürzt zu Boden, der Knabe erblickt Blut und stößt einen Schrei aus. – Aber die Kugel lag matt innerhalb der Kleidungsstücke, die Ladung war nicht stark genug gewesen die tödtende Kraft zu entwickeln; das Blut entströmte nur zwei verwundeten Fingern; seine Rettung erfüllte das römische Volk mit dem Glauben, daß er im besondern Schutze der Madonna stehe.
Ja, hier wie immer wachte der Himmel über ihn. Sieh nur! es ist dunkle Nacht, es ist still in Roms Straßen, stille in Thorwaldsens Hause; ein Baar wohlbewaffnete Kerle schleichen sich dorthin und öffnen die Thür mit Nachschlüsseln, setzen sich drinnen auf die Steintreppe und erwarten ihn; denn sie wissen, daß er ausgegangen ist, spät und allein nach Hause kömmt. Im Hause selbst wohnt ja nur und zwar hoch oben die Wirthin mit ihrem kleinen Sohne und ein junger fremder Künstler. – Ruhig sitzen die Mörder; der Schlüssel rührt sich in der Thür, – sie horchen – nein, es ist Thorwaldsen nicht, es ist der jüngere Künstler, welcher heimkehrt; leicht springt er die Treppe hinan, den Lauernden vorbei; ihn beachten sie nicht, und doch hat seine Hand im Fluge des Einen Haar berührt; er weiß, es sitzt Jemand da; – weiß, sie erwarten Thorwaldsen, der immer diesen Weg zu seinen Zimmern geht; verwundert erblickt er Licht durch das Schlüsselloch, öffnet die Thür; Thorwaldsen ist daheim; das Haus hat von der andern Straße noch einen Eingang und durch diesen ist Thorwaldsen an diesem Abend genöthigt gewesen zu kommen, – weil er den Schlüssel zur gewöhnlichen Thür verloren hat und – er ist gerettet.

“Der Himmel wacht über ihn!” wiederholte das römische Volk. Sie sahen selbst den heiligen Vater ihm Besuch abstatten, sie sahen diesen ihm die Hand reichen, um ihn nicht beim Abschiede knien zu lassen. Dem Lutheraner Thorwaldsen wurde das Monument von Pius dem Siebenten zu machen übertragen.

Hoch auf der Rednerbühne steht die Tochter der Inspiration, die Jmprovisatorin Rosa Taddei; die versammelte Menge lauscht den feurigen Worten ihrer Lippen und jubelt Beifall; ihre Aufgabe ist; “l progressi della scultura.” Ihr Auge schweift über die Zuhörer hin und entdeckt Alberto, ihn, den Dänemark gebar; im Schwünge des Gesanges bezeichnet sie ihn und vergißt das Irdische so, daß sie in der Stadt des Pabstes den Alberto “Fligio di dio,” nennt.

“Der König und der Dichter sollen zusammen wandern,” steht im Liede, die Davidsharfe und die Königskrone stehen einander nach. In Roms Straßen wandern der König Ludwig von Baiern und der Dichter in Marmor: Bertel Thorwaldsen Arm in Arm, ein herzliches Freundschafts-Verhältniß war zwischen beiden geknüpft, warm und treu lauteten immer Thorwaldsens Freundschafts-Worte über Baierns König.

Schon vierzig Jahre in Rom, reich und unabhängig, lebte und wirkte er mit dem Gedanken, einst nach Dänemark zurückzukehren und dort sich auszuruhen; großer Bequemlichkeiten ungewohnt, wie mancher reicher Künstler in Rom, lebte er ein Junggesellen-Leben; war sein Herz, vom ersten Abschiede in Kopenhagen der Liebe nicht mehr geöffnet, Tausende von lieblichen Amorn in Marmor werden uns sagen, wie warm dieses Herz schlug. Die Liebe gehört zu den Mysterien des Lebens.
Wir wissen, daß Thorwaldsen in Rom eine Tochter hinterläßt, deren Geburt er anerkannt hat auch wissen wir, daß mehr denn ein Frauenzimmer dem großen Künstler gern ihre Hand hat reichen wollen.

