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Louise Seidler [+]

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Rom

1874 (1818-23) [+]

Dateringsbegrundelse

Dateringen fremgår af den bog, hvori teksten blev trykt. Erindringerne stammer dog oprindelig fra Seidlers ophold i Rom 1818-23 og synes nedskrevet på dette tidspunkt.

Omnes
Resumé

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Se original

[...]
Noch ein drittes meins Geschlechtes sollte mir merkwürdig und auf mein späteres Geschick einflußreich werden: Frau von Humboldt, die Gemahlin des preußischen Ministers Wilhelm von Humboldt. Diese an Geist und Herz gleich ausgezeichnete Frau brachte mit ihren beiden Töchtern, Gabriele und Caroline, die strenge Jahreszeit in Rom zu. Sie war ein leidenschaftliche Kunstfreundin, und hatte sich aus diesem Grunde bei einer Wittwe einquartiert…
[…]
Die daheim durch allen Comfort ver-

wöhnte Frau aß mit der ganzen Hausgenossenschaft — darunter der Maler Schadow und Thorwaldsen — in dem Wohnzimmer der Familie der Vermietherin, welches gleichzeitig als Waschküche und Baderaum, sowie für sonstige häusliche Zwecke diente. Frau Buti (so hieß die Vermietherin) war die allgemeine Mama; auch ihre Töchter, sittig, einfach und schön, benahmen sich bescheiden und anständig. Die Unterhaltung bei Tisch war gewöhnlich lebhaft und fröhlich, selbst Thorwaldsens sonst stilles Wesen ward angeregt. Frau von Humboldt hielt keine Equipage, war alle Abend zu Haus und empfing Künstler, Gelehrte und Fremde; nicht lange, so erhielten auch Schinz und ich Zutritt zu diesem Cirkel. Die Unterhaltung, welche die geistreiche Wirthin immer aus Kunstinteressen zu lenken wußte, war stets sehr belebt. Frau v. Humboldt bewies sich wie eine Mutter für alle besseren Künstler; wo sie von einem Kunstwerk hörte, versäumte sie nie, es zu sehen. Befand sich der Schöpfer desselben in drückender Lage, — in Rom keine Seltenheit! — so vermittelte sie bei seinem Fürsten, oder wo es sonst möglich war, den Verkauf seiner Arbeit oder Erneuerung seines Stipendiums. So sorgte sie auch kurz vor ihrer Abreise im Frühjahr 1819 für mich, indem sie an eine Freundin, Frau von Wolzogen, Schillers Schwägerin, über meine Fortschritte in der Kunst berichtete und lebhaft ihr Bedauern darüber ausdrückte, daß ich nicht noch länger in Rom verweilen könne; zugleich hat sie Frau von Wolzogen, meinem Fürsten und Wohlthäter Karl August den Inhalt ihres Brie-

fes vorzutragen. Dies geschah, und das Fürwort der Frau von Wolzogen, welche sich überhaupt seitdem warm für mich interessirte und mir nach meiner Rückkehr in’s Vaterland die wohlwollendste Gönnerin wurde, hatte den besten Erfolg. Der gütige Großherzog setzte mir für ein zweites Jahr, das ich in Italien verleben sollte, abermals vierhundert Thaler aus. Als ich diese überraschende Nachricht erfuhr, beschloß ich sogleich, meinem Wohlthäter in Dankbarkeit ein schönes Staffeleibild zu copiren, das ihm als angenehmer Gegenstand willkommen sein und meine Fortschritte bekunden konnte. Da mir für den Augenblick die Gelegenheit fehlte, diesen Plan zweckentsprechend in’s Werk zu setzen, so mußte ich die Ausführung desselben einstweilen verschieben. Erst im Frühjahr 1821, bei einem längeren Aufenthalte in Florenz, konnte ich auf meine Absichten zurückkommen und diese so würdig ausführen, wie es mein dankbares Herz mir vorschrieb.

