Rom den 10 Februar 1809
Ich hatte gehofft Ihnen, verehrtester Herr Baron, auf eine glücklichere Veranlaßung zu schreiben, und meinen wärmesten Dank für Dero gütiges Schreiben vom 6 v. M. zu sagen, allein ein feindliches Schicksal hat es anders beschlossen. Unser gemeinschaftlicher Freund, der trefliche verdienstvolle Zoega ist nicht mehr! ein heftiges gallichtes Nervenfieber entriß ihn uns vor wenigen Stunden nach einer neuntägigen Krankheit. Schon seit Ihrer Abwesenheit, wo Sie seine grose Magerkeit und Schwäche bemerkt haben werden, fieng er an zu kränkeln, und hatte bey seiner an sich schon cachecktischen und schwachen Konstitution bis zu seiner Krankheit sehr bedeutend abgenommen.
Er hatte, ehe ihn diese befiel, die Freude gehabt, seinen Sohn, seine jüngste Tochter und eine Hausgenoßinn vor Halsentzündungen /Bräune/und Fiebern hergestellt zu sehen, wobey er in ihrer Wartung sehr thätig gewesen war, und sich, da er zumal mit seinem Sohne in einem Bette schlief, und also beynahe keine einzige Nacht Ruhe hatte, noch mehr schwächte. Die Constitution der Atmosphäre, die diesen Winter sonst allgemein eine Menge Menschen an gallicht catharrhalischen Zufällen leiden machte, und ein mehreremale wiederholter Aerger wie er seinen Freunden Wahl und Thorwaldsen sagte, mögen wohl die Hauptveranlaßungen zu seiner Krankheit gewesen seyn, die nach verschiedenen kleinern Indispositionen am Mittewoch den 1. Februar anfieng.
Er ließ mich am Donnerstage den 2. Februar ohngefähr um Mittag rufen, wo ich ihn mit einem etwas alterirten Pulse, heftigem Kopfschmerz, großer Neigung zum Erbrechen, bitterm Geschmack im Munde, Spannung unter den kurzen Rippen u. s. w. antraf. Seine große Schwäche, die ich fürchtete, veranlaßte mich ihm kein heftiges Brechmittel, sondern nur eine Mischung von Salmiack und Brechweinstein zu geben, die auch, ohne ihn anzugreiffen, sogleich den erwünschten Effect machten und eine große Menge Galle und Schleim ausleerte. Mit einer bedeutenden Erleichterung des Kopfes fand sich den 2ten— gegen Abend mit leichten Frösteln und Ziehen im Rücken Fieber ein, was ihn nicht wieder verließ, und deßen anfangs remittirender Carakter am 7ten— Tage der Krankheit in den continuirenden übergieng. – In derselben Nacht stellte sich ein heftiger gallichter Durchfall ein /10 Stühle/ der von Stuhlzwang begleitet war und am 3ten— und 4ten— die Zahl von 30 Stühlen erreichte. Die (…) die er durch dieselben ausleerte, waren indeß nicht bedeutend, wohl aber von einer durchaus gallichten (…)eusen Beschaffenheit. Zugleich etablirte sich ein entzündungsartiger Schmerz in der Lebergegend, der sich auf den Magenmund ausdehnte, sich selbst beym Niederschlucken fühlbar machte, und bis zum 4ten— zunahm. Dieser wich endlich den äußerlichen Einreibungen von warmen Oel mit Opium, und dem innern Gebrauche Entzündungswidriger auflösender leicleic leicht ausführender Mittel. So wie er nachließ, verminderten sich auch die Stühle, die Sonntags schon zu