Als er im Jahre vor seiner ersten Heimreise nach Dänemark krank in Neapel lag, wurde er von einer Engländerin gepflegt, welche die heißeste Liebe für ihn fühlte, solche aussprach und augenblicklich, durch das bei ihm geweckte Dankbarkeitgefühl, sein Ja erhielt. Als er später hergestellt war und nach Rom kam, peinigte ihn dieses Versprechen, er fühlte sich nicht dazu geschaffen, ein Ehemann zu sein, erkannte, daß Dankbarkeit nicht Liebe sei, daß sie nicht für einander paßten; deßhalb, nach einem Kampfe mit sich selbst, meldete er ihr seinen Beschluß. Thorwaldsen war nie verheirathet.

Charakteristisch für sein Herz, wie für seine ganze Persönlichkeit ist nachfolgender Zug: In Rom kam eines Tages ein armer Landsmann, ein Handwerker, zu ihm, der hatte lange krank gelegen und wollte ihm nun Lebewohl und für den Geldbeitrag, den Thorwaldsen zu den Gaben anderer Landsleute geschlossen, womit er nach Hause gelangen sollte, Dank sagen. “Sie wollen doch nicht den ganzen Weg gehen?” fragte Thorwaldsen. “Ich bin genöthigt dazu!” erwiederte der Mann, “die Gelder reichen sonst nicht aus.” – “Aber Sie sind noch zu schwach zum Gehen!” sagte er. – “Sie können es nicht ertragen und müssen es auch nicht!” – Der Mann erklärte die Nothwendigkeit und Thorwaldsen ging hin, öffnete einen Schiebkasten, nahm eine Hand voll Scudi und reichte sie ihm, indem er hinzufügte: “So, nun fahren Sie den ganzen Weg!”. – Der Mann dankte, versicherte aber, daß das Gegebene nicht weiter ausreichen werde, als bis nach Florenz. “Nun!” sagte Thorwaldsen, klopfte ihm auf die Schultern, ging zum zweiten Male nach dem Kasten und nahm noch eine Hand voll. Der Mann war im höchsten Grade dankbar und wollte fort. “Ja, nun können Sie den ganzen Weg fahren und es sich bequem machen!” sagte er und führte ihn dem Ausgange zu. “Ich bin sehr erfreut!” sagte der Mann, “Gott segne Sie dafür! aber den ganzen Weg zu fahren, dazu gehört ein ganzes Kapital!” – “Nun, so sagen Sie mir, wie groß es sein muß, damit Sie es können?” fragte er und betrachtete ihn. Der Mann nannte bescheiden die nöthige Summe und Thorwaldsen ging zum dritten Mal nach dem Kasten und zahlte das Verlangte aus, begleitete ihn dann zur Hausthüre, drückte seine Hand und wiederholte: “Aber nun fahren Sie, denn Kräfte zum Gehen haben Sie nicht!”
Unser Künstler gehörte nicht zu den beredten Leuten, nur im engeren Kreise konnte man ihn zum Erzählen bringen, und das geschah dann immer mit Laune und Munterkeit; ein Paar energische Ausbrüche werden von ihm aufbewahrt, wir wollen einen derselben wiedergeben. Ein bekannter Bildhauer sprach sich eines Tages mit ziemlichem Selbstgefühl aus, ließ sich in Streit mit Thorwaldsen ein, und stellte seine Arbeiten über dessen. “Du kannst mir die Hände binden!” sagte Thorwaldsen, “dann werde ich besser mit meinen Zähnen in den Marmor beißen, als Du hauen kannst!”
In Gips besaß Thorwaldsen Exemplare von allen seinen Arbeiten; diese so wie die reichen Marmorstatuen und Basreliefs, die er aus eigenem Antriebe, ohne Bestellung gesammelt hatte, die Menge Gemälde, die er jährlich jungen Künstlern abkaufte, bildeten einen Schatz, welchen er seiner eigentlichen Heimath Kopenhagen wünschte. Wenn deßhalb die dänische Regierung Kriegsschiffe nach dem Mittelmeere sandte, um die Arbeiten, welche für das Schloß und die Kirche gefertigt waren, abzuholen, ließ er immer einen Theil seiner Sachen mitfolgen. Diese sollte Dänemark erben. – Der Wunsch diese Schätze an einem ihrer würdigen Orte versammelt zu sehen, erweckte bei der Nation den Eifer, ein Museum zu erbauen. Ein Verein von Thorwaldsens dänischen Bewundrern und Freunden ließ die Aufforderung an das Volk, daß jeder sein Scherflein dazu beitragen möchte, ergehen; manch armes Dienstmädchen, mancher Bauer gab das seine, und bald war die erforderliche Summe zusammen gebracht. Friedrich der Sechste gab den Bauplatz; die Arbeit wurde dem Architekt Bindesböl übertragen. Aller Gedanken waren mit Thorwaldsen und seinen Werken beschäftigt, die Fregatte Rota sollte eine Ladung derselben überbringen und Thorwaldsen wollte mitkommen, um vielleicht für immer in Dänemark zu bleiben.