Mit Thorwaldsen und Schadow, den schon erwähnten Hausgenossen der Frau von Humboldt, wohnten außerdem noch der Maler Wach, später Akademiedirektor zu Berlin, und der Kupferstecher und Maler Senff unter einem Dache; alle Vier hauseten im ersten Stock. Von ihnen war Thorwaldsen der Einzige, der mehr als ein Zimmer hatte, nämlich drei. Im ersten derselben war ein kleines Atelier; Staffeleien mit angefangenen Basreliefs standen darin umher, der Fußboden, die Tische und Stühle waren mit kleinen Figuren bedeckt; nur mit Mühe fand man einen Stuhl zum Sitzen, nirgend etwas,

das einem Comfort ähnlich war; weder ein Bücherbrett, noch Schreibzeug, noch Schreibmaterialien. Das Schlafzimmerchen war besonders klein; trotzdem stand auch in diesem dicht vor des Künstlers Bett ein Modellirstuhl mit einem angefangenen Bildwerke darauf, an welchem er sogleich nach dem Aufstehen zu arbeiten Pflegte. Hinter diesem Zimmer befand sich ein etwas größeres Gemach, mit Gemälden geschmückt, durch deren Ankauf Thorwaldsen bedrängte Künstler unterstützt hatte; auf den Tischen sah man in bunter Unordnung allerlei Ausgrabungen, Vasen, Münzen, Bronzen u. s. w. Aus diesem Raume führte eine Thür zu einer größeren, gewöhnlich unbenutzten Treppe, neben der sich eine Marmortafel befand, in welcher das Datum eines Besuches des Papstes Pius VII. bei Thorwaldsen eingegraben war.

Der Künstler hatte jedoch nicht nur dies eine Atelier, sondern deren vier bis fünf, in welchen er viele Arbeiter beschäftigte. Er fertigte die Skizzen zu seinen Werken gewöhnlich nur einen Fuß hoch an und ließ sie darauf von einem geschickten Schüler oft über Lebensgröße modelliren. Dies Thonmodell wurde sodann abgegossen und in Marmor copirt. Sein bester Schüler, Pietro Tenerani, war ihm dabei besonders werth und eigentlich unentbehrlich. Die einzige Statue, die er ganz allein vollendet hat, ist der Adonis, den man in der Münchener Glyptothek bewundert, und der ein Zeugniß dafür ablegt, daß er, ebenso wie Canova, den Marmor trefflich zu bearbeiten verstand. Die gröberen Arbeiten, wie das Aushauen der

Figuren aus dem rohen Marmorblock, waren untergeordneten Bildhauern anvertraut; die feinere Arbeit ging dann in geschicktere Hände über. Eins seiner Ateliers war so groß wie eine kleine Kirche, die andern waren kleiner, oft recht kalt und feucht; nirgends sah ich Kamine oder Oefen, an denen es auch in seiner eignen Wohnung mangelte. Dafür kleidete sich Thorwaldsen desto wärmer; im Winter trug er mindestens vier bis fünf wollene Westen und Jacken über einander, seine Schüler und Modelle mußten sich mit großen metallenen Kohlenbecken behelfen. Beiläufig erzählt, rettete diese Eigenthümlichkeit der Kleidertracht dem Künstler einst das Leben: am 28. März 1823 nämlich wäre er beinahe durch eine Unvorsichtigkeit des jungen Buti, der sich mit einem Gewehre nicht gehörig in Acht nahm, erschossen worden, aber seine vielen Röcke schützten Thorwaldsen, indem sie die Gewalt der Kugel schwächten. Seine Rettung war nichts desto weniger ein wahres Wunder, denn die Kugel verletzte sogar die Haut und verursachte eine Quetschwunde.

Als ich Thorwaldsens Atelier zum ersten Male betrat, war er eben mit seinem herrlichen Mercur beschäftigt. Neben ihm wurde der wunderschöne Triumphzug Alexanders für die Villa des Grafen Sommariva am Comer See vollendet. Dieses der Antike ebenbürtige Kunstwerk sollte ursprünglich die für Napoleon bestimmte Wohnung im Quirinal schmücken: eine sinnbildliche Verherrlichung der Thaten des Kaisers. Da dieser

indessen nicht nach Rom kam, so erhielt das Basrelief eine andere Bestimmung.

Den großartigen Jason, dem Thorwaldsen sein Glück und seine Existenz in Rom verdankte, fand ich noch als Gypsmodell im Atelier. Der Künstler war nämlich 1796 mit einem Stipendium der Akademie von Kopenhagen auf fünf Jahre noch Rom geschickt worden, aber er spazierte die ganze Zeit umher, völlig in der Betrachtung der antiken Kunstwerke aufgehend, ohne etwas Eigenes zu schaffen. Erst als die Zeit seines Aufenthaltes beinahe abgelaufen war, entschloß er sich zu arbeiten und modellirte binnen wenig Tagen seinen Jason in übermenschlicher Größe. Ein kunstsinniger Engländer, Sir Thomas Hope, sah bei dem schon zur Rückkehr nach Dänemark gerüsteten Künstler das kaum vollendete Modell, kaufte es und bestellte es in Marmor. So konnte Thorwaldsen, vor Sorge geschützt, ruhig in Rom bleiben; der Auftrag Hopes machte ihn in weiteren Kreisen bekannt und fürder fehlte es ihm nie mehr an Aufträgen und Anerkennung.