der Zahl von 7. herabsanken, aber doch ihre gallicht-schleimigte Natur beybehielten. Die Mittel, die bis dahin außer leichten Bouillons, Aepfel-Compot und mit Chammomillen-Blumen abgekochten Gerstenwaßer gegeben waren, bestanden in Sal Ammoniacum, Tartarus Tartari salub. und sehr geringen Gaben von Antimonialien, in solchen Dosen wie ich sie aus mehreren ähnlichen Zufallen, die er früher hatte, und bey seiner jetzigen Schwäche, für nützlich halten mußte. – Nach dem Nachlaßen des Schmerzes empfal ich ihm sehr gute starke Bouillons und Waßer mit Wein gemischt, zu sich zu nehmen, konnte meinen Zweck aber selten erreichen und verhindern, daß er die große Menge Wassers, die er immer zu trinken gewohnt war, und mit der er jetzt bey dem sich noch etwas bitterlichen Geschmacke, die Galle, seiner eignen Theorie zu Folge ausspühlen wollte, nicht genaß. – Diesen einzigen Ungehorsam, den ich ihm vorwerffen könnte, mögte ich indeß vielleicht auch eben so sehr seiner häußlichen Lage zuschreiben, da er Niemanden um sich hatte, der ihn mit Autorität zu etwas veranlaßen konnte. Mondtag und Dienstag den 5ten— und 6ten— Februar /4te– und 5te– des Fiebers/ gieng alles vortreflich, der Schmerz war gänzlich verschwunden, der Stühle waren nur 5 und 3 in 24. Stundten, die Leibschmerzen hörten auf, und der Stuhlzwang verlohr sich auf ein jeden Abend genommenes Lavament vom Gerstendekel [?] mit 15. Tropfen Tinctura Thebaica. – Er bekam in der Nacht des 5ten— zum 6ten— leichten Schweiß und eine Eruption um die Augen und den Mund, und das Fieber wurde bey der am 6ten— Morgens angefangenen Abkochung der China mit weniger Rhabarber fast unmerklich, der Schlaf ungestöhrt u. s. w. – So war auch der Mittewoche der 7te– Tag der Krankheit, wo ihm zum ersten Male seine Chokolade und Bouillon mit Reiß sehr schmeckten; er verlangte den andern Tag aufzustehen und hatte sehr viel Muth. – Jedoch fieng ich wegen vermehrter Beengung des Pulses, und einem Krampfe in Magen und Schlunde, an, den Uebergang in Nervenfieber zu fürchten, und verordnete am Morgen Chinadekockt mit Valeriana und Clether Vitrioli. Er befand sich indeß den ganzen Tag so erträglich, daß er meinen 3ten— späten Abendbesuch verbat und mir dagegen das tröstlichste sagen ließ – Er war mein Nachbar u. wir konnten uns aus dem Fenster sprechen – allein in der Nacht rief man mich, und ich fand ihn mit allen Zufällen eines starken Nervenfiebers in einem geringen Delirio, mit Krämpfen in dem Magen, Schlunde, der Brust, den Muskeln, der Zunge und dem Munde und den Armen. Der S(…) von ein Paar auf die Waden gelegten Zugpflaster und eine ziemlich starke Ausleerung sehr gallicht gefärbter Substanzen nebst dem Erguße einer Menge ähnlich aussehenden Weins brachten ihn nach 2 bis 3 Stundten ganz wieder zu sich, und zwar so, daß ich nicht glaube daß er bis zu seinem Tode das Bewußtseyn wieder verlohr, aber gleich nur wenige Worte bey den wichtigsten Veranlaßungen sagte, und sonst immer die Augen schloß.