Seit langen Zeiten sahen wir nicht so schöne Nordlichte, als im Herbst 1838. Rothe und blaue Flammen wirbelten am Horizonte; Islands helle, funkelnde Nächte waren zu unsern grünen Inseln herabgestiegen; es war, als ob Thorwaldsens Voreltern, in Glanz der Nordlichte gehüllt, zum Gruß ihres Abkömmlings herniederschwebten. Die Fregatte Rota, mit Thorwaldsen am Bord, näherte sich den dänischen sommergrünen Küsten.

Sobald das Schiff, bei seiner Aufsegelung von Helsingör erblickt werden könnte, sollte die dänische Flagge am Nicolaithurm aufgezogen werden; aber es war ein nebeliger Tag; das Schiff war dicht bei der Stadt, ehe es bemerkt wurde. Alles kam in rasche Bewegung, das Volk strömte durch die Straßen nach der Zollbude.

Welches Gemälde! Die Sonne bricht plötzlich durch die Wolken hervor; da liegt das stolze Schiff. Einen prächtigen Regenbogen, ”eine Ehrenpforte für Alexander,” hat der Himmel über dasselbe ausgespannt. Die Kanonen donnern, alle Fahrzeuge flaggen, die See wimmelt von festlich geschmückten Booten, Flaggen mit Emblemen wehen und sagen uns, daß in diesem Boote Maler, hier Bildhauer, in jenem Dichter, in dem Studenten sind. Hier kommen junge geputzte Damen, doch nur flüchtig weilt das Auge auf diesen, es heftet sich auf das große Boot, welches mit raschen Ruderschlägen vom Schiffe absteuert; da sitzt Thorwaldsen mit dem langen weißen Haar über den blauen Mantel. Der Willkommengesang ertönt.

Der ganze Strand ist mit Menschen angefüllt, Hüte und Tücher wehen, wiederholter Hurrahruf braust ihm entgegen; das ist ein Volksfest, ein Fest der Begeisterung, das Volk spannt die Pferde vom Wagen ab und zieht ihn nach seiner Wohnung auf Charlottenburg, wo das Atelier mit Blumen und Kränzen geschmückt ist; der Abend ist ein Fest, im Garten leuchten Fackeln und die Künstler bringen ihm eine Serenade.

Thorwaldsen ist des Volkes Herz, des Volkes Gedanke, Fest folgt auf Fest; zwei von diesen wollen wir als die hervorstehenden nennen. Das eine, eine Art poetisch musikalischer Akademie, wo Gedichte in Bezug auf das Fest von den Verfassern selbst vorgelesen, oder in Musik gesetzt von Dilettanten ausgeführt wurden.

Der große Saal, jedes kleine Seitenzimmer, waren angefüllt, Alle wollten am Feste theilnehmen, welches mit einer Mahlzeit und einem Tanz, wo Thorwaldsen die Polonaise tanzte, schloß. Das andere Fest wurde im Studentenverein veranstaltet, in den er als Ehrenmitglied aufgenommen wurde. Bei der Festmahlzeit hier, wo ein Lied von H. P. Holst das werdende Museum apostrophirte, öffnete sich der Hintergrund des Saales und das Museum zeigte sich wie es vollendet stehen wird. Reden und Lieder wechselten mit einander ab: ein humoristisches Lied deutete die Aufnahme an:
– Du bist Student, den wir hier schau’n,
Oktober mußt’ uns Dich bescheren;
Hast tüchtig Dich hindurch gehau’n,
Und bringst die Redensart zu Ehren.
“Was giebst Du auf aus dem Homer?”
Wie lößtest Du nun die Charade?
Aus Thon stellst Du zum Leben her
Die ganze Iliade.