Ich habe hernach Gelegenheit gehabt, Thorwaldsen ziemlich genau kennen zu lernen. Er war ein überaus einfacher Mensch; der Schlichtheit seines Innern entsprach diejenige seines Aeußeren. Sein Arbeitskostüm bestand in einem grauen, mit Lämmerfell gefütterten Kattun-Schlafrock, seine Straßentoilette war stets sehr bescheiden. Von seinen elf Orden wurde

man selten etwas gewahr. Besonders oft verkehrte ich mit ihm, als ich das Portrait meiner Jugendfreundin Fanny Caspers zu malen begonnen hatte, welche nicht lange nach meiner Ankunft in Rom ebenfalls eintraf. Gern erneuerte ich in ihr die liebe Bekanntschaft aus den seligen Tagen, wo wir Beide noch im Flügelkleide das Pensionat der Doctorin Stieler zu Gotha besuchten; die heitersten Erinnerungen aus unserer Jugendzeit traten uns wieder lebhaft vor die Seele. Fanny hatte sich in ihrem Aeußeren seit den langen Jahren, während deren ich sie nicht gesehen, verhältnißmäßig wenig verändert; ihr eigentliches Selbst aber war noch ganz das alte. Ein liebenswürdiges Kind der Natur, war Fanny graziös in Worten und Bewegungen; alte wie junge Herren und Damen wurden durch den Reiz ihres Wesens bezaubert. Sie war jetzt Gouvernante des einzigen Töchterchens der ungarischen Fürstin Grassalkovich, und zugleich Gesellschafterin der Mutter. Die gütige Fürstin ließ ihr volle Freiheit, wodurch es möglich wurde, daß wir uns viel sehen konnten. Mit wahrem Vergnügen unterzog ich mich der Aufgabe, sie zu portraitiren. Zu den Sitzungen traf Thorwaldsen fast regelmäßig ein, denn nicht lange, so hatte sich zwischen Beiden eine große Neigung entsponnen. Die lebhafte, muntere, witzige, begabte Fanny, die aller Schelmerei und Scherze voll war, konnte mit ihrer bezaubernden Art freilich wohl Liebe erwecken. Die Grazien schienen ihr alles gewährt zu haben, was entzücken kann; sie sang lieblich, plauderte hinreißend, wußte tausend Anecdoten auf die amü-

santeste Art zu erzählen, kurz, war unerschöpflich in gesellschaftlichen Scherzen und harmlos-ergötzlichen Kunststückchen. Ja, sie besaß ein entschieden ausgeprägtes Schauspielertalent, welches sich gelegentlich mehrfacher Anlässe in Hellem Lichte zeigte. So wurde einmal bei Frau von Humboldt das Lustspiel “Die ländliche Familie” aufgeführt; Fanny gab die Hauptrolle darin und erntete einstimmigen Beifall. Und als Philipp Veits Geburtstag gefeiert wurde, übernahm sie in dem von einer talentvollen Freundin, Auguste Klein aus Berlin, verfaßten Gelegenheitsscherze: “Die Kunst, Philipps Lieblingsbilder herbeibringend,” die moderne Sibylle; Schadow war Paris und ich Johanna von Arragonien. Alle diese Eigenschaften Fannys waren dazu angethan, Thorwaldsen für dieselbe zu entflammen, und sie verehrte in ihm den unerreichten Bildhauer, den modernen Phidias.

Leider führte das gegenseitige Interesse doch zu keinem Resultat, und zwar aus Rechtlichkeit des Künstlers. Er hatte nämlich, kurz ehe Fanny nach Rom kam, seine Verlobung mit einer edeln, aber unschönen Schottin, einer Miß Franziska Mackenzie Seaforth, gelöst, und zwar zur Beruhigung der Trostlosen mit dem Versprechen, sich nie verheirathen zu wollen. Diese Dame hatte den Künstler in Albano kennen gelernt, wohin er sich, am römischen Fieber heftig erkrankt, zu seiner Wie-