Man zog den Doctor Lupi einen der berühmtesten römischen Aerzte zu, worauf er gleich gewißermaßen und wie ich meine seiner oft darüber geäußerten Grundsätze wegen unwillig schien, einen zweiten Arzt zu sehen, und antwortete wie ich ihn frug ob er seinen Beichtvater haben wollte, ein rasches und ernstes Nein. – Wir verordneten die Fortsetzung der Valeriana, der China und des Clethers, Sinapis (…) unter die Füße und auf den gegen die Rückenwirbelbeine krampfhafft zusammengezogenen Unterleib Einreibungen von Oehl, Camphor, Opium und flüchtigen Laugensalzen. Zugleich empfahlen wir ein sorgsames und häufiges Reichen [?] von consummirter Bouillon und sehr starken und geistigen Aleatico Wein. Das Gesicht wurde ihm mit eau de Cologne gewaschen so auch die Lippen und die jetzt harte und trockne Zunge, die man gleichfalls häufig benetzte; die Nase war ihm verstopft. – Doch war dies umsonst, die aufgelegten Pflaster zogen zwar stark und sein Kopf war und blieb frey, aber das Fieber war am Abend, wie am Morgen, der Kranke schien wenig zu leiden, bewegte sich hin und wieder mit Krafft, sank aber immer mehr in einen Zustand von Gefühllosigkeit, zu dem sich in der Nacht des 9ten— Fiebertages noch immer heftigere Krämpfe in der Brust den Armen und Schlunde gesellten. Sein Bewußtseyn hatte ihn indeß nicht so verlaßen, daß er nicht in den Intervallen die Trinkgefäße selbst hielt, und seine Bedürfniße kannte und verrichtete, allein alles gieng mit jedem Augenblicke schlimmer. – Wir wandten innerlich nach einander opium, Camphor und Sal volatile Cornu Cervi an, aber nichts brachte mehr Veränderungen hervor, der Puls hielt sich gleich und eben, aber die Nervenzufälle, oder vielmehr ihr Spiel in den Muskeln machte es am Ende unmöglich weiter etwas zu verschlingen. – Nur kurz vor dem Tode konnte er wieder einige Löffelchen voll Medicamente und Bouillon niederschlucken. – Der Unterleib, der mit obigen Linimenten häufig eingerieben wurde, ward gegen Morgen zugleich mit warmen Embrocationen von Flonell, in ein Dekoct von wenigen Senfsaamen und Chamomillen-Blumen getaucht, bedeckt; es zeigte sich beym Anbruche des Tages ein neuer Ausschlag im Gesichte und wir bemerkte[n] gegen 8 Uhr, wie wir ein Zugpflaster auf die Herzgrube und Magen-Gegend legen wollten, den Unterleib und die Inguinal-Gegend mit einer Menge kleiner rother Fleckchen bedeckt, die einem sich bilden wollenden Frieselausschlage nicht unähnlich waren. Jedoch kam ihnen, wenn gleich auch die erste neue unter die Fußsohlen gelegten Senfpflaster die Haut rötheten, der Todt zuvor, der um 1/2 11 Uhr Vormittags den 10ten— Februar erfolgte. – Periodisch gieng diesem ein stundenlanges Röcheln vom Krampf und Schmerz in der Brust vorher, doch starb er ganz ruhig. – Sein sehr verzogenes und entfärbtes Gesicht nahm bald nachher wieder einen gütigen freundlichen Ausdruck an, und die Farbe seines Körpers wurde auffallend gelb. Keine Art von Geruch war zu bemerken. Ein Capuciner, der in den letzten Stunden mit dem Curato von S. Andrea delle Frate zugegen war, ertheilte ihm die Absolutio in futuro. […]
Er war klein und delikat von Körperbau, von einer schwächlichen cachecktischen Constitution, und sehr rasch und ausdauernd in seinen körperlichen Bewegungen. Seine unendlichen Studien bey denen er äußerst frugal lebte, mogten ihn sehr geschwächt haben, und er hatte außer einer Menge fast alle Augenblicke wiederkehrender gallicht catharrhalischer Zufälle mehrere sehr schwere und beynahe tödliche Krankheiten ausgestanden. Von einer derselben hatte ihn der Doctor Domeyer, – jetzt englischer Ritter u. Director der Vaccinations Anstalten im Süden von England – von einer andern ich, vor wenigen Jahren befreyet.