Wie sehr auch diese Begeisterung und Huldigung ihn freuen mußte, so war sie doch auf die Länge drückend; Fest und Bewunderung gehörten zu seinem täglichen Athemzuge und doch dachte er so wenig daran. Als er vom Volke nach seiner Wohnung gezogen wurde, wußte er nichts davon undsagte: “Das geht rasch!” Als er eines Abends in Rothschild von der Kirche kam, und die Straßen ihm zu Ehren illuminirt waren, äußerte er: “Hier ist wohl Hochzeit heute Abend.”

Nahe der Prästö-Bucht, von waldbedeckten Hügeln umgeben, liegt Nysö, die Herrschaft der Baronie Stampenburg, ein Ort, welcher durch Thorwaldsen in Dänemark berühmt geworden ist. Der offene Strand, die schönen Buchenwälder, selbst die kleine Provinzial-Stadt zwischen Fruchtgärten, einige hundert Schritte vom Gehöft, verleiht dem Ort den Werth, ihn wegen seiner echt dänischen Lage zu besuchen. Hier hat Thorwaldsen seine beste Heimath in Dänemark gefunden; hier schien er fest zu wachsen, hier sind eine Reihe seiner letzten, schönen Basreliefs und Statuen geschaffen; Baron Stampe besitzt eine der edelsten Naturen, seine Gastfreiheit und seiner Frau kindlicher Sinn für Thorwaldsen öffnete ihm hier eine so heimische und gute Behausung, wie keine andere in der Welt. Eine große energische Kraft der Baronin spornte seine Wirksamkeit an; mit der Sorgfalt einer Tochter pflegte sie ihn, lauschte ihm jeden kleinen Wunsch ab. Gleich beim ersten Besuch auf Nysö veranstaltete sie eine Ausflucht nach Möens Kreidefelsen, und in den Tagen, die dort zugebracht wurden, wurde im Garten zu Nysö, dicht am Kanal, der das Hauptgebäude halb umgiebt, ein kleines Atelier aufgeführt. In diesem und in einem Eckzimmer in der Belletage des Hauptgebäudes, gegen den Garten hinaus, sind in den letzten Jahren Thorwaldsens meiste Werke gefertigt: “Der Gang nach Golgatha, der Einzug in Jerusalem, Rebekka am Brunnen, seine eigene Portrait-Statue, Oehlenschlägers und Holbergs Büsten. Die Baronesse Stampe war treulich bei ihm, leistete ihm hülfreiche Hand, las ihm laut aus dem Holberg vor. Spazierfahrten, wöchentliche Concerte wurden arrangirt und am Abend sein liebstes Spiel, Lotterie; bei diesem mit dem Nummerbeutel in der Hand, konnte er recht aufgeräumt sein und manchen Scherz treiben. In zwei Basreliefs hat er die Familien dargestellt; auf dem einen, wo die Hausmutter, die zwei Tochter und der jüngste der Söhne stehen, ist der Künstler selbst; auf dem andern erblickt man den Hausvater und die beiden ältesten Söhne.

Alle Kreise suchten Thorwaldsen an sich zu ziehen; in jeder großen Gesellschaft sah man ihn, bei jedem Feste und jeden Abend im Theater zur Seite Oehlenschlägers. Kaum als junger Mann hat er die imponirende Schönheit besessen, die er später hatte.

“Die herrliche Figur
Saß plastisch, wie die eignen Götterbilder.
Hast Du bemerket, daß da wo er trat
Zur Menge hin, wich diese still zurück,
Beherrschet unbewußt von heil’ger Scheu.” –

Und über diese Größe war eine Milde, eine Gradheit ausgebreitet, welche den Fremden im höchsten Grade einnehmen mußte, der sich ihm das erste Mal näherte. Täglich war sein Atelier besucht, deßhalb fühlte er sich heimischer auf Nysö. Die Familie hier begleitete ihn darauf 1841, als er wieder Italien besuchte. Die ganze Reise, welche über Berlin, Dresden, Frankfurt, die Rheingegenden und München ging, war ein fortgesetzter Triumphzug; ein Morgen Ackerland könnte mit Gesängen an den gefeierten Künstler bedeckt werden. Der Winter wurde mit Stampes in Rom zugebracht und die Dänen fanden dort eine Heimath, der sie sich anschließen konnten.