derherstellung begeben hatte; sie ward ihm dort eine treue Pflegerin, zugleich lernte er in ihr die erste edle weibliche Seele in seinem Leben kennen. Sie war voller Kunstenthusiasmus und Kenntnisse aller Art, sanft, still, leise in ihrem Auftreten, was mit ihrem grauen Teint und ihrem von Kopf bis zu Fuß grauen Anzuge völlig im Einklang stand. Einen bedeutenden Eindruck machte Miß Mackenzie, die mir später, als ich sie kennen lernte, immer wie eine Fledermaus vorkam, nicht. Von Gestalt war sie groß, mager und knochig; ebenso waren Hände und Füße. In dem Ausdruck ihrer Augen und der Gesichtszüge lag indessen etwas Angenehmes und Anziehendes; ein Stempel der Herzensgüte versöhnte mit der sonst höchst un-scheinbaren, auch nicht mehr ganz jungen Dame. Da früher Thorwaldsen die Beute einer ganz gewöhnlichen, üppigen, jähzornigen Römerin, Anna Maria Magnani (verheirathet mit einem Berliner Professor, der sich aber nicht mehr um sie kümmerte), gewesen war, so mochte ihm der Contrast zwischen den beiden Frauen zu Gunsten der Schottin sehr fühlbar gewesen sein. Allein die Italienerin hatte ihm wegen seiner Treulosigkeit Rache geschworen und würde dieselbe wahrscheinlich auch ausgeführt haben, wenn er der Gemahl ihrer Nebenbuhlerin geworden wäre; hatte sie doch früher schon dem sanften, stillen Thorwaldsen bei verschiedenen häuslichen Zwistigkeiten Gesäße aller Art an den Kopf geworfen! Miß Mackenzie hatte, als ihr Thorwaldsen in Albano wirklich, leichtsinnig genug, seine Hand bot, nicht den Muth, ohne Zustimmung ihrer Familie sogleich

ihre Einwilligung zu geben: zum Glück für Thorwaldsen, denn ein Blinder mußte merken, daß sie nicht die Person war, um den eigenartigen Künstler mit dem Joche der Ehe auszusöhnen; sie selbst wäre dabei am unglücklichsten geworden. So kamen beide nach Rom; Miß Mackenzie führte Thorwaldsen sogleich bei ihren englischen Bekannten ein, in deren Abendzirkeln sich indessen der Künstler so bodenlos langweilte, daß sie ihm bald unausstehlich wurden und er in seine gewöhnliche Osteria zu seiner Foglietta, der mit Stroh umflochtenen Weinflasche, die er nicht verschmähte, mit doppelter Wonne zurückkehrte. Vergebens versuchte Miß Mackenzie, sich den eigensinnigen Thorwaldsen wenigstens als Freund zu erhalten; er mied sie gänzlich und löste das Eheversprechen, worauf sie trostlos in ihr Vaterland zurückreiste. Nach mehreren Jahren kam sie jedoch wieder nach Rom, um bei Thorwaldsen ihr Grabmal zu bestellen; auch das gelang es ihr indessen nicht, den Künstler wieder für sich zu entflammen. Diese Schottin nun war grade im Begriff, sich wieder nach ihrem Vaterlande einzuschiffen, als die schöne, blühende, neckische Fanny in Rom erschien. Sie entzündete das leicht bewegliche Gemüth Thorwaldsens, dessen Neigung sie bald von ganzem Herzen erwiederte. Er suchte sie so oft wie möglich auf; am liebsten bei mir. Gern ertheilte er mir dann seinen Rath in Betreff des Portraits von ihr; so mußte auf seine Anheimgäbe Freund Schinz mir als Hintergrund des Gemäldes das Colosseum zeichnen.

Die beiden Liebenden traten einander, ohne sich indessen

mit Einem Worte zu erklären, immer näher; namentlich weckte das Geplauder und der Gedankenaustausch während der Stunden, da ich Fanny malte, gegenseitig mehr und mehr die innigste Theilnahme. Die brünstigsten Gebete um Erfüllung ihres Herzenswunsches sandte Fanny, eine gläubige Katholikin, zur Madonna empor. Wir Alle wünschten, daß sie Thorwaldsens Frau werden möchte; sie würde eine Stütze für die Deutschen in Rom geworden sein und den Künstler aus den unwürdigen Fesseln jener Italienerin, welche ihn inzwischen wieder umschlungen hatten, befreit haben. Gewiß wäre sie auch seiner natürlichen Tochter Elisa, welche ihm die Magnani geschenkt hatte, eine gute Mutter gewesen. Dieses bei der elenden Anna Maria gebliebene Kind der Liebe verheirathete Thorwaldsen später an einen alten dänischen Obersten Namens von Paulsen, den jedoch ein tieferes Interesse nicht an das vom Vater reichlich ausgesteuerte Mädchen zu ketten schien.