Er war hier von Liebe und Achtung umgeben, sah wärend seiner Krankheit häufig und Stundenlang seine Landsleute und Freunde, welche erstern auch ihn vom Augenblicke der Gefahr an nicht mehr verließen. Herr Thorwaldsen war beständig um ihn, und Herr Matthei und von Huth bewachten und unterstützten ihn die letzte Nacht.
So starb ein Mann dem wahrscheinlich Niemand unter den Modernen verglichen werden kann, der war, was er seyn wollte und wofür er sich gab, und deßen energisch ausgesprochener und vollendeter Caracter nur in des alten Griechenlands Geschichtsbüchern seine Vorgänger findet.
Seine Spatziergänge mit seinen Freunden (…) denselben, was die unter Athens Propylaen bezwecken mogten, und sein stilles Urtheil sprachen hundert Formen in belebtem Marmor aus.
Sieben lange Jahre sagte er dem reinsten und größten Kunstgenie, was in neuerer Zeit in Rom erkannt ist, so machten es die Alten nicht, nur das ist ja gerade wie diese oder jene Antike, wenn er sein Attelier besuchte, und immer zerstöhrte oder baute der große Künstler bis Thorvaldsens Iason dastand, und das klassische Kennerauge Zoega’s befriedigte.
Er flohe die jetzige Welt, und war bey der unbedeutenden Aufmerksamkeit, die er der Tagesgeschichte widmete, über die Folgen sich ewig wiederholender Schwäche zu einer Indifferenz darüber gekommen, die nur allein sein Vaterland ausnahm, dessen unglücklicher jetziger Zustand, den er gerade vor und in den ersten Tagen seiner Krankheit mit vielen Details erfuhr, unter den moralischen Veranlaßungen seines Todes, eine der wirksamsten gewesen ist.
Bedürfnißlos und streng gegen sich selbst, war er gütig, mild und erhabend gegen diejenigen, die sich nicht durch sein stoisches Aeussern abschrecken ließen, in ihn zu drängen, und die er lieben konnte; Gerechtigkeit im Urtheile, Präcision und Festigkeit war eine seiner Haupttugenden, und Anerkennung fremden Verdienstes seine größte Freude. Wer die ganz einzige immense Mühseligkeit kennt, mit der neue antiquarische und philologische Kenntniße erworben werden können, kann auch einsehen, wie ihn der große Umfang derselben und die Fülle des Höchsten und Schönsten in Idee und Wirklichkeit was es in der Welt gab und was er kannte die so genannten genialischen eigentlich aber manirirten Urtheile – die mancher an ihn vermißte – auszusprechen hindern mußte, und die er dagegen durch umfaßende, richtige, belehrende ersetzte.
In Jahrhunderten kann es keinen Mann und niemals einen seines Faches gegeben haben, der bey solch einer Vollendetheit gleich frey von Eitelkeit und Selbstsucht war. Unter allen die sich Dänen nennen, und unter allen Menschen, die nur durch Gutes stiften hohen Ruhm erwarben, gab es außer Tycho Brahee der anno 1560 lebte, keinen, der unter Europas unterrichteten Bewohnern im höhern Rufe stand und seinem Vaterlande mehr Ehre machte, wie er; in ihm fand sich die Vollendung dessen, was man germanische Bildung nennt, er hatte gewußt, mit deutschem Kopfe Gründlichkeit, Sprachefähigkeit und Fleiß, selbst ohne nach Aegypten zu ziehen, Fragen aufzulösen die, wenn sie wirklich deshalb gemacht wurden, und zuvor gekannt wären, tausende von Menschen Opfern unnütz gemacht haben würden, und verstanden den Orient zu besiegen und uns das Große und Schöne zu entziffern, was deßen merkwürdigste Bewohner vor Jahrtausenden, Jahrtausende verborgen hatten.
Doppelte Unsterblichkeit kröne sein Werk. Sanft ruhe seine Asche. […]