Im darauf folgenden Jahre war Thorwaldsen wieder in Dänemark und auf dem lieben Nysö. Am Weihnachtsabend verfertigte er sein schönes Basrelief: die Weihnachtsfreude im Himmel, welches Oehlenschläger durch ein Gedicht einweihte.

Der letzte Geburtstag, den er erlebte, wurde hier gefeiert, die Aufführung eines Vaudeville; von Heiberg war veranstaltet, Freunde waren eingeladen; doch am gemüthlichsten waren die Morgenstunden, als nur die Familie und der Verfasser dieser Blätter, welcher ein lustiges Gedicht geschrieben hatte, das noch naß auf dem Papiere stand, sich vor des Künstlers Thür stellten, jeder mit einer Feuerzange, einer Trommel, einer Flasche, worauf mit einem Kork gerieben wurde, als Accompagnement, und sangen es als Morgengruß ab. Thorwaldsen im Schlafrock öffnete lachend die Thür, schwang seine schwarze Raphaels-Mütze, nahm selbst eine Feuerzange und accompagnirte, während er herumtanzte, und mit den andern das starke “Hurrah!” ausrief. – Ein schönes Basrelief: der Genius der Poesie, stand gerade vollendet, dasselbe, welches Thorwaldsen an seinem letzten Lebenstage für Oehlenfchläger bestimmte und sagte: “Das kann eine Medaille für Dich sein!”

Am Sonntage den 24sten März war ein Freundeskreis beim Baron Stampe versammelt, Thorwaldsen war ungewöhnlich munter, gab Geschichten zum Besten, sprach über seine Reise nach Italien, die er im Laufe des Sommers vorzunehmen gedachte. Im Theater sollte Halms Tragödie “Griseldis” zum ersten Male aufgeführt werden; zwar war nicht die Tragödie, sondern das Lustspiel, besonders Holbergs, seine liebsten Stücke, aber es war etwas Neues, was er sehen sollte, und es war ihm halb zur Gewohnheit geworden, den Abend im Theater zuzubringen. Die Ouvertüre hatte begonnen, beim Eintritt drückte er ein paar Freunden die Hand, nahm seinen gewöhnlichen Platz ein, erhob sich wieder vor Einem der vorbei sollte, setzte sich nieder, neigte das Haupt und war – tod. Die Musik brauste noch fort.

Die zunächst Sitzenden glaubten ihn nur in Ohnmacht, er wurde hinaus gebracht, aber er gehörte den Todten an.

Gleich einem elektrischen Strahl durchlief die Nachricht davon die Stadt, seine Zimmer ans Charlottenburg wurden mit Menschen angefüllt; am tiefsten erschüttert stand Baronesse Stampe, die wenige Tage zuvor eine liebe Schwester verloren hatte; ein kindliches Herz beweinte hier den großen Künstler.

Bei der Obduction ergab es sich, daß der Tod von einem organischen Leiden im Herzen ausgegangen war, welches die Wassersucht verursacht haben würde unter Hunderten sind kaum mehr denn Zwei so glücklich durch einen plötzlichen Tod erlöst zu werden.

Thorwaldsen griff des Todes Glücksnummer, er war auch hier der Glückliche. Sein Antlitz behielt noch im Sarge den gewöhnlichen Ausdruck; als eine schöne Büste imponirend, lag der große Künstler in langen, weißen Kleidern da mit dem frischen Lorbeerkranz um die Stirn.

“– Trauer bei des großen Meisters Heimgang
Verband mit kirchenfeierlichem Ernst sich.”

Die stille Woche begann gerade bei seinem Tode.

Im Figurensaal der Akademie lag er im offenen Sarge. Trauerfackeln flammten in Kandelabern. Es war gerade ein Tag zuvor, als er vor 50 Jahren hier auf derselben Stelle die Medaille der Akademie empfing. Die Trauerrede ertönte, die Künstler nahmen Abschied von dem großen Meister:
“– Mit schweren, schweren Thränen
Geleiten Dän’marks Stolz wir nun zu Grabe.”

Der dänische Kronprinz als Präses der Akademie, folgte dem Sarge zunächst; dieser hielt noch einmal im Hofe an und vom Atelier ertönte ein Miserere in lateinischer Sprache.