Unter den Kunstkoryphäen, welche bei meiner Ankunft zu Rom in großer Anzahl dort versammelt waren, stand unstreitig Thorwaldsen an Bedeutung, Gewalt des Genius und europäischem Ruse Allen voran. Aber auch unter den übrigen Künstlern befanden sich viele wackere Männer, und gern trage ich auf den folgenden Blättern zu deren Charakteristik nach Kräften bei.
[...]

Am St. Franziskatag, 9. März 1819, gab auch das Namensfest meiner lieben Freundin Fanny Caspers Anlaß zu einer fröhlichen Vereinigung bei mir. Die zahlreichen, in meiner kleinen Wohnung kaum zu placirenden Gäste brachten artige Geschenke mit; eine Lotterie ohne Nieten wurde veranstaltet, zu welcher einige dichterisch Begabte (in erster Reihe die unverwüstliche Auguste Klein) flugs allerliebste Verse machten. Einer der Freunde hatte alles Nöthige herbeigeschafft, um Punsch zu bereiten; aber ach — worin ihn brauen und serviren? Triumph! Es fand sich ein neuer irdener Topf! Reizende Blumen, die ich des Morgens zur Verherrlichung des Festes gesammelt, wurden schnell mit Orangenblüthen und Zweigen aus dem Hausgärtchen zu einem reichen Kranze vereint und der ordinäre Topf damit umwunden; so war ein herrlicher Tafelaufsatz fertig. Das zweite Prachtstück bildete ein großer Gothaischer Schinken, den der liebenswürdige Prinz Friedrich nebst anderen Victualien als heimathliches Gericht mir hatte kommen lassen und der sich als besonders schmackhaft erwies; daneben prangte auf der Tafel ein schöner Kuchen von Henriette Herz; kleine mitgebrachte Leckereien mundeten dazu nicht übel. Da das Geburtstagskind Lebenslichter auf einem Kuchen nicht gewünscht hatte, so wurde Abends eine kleine Illumination improvisirt. Wie oft ertönte es: “Fanny lebe! Es lebe Fanny!” Das schöne Wesen glühte vor Wonne und Freude; wir setzten sie auf den Tisch, Thorwaldsen schlang den Kranz um ihr Haupt, und wir begrüßten sie als eine der Musen, der

unsere kleinen Gaben zu Füßen gelegt wurden. Es war rührend, Thorwaldsen zu beobachten, wie er gegen seine tiefe Empfindung für das herrliche Mädchen anzukämpfen strebte und wie das Gefühl für sie doch immer wieder zum Durchbruch kam. Warum mußte auch jene Engländerin wie ein graues Gespenst zwischen ihnen stehen, da Fanny Caspers Thorwaldsen so ganz hätte beglücken können!

Uebrigens hatten Thorwaldsens huldigende Aufmerksamkeiten für die von Allen verehrte Fanny die Folge, daß ein wohlmeinender und redlicher Freund, Thorwaldsens Landsmann, der gelehrte Alterthumsforscher Bröndsted, welcher den innigsten Antheil an Fannys Schicksal nahm und die gegenseitige Neigung zwischen ihr und Thorwaldsen kannte. Letzteren als Ehrenmann am folgenden Tage offen fragte, was das Mädchen zu hoffen habe; worauf Thorwaldsen ihm mit tiefer Trauer mittheilte, daß er zwar seine frühere Verlobung mit