Der Zug begannt †).
†) Um 1½ Uhr begab er sich vom Trauerhause und erreichte die Kirche um 2¾ Uhr. Er wurde von zwei Künstlern an der Spitze einer Anzahl Seeleute eröffnet, demnächst nahe an 800 Studenten; hinter diesen kamen die Isländer, dann Künstler aller Klassen, welche einander ablösten und darauf die Leiche; hierauf der Kronprinz mit den Mitgliedern der Akademie, beide Militair-Etaten, Beamte und Bürger.

Es ist ein grauer Tag, nicht ein Sonnenstrahl. Die Bürgerschaft im Civilanzuge, Alle mit Flor um Hut oder Mütze, hat sich Arm in Arm in Reihe aufgestellt, und wo die Linie auf dem langen Wege schließt, steht das Volk, selbst zerlumpte Knaben, einander in den Händen haltend und eine Kette, eine Friedenskette bildend; zunächst der Frauenkirche fing die Reihe der Studenten an.

Alle Fenster, Mauern, Bäume und viele Dächer sind mit Menschen angefüllt. Welche Stille! sieh, sie entblößen das Haupt, wenn der Sarg sich nähert, der blumengeschmückte Sarg mit Palmenzweigen darüber, mit Thorwaldsens Statue, welche sich auf die Hoffnung stützt. Unter den vielen Kränzen auf dem Deckel sind zwei besonders zu bemerken, den einen hat des Landes Königin von den schönsten Blumen, welche die Jahreszeit brachte, selbst gewunden, der andere ist von Silber; die Kinder in mehreren Schulen der Stadt haben aus ihrer Sparbüchse jedes ein Scherflein dazu beigetragen. Sieh! an allen Fenstern schwarzgekleidete Frauen! Blumen fliegen hernieder, große Bouquets fallen auf den Sarg, alle Kirchenglocken läuten. Es ist ein Festzug, das Volk geleitet den König der Künstler! Nie wird diese Sekunde vergessen werden.

“– Sein Leichenzug war ein Triumphzug,
Nicht nur in unserm, in Europas Namen;
Doch Dän’mark ging als Nächster auch am nächsten
Und fühlt die Trauer hundertfach verdoppelt,
Die Trau’r der Welt, sie ruht auf Dän’marks Schultern.

Als der Sarg die Thür der Kirche erreicht hatte, gingen die Letzten des Gefolges aus dem Trauerhause. Das Orchester spielte einen Trauermarsch”:/kommentar/24644, tief und ergreifend, als schlössen sich die Todten dem Zuge an, von Tönen geführt, welche von Orgel und Posaunen erklangen.

Des Landes König ging dem Sarge entgegen und schloß sich der Reihe der Trauernden in der schwarzbezogenen Kirche, wo Christus und die Apostel in dem Dämmerlichte standen, an.

Nun rauschte die Kantate von den Lippen und der Orgel; der letzte Chor erklangt:

“– Leb wohl Du großer Thorwald, hör’ Deines Landes
Schmerz!
Hör’ jede Freundesstimme aus tiefbewegtem Herz!
Hör’ den, deß Geist verstand Dich, deß Herz geahnet Kunst;
Dank Thorwald! Du zerstreutest den dicken Nebeldunst;
Dich segnen Männer, Greise, die Weiber und das Kind,
Das erst in spätern Zeiten durch Deinen Ruf gewinnt.
Du schenktest Dän’mark Ehre! Was geben dem wir gleich?
Erkenne unsre Liebe, von Deinem Himmelreich!”

Nun folgte eine Rede vom Probst Tryde, und das Trauerfest schloß mit einem “Schlaf wohl!” von den Studenten, die einen Kreis um den Sarg geschlossen hatten.

So endete auf Erden Bertel Thorwaldsens lebensherrlicher Triumphzug. Das Glück und der Sieg waren seine Dioskuren. Keines Künstlers Leben ist reicher an des Glückes und Ruhmes Sonnenschein gewesen als das seine. Der Adelgeborne fühlte sich stolz, ihn in seinem Kreise zu haben, ihn, den ordenbekeideten, von Fürsten gehuldigten Großen, den Weltberühmten; der Bürger wußte, daß er in seinem Stande geboren, aus seinem kräftigen Stamm entsprungen war, und erhob das Haupt kecker gegen ihn, betrachtete dessen Ruhm und Glück als einen Theil des seinigen, erblickte in ihm den von Gott Auserkohrenen.