Miß Mackenzie gelöst habe, jedoch gegen das Versprechen, nie einer Anderen seine Hand zu reichen; er werde dies Versprechen auch halten, da die Mackenzie ihn verzweiflungsvoller Weise nicht aufgegeben habe. Ob nun Bröndsted Fanny von dieser Unterredung Andeutungen gab, weiß ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen; gewiß ist nur, daß das liebe Wesen ganz kurze Zeit nach jenem fröhlichen Feste ihre Gebieterin, die Fürstin Grassalkovich, zu bestimmen gewußt hatte, Rom zu verlassen. Noch einmal vereinigte die zum Abschiede veranstaltete Feier uns Alle: am Abend vor der Trennung (23. April 1819) wurde der Thee an meinem Kamin getrunken; Tags darauf versammelten sich sämmtliche Bekannte bei mir. Es waren die letzten, wehmüthigen Stunden vor einem ewigen Abschiede, denn niemals sollte ich Fanny wiedersehen. Nach einigen Jahren verheirathete sie sich in Wien (von Frau Dorothea Schlegel zum Altar geführt) an den Associé eines großen Banquierhauses, Namens Doré, schenkte diesem eine Tochter und starb nach kurzer, zufriedener Ehe. Bei einem späteren Aufenthalt in Wien lernte ich ihren gutmüthigen, freundlichen Mann und dessen milde, brave zweite Frau kennen, welche Fannys hinterlassene einzige Tochter vortrefflich erzogen hat, so daß dieselbe jetzt eine ehrenvolle Stellung bei der Kaiserin von Oesterreich einnimmt. Die Tochter war wohl der Mutter ähnlich, doch ohne ihr an Schönheit gleichzukommen.

Dieses Abschiedsfest sollte aber nicht das einzige bleiben, welches mich noch im ersten Halbjahre meines römischen Auf-

enthaltes schmerzlich bewegte; wenige Tage nachdem Fanny aus unserer Mitte geschieden war, machten auch Frau von Humboldt, Henriette Herz und der preußische Gesandtschaftssecretär Dr. Brandis Anstalt, nach Deutschland zurückzukehren (2. Mai 1819). Den Dr. Brandis lernte ich erst am letzten Tage seines Aufenthaltes in Rom recht kennen und schätzen. Er hatte sich in seiner Stellung, unter Niebuhr, stets sehr glücklich gefühlt; jetzt aber erging der Ruf des Vaterlandes an ihn, eine Professur an der neu errichteten, sogleich mit vorzüglichen Lehrkräften ausgestatteten Universität Bonn anzunehmen; nun ließ die Liebe zur deutschen Heimath den patriotischen Mann das Scheiden leichter ertragen. Henriette Herz war der allgemeine Liebling geblieben; viele Thränen flössen ihr nach. Während der letzten Tage ihres Aufenthalts in Rom bemühte sich Jeder, ihr noch irgend eine Aufmerksamkeit zu erweisen; ich selbst überreichte ihr eine von mir angefertigte Copie des Erzengels Michael (das Original, von Eggers gemalt, war im Besitz der Frau von Humboldt), über welche Henriette Herz große Freude hatte. Freilich war das Original ein schönes Bild: das Colorit bräunlich und so klar und durchsichtig wie bei den trefflichsten Meistern; die Jünglingsschönheit des Engels noch erhöht durch den edeln, ernsten und himmlischen Ausdruck seines Antlitzes.

So wenig wie Henriette Herz konnte auch Frau von Humboldt durch irgend Jemand ersetzt werden. Manchem schöpferischen Talente hatte sie durch Rath und That in edelster Weise

genützt; vier mit Künstlern dicht besetzte Wagen begleiteten sie daher bis zur ersten Station hinter Rom, bis la Storta. Das Wetter, trüb und regnerisch, harmonirte mit der allgemeinen Stimmung. Wir frühstückten gemeinschaftlich; die Orvieto- Foglietten machten fleißig die Runde, aber selbst dieser dem Champagner ähnliche Wein stimmte diesmal nicht heiter, wiewohl Dankgefühle und Hoffnungen auf ein glückliches Wiedersehen zu vielen Gesundheiten Anlaß gaben. Für mich war auch dieser Abschied ein Lebewohl aus ewig; nur an das Grab der Frau von Humboldt zu treten, war mir im Jahre 1830 vergönnt. Ich besuchte damals in Tegel bei Berlin die älteste Tochter der edlen Frau, Karoline, die ihre geistreiche, bedeutende Mutter vor Allen vermissen mußte, weil deren besondere Liebe das Mädchen entschädigt hatte für das Nichtvorhandensein äußerer Anmuth, welcher Mangel neben einer blühend schönen jüngeren Schwester, Gabriele (seit 1821 die Gemahlin des preußischen Gesandten in London, des Freiherrn von Bülow), für die stille, oft in sich gekehrte Seele doppelt fühlbar wurde. Karolines Vater, der Staatsminister Wilhelm von Humboldt, lebte nach dem schweren Schlage, der ihn betroffen hatte, mit seiner Familie auf seinem Gute, still zurückgezogen; es ward mir jedoch bald die freundliche Erlaubniß zu Theil, ihm und seiner Tochter meine Aufwartung machen und dem Andenken der theuren Gönnerin an deren Ruhestätte eine Thräne weihen zu dürfen.
[...]

Nun begannen die quälenden Zurüstungen zu der Trennung von Rom. die mir so schwer fiel. Es mußte eingepaßt, es mußten Abschiedsbesuche gemacht werden. Letztere boten noch manchen Lichtblick in der Nacht meiner Bekümmerniß; so das Lebewohl bei Thorwaldsen. Tiefbewegt schied ich von diesem Würdigen, dem ich in meinem Herzen längst den nächsten Platz neben Goethe eingeräumt. Aehnelte doch auch sein Schaffen dem des Dichterfürsten: durch Beider Wesen ging ein Zug erhabener Einfachheit, antiker Würde, hoheitvollsten Adels. Rührend gütig schied Thorwaldsen von mir; mit größter Bestimmtheit sprach er die im Jahre 1832 auch wirklich in Erfüllung gegangene Prophezeihung aus, daß ich eines Tages sicherlich wieder nach Rom käme, da ich es ehrlich mit der Kunst meinte. “Ja!” sagte er, indem er mir die Hand auf die Schulter legte und mich mit seinen wundervollen blauen Augen groß anblickte, “wir scheiden heute nicht aus immer. Ihnen ist es heiliger Ernst um die Kunst, heiliger Ernst!” Dann zeigte er mir noch seine Sammlung von Gemälden, mit denen ein Zimmer seiner Wohnung geschmückt war. Gutmüthig hatte er manchem bedrängten Maler durch Ankauf seiner Arbeiten genützt; unter vielem Mittelgut waren ihm auf diese Weise auch einige Meisterwerke zu Theil geworden , z. B. zwei treffliche Landschaften von Koch, in welche Cornelius die Staffage gemalt hatte (diese Bilder kamen nach Thorwaldsens Tode in den Besitz des Herrn von Quandt); auch manche gute Genrebilder zierten die Sammlung des Künst-

lers. Die Perle derselben aber war ein überaus liebliches Madonnenbild von Sassoferrato, welches Papst Pius VII. dem Meister — dessen Eigenschaft als Nichtkatholik uneingedenk — geschenkt hatte und das von mir, Dank Thorwaldsens bereitwillig dazu ertheilter Erlaubniß copirt worden ist. Soviel ich mich erinnere, war dieses Gemälde das einzige nicht moderne, welches der Künstler besaß, denn er pflegte gar keine Bilder alter Meister zu kaufen. Hingegen besaß er alte Münzen, Pasten, etrurische Vasen und dergleichen. Zuletzt führte er mich noch in eines seiner größten Ateliers, um mir seine zwei letzten Apostel zu zeigen: Matthäus mit dem Kinderengel gefiel mir außerordentlich; noch mehr aber der Engel, welcher eine Muschel als Taufbecken darreicht; eine schlanke, zarte Gestalt, deren Gewand in weichen anschmiegenden Falten bis auf die Füße herabfällt. Eine so hehre, so liebliche Unschuld in den seinen Zügen, eine so leuchtende Klarheit in den schönen Augen läßt fühlen, wie der Engel selbst die Seligkeit empfindet, das heilspendende Becken darzubringen. — Mit schwerem Herzen schied ich von Thorwaldsen, den ich als Künstler wie als Menschen gleich hoch verehrte.

Am Johannisfeste 1823, drei Tage vor meiner Abreise, verabredete ich mit den nächsten Freunden einen letzten Spaziergang nach der Villa Poniatowski. Philipp Veit hatte leider mit Frau und Kind Rom bereits verlassen, um den Sommer