Ja, selbst durch seinen Tod schien er der armen Menge Glücksfunken zuzuwerfen. In ””Nyboder””:/kommentar/24646, wo man Thorwaldsen gut kannte und wußte, daß der Vater zu ihnen gehört und auf dem Holm gearbeitet hatte, hatten sie in der Zahlenlotterie die Nummern seines Alters, seines Geburts- und Todestages genommen, und diese kamen wirklich heraus, bei ihnen ein nicht kleiner Beweis seiner Größe.

Die Trauerbotschaft seines Todes ging weit hinaus über das Land, durch alle Länder; Trauergesänge ertönten, Trauerfeste wurden in Berlin und Rom gehalten; aus der dänischen Bühne, wo seine Seele sich zu Gott emporgeschwungen hatte, war ein Fest, der Platz, wo er gesessen hatte, stand mit Flor und Lorbeerkränzen geschmückt, und ein Gedicht von Heiberg wurde vorgetragen, worin seine Größe, sein Tod ausgedrückt wurden.

“Grad’ in diesem Raum, der Freud’ geweihet,
Der Freude über Schönheit, Kunst und Musen,
Beschloß das Schicksal, daß die Schönheitsformen Ausathmeten den letzten Lebensseufzer,
Der Freude Tempel ward ein Trauerhaus.
O dän’sche Bühne! kannst Du je verschmerzen
Den Eindruck, den der Anblick hinterließ?
Kann Deine Thalia mit ihrer Maske
Ablösen Melpomenes schweren Dolch?
Wird nicht, wenn Lachen ausbricht mit dem Jubel,
Ein leichter Trauerklang zugleich erklingen,
Ein Ton der Sympathie in diesen Mauern,
Die Zeugen waren dieses harten Schlags

Im Festsaale der Akademie gab der “Studentenverein” sein schönes Erinnerungsfest mit Hertz’s und Hartmanns Kantate, Holsts Rede, Plougs und Oehlenschlägers Gedichten; Thorwaldsens Ruhm erklang in Tönen und Worten, und wie schön, wie wahr:
“– Als wenn ein Junggesell der Geliebten Antlitz erblicket,
“– Viel Jahre trennten sie schon, kein Zug doch wurde
verloren. –
Solche Antiken sah er, nnd so nun standen sie vor ihm:
Drum griff zum Spaten er nicht, zum mühsamen Suchen
im Erdreich,
Doch aus dem innersten Geist, ruft er sie erweckend hervor.

Am Tage vor Thorwaldsens Tode war gerade das Mauerwerk in seinem Grabe vollendet worden. Mitten im Hose des Museums wünschte er zu ruhen; es war nun gemauert; ein Marmorrand ringsherum und ein Paar Rosenhecken und Blumen erbat er sich als Monument; das ganze Gebäude wird es mit fetten reichen Schätzen, die er dem Vaterlande schenkte, sein; in den pompejanisch gemalten Zimmern, welche in dem viereckig gebauten Gebäude den Hof umschließen, sollen seine Werke ausgestellt werden; unter den Fenstern wird in Bildern seine Ankunft ans der Rhede und sein Leichenbegängniß angebracht, die beiden reichsten Zugaben zu seines Lebens Triumphzug, und hoch auf dem Dache des Museums soll die Siegesgöttin: “halten den flüchtigen Wagen und weilen bei ihm bis ans Ende.

Durch Jahrhunderte wandern Völker nach Dänemark, nicht nur von unsern freundlichen grünen Inseln mit den frischen Buchenwäldern angezogen, nein, um diese Werke und dieses Grab zu sehen.
Doch noch eine Stelle wird der Fremde suchen, den kleinen Fleck auf Nysö, wo das Atelier steht, wo der Baum seine Zweige in den Kanal zu dem einsam schwimmenden Schwane hinabsenkt, dem er Futter reichte, auch der beugt sein Haupt im Tode, aber in der Unsterblichkeit Schwanengesang hallt der Name Thorwaldsen; er tönt in England vor Jasons und Byrons Statuen, er tönt in der Schweiz bei seinem sterbenden Löwen, in Noth schild vor Christian des Vierten Gestalt, er tönt in jeder Brust, wo die Kunst ihren heiligen Funken angezündet.

General Comment

Denne tekst er en oversættelse af den danske tekst, der udkom 30.12.1844 – 3.1.1845.

Archival Reference
Småtryk 1845, H.C. Andersen
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Last updated 03.02.2016 Print