in Tivoli zuzubringen; ihm hatte ich schon das allerschmerzlichste Lebewohl gesagt. Andere Kunstgenossen und Freunde begleiteten mich aber nach jener Villa. Der Abend war wunderschön, die herrliche Aussicht wurde durch die scheidende Sonne vergoldet, deren Untergang mir nie so majestätisch erschienen war, wie diesmal. Lange war ich träumerisch in den Anblick des herrlichen Naturschauspiels versunken, entzückt und doch schmerzvoll den Abschied vorempfindend. Da erhob der heitere Maler Catel, welcher mit von der Partie war, die Stimme und unterbrach das feierliche Schweigen mit dem Ausrufe: “Laßt uns doch noch einen Salat und Eier in der nahe gelegenen Osteria “Zum Papa Giulio” genießen!” — Gesagt, gethan. Aber wie wurde ich überrascht! Am Fuße der Treppe, welche zu dem vorgenannten Gesellschaftslocale führte, stand der Maler Remy aus Berlin, bot mir den Arm und bat mich im Namen mehrerer Freunde um die Erlaubniß, den Abend nach Sitte der männlichen Kunstgenossen feiern zu dürfen. Gleichzeitig öffnete sich die Thür, und eine lange, sauber gedeckte, mit Blumen geschmückte Tafel zeigte sich meinen erstaunten Blicken: zweiundzwanzig mir besonders befreundete und hoch von mir verehrte Künstler waren um dieselbe versammelt. Ein fröhlicher Gruß schallte mir von ihren Lippen entgegen, und vor einem prachtvollen Kranze erhielt ich meinen Platz; mein Sessel war mit Blumen umwunden und auf meinem Teller lag ein dichter Lorbeerkranz mit einem Gedichte von Auguste Klein, welches also begann:

“Bei diesem Kranz gedenk der röm’schen Zeiten
Wenn rauh und kalt des Nordens Lüfte wehn;
Der Lorbeer soll in’s Studium Dich begleiten
Von schlankem Stamm auf kapitol’schen Höh’n,
Und Freude, denk’ ich, soll er Dir bereiten
Wenn deutsche Freunde horchend um Dich stehn;
Dann werden tausend Bilder Dich umschweben
Und in die Blätter dringt ein neues Leben!”

Der Orvieto kreiste zu den schmackhaften Speisen, und alle Lieder, welche sonst den abreisenden Künstlern zu Ehren gesungen wurden, erschallten nun abgeändert für die “reisende Maid” in frischen, wehmüthig-fröhlichen Klängen. Es waren herrliche, erhebende Stunden, welche ich genoß; mir zur Rechten saß der würdige Prediger Schmieder, zu meiner Linken der stets muntere Catel; Freunde und Freundinnen reihten sich diesen an. Um Mitternacht endete das für mich so überraschende Fest. Der Mond stand am Himmel; sein mildes Licht goß Klarheit und Frieden auch in meine tiefbewegte Seele. Still schlich ich nach Haus — singend und plaudernd zogen neben mir die Andern davon. Nie zuvor war der Abschied einer Künstlerin von Rom so schön gefeiert worden; auch später habe ich von keiner ähnlichen Feier gehört. Erschöpft von so viel Freuden und Ehren, erschüttert von dem Schmerze des Abschieds erreichte ich die Schwelle meines Kämmerleins. Vor meinem Bette saß ich lange, gedankenvoll vor mich hinstarrend; wohl fühlte ich, daß Größeres mir nie beschieden sein könne. Voll inniger Wehmuth empfand ich, daß keiner meiner glücklichen Tage in Rom mir

zurückkehren würde, und daß eine solche Seligkeit, wie ich siedort genossen, fast nur den einen Wunsch übrig lassen konnte: lieber an der Pyramide des Cestius für immer auszuruhen, als nach Deutschland zurückzukehren.

[…]

Generel kommentar

Denne tekst er et uddrag af Seidlers erindringer om hendes ophold i Rom 1818-23, jf. Uhde, op. cit. Der gengives tre passager, som vedrører Thorvaldsen.

Andre referencer

  • Hermann Uhde (ed.): Erinnerungen und Leben der Malerin Louise Seidler (geboren zu Jena 1786, gestorben zu Weimar 1866), Berlin 1874, p. 221-231, 274-279, 382-386.
Emneord
Thorvaldsen som Fidias eller Praxiteles · Thorvaldsen som marmorhugger · Vådeskudsulykken 1823
Personer
Napoleon Bonaparte · Anna Maria Buti · Cesare Buti · Antonio Canova · Franziska Caspers · Franz Ludwig Catel · Peter von Cornelius · Johann Wolfgang von Goethe · Maria Leopoldina Grassalkovich de Gyarak · Henriette Herz · Thomas Hope · Caroline von Humboldt · Joseph Anton Koch · Kunstakademiet, København · Frances Mackenzie · Barthold Georg Niebuhr · Elisa Paulsen · Pius 7. · Johann Gottlob von Quandt · Carl Heinrich Friedrich Emil August Remy · Wilhelm Schadow · Friedrich Schiller · Adolf Senff · Pietro Tenerani · Bertel Thorvaldsen · Anna Maria Uhden · Wilhelm von Uhden · Philipp Veit · Karl Wilhelm Wach
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Sidst opdateret 06.11.2018 Print