Bester Thorvaldsen | Florenz d. 10 April. 1800. |
Dieser Brief wird Sie u Hl Zoega überzeugen dass ich noch glücklich u wohl hier in Florenz angekommen bin; möchte derselbe Sie beide auch nur eben so gut davon überzeugen können wie herzlich ich Ihnen Dank weis, für alle mir in Rom erwiesene Freundschaft u Gefälligkeit, und wie sehr ich mit meiner Reise nach Rom auch deswegen zufrieden bin, weil sie mir die Bekanntschaft von ein Paar so braven hochachtungswerthen Leuten verschafft hat, die ich in unsrem Vaterlande fortsetzen zu können mich freue (wiewohl ich es Zoega, um seiner selbst u um unsrer Landsleute willen die in Zukunft Rom besuchen werden, kaum wünschen mag, dass seine Erwartung, für beständig nach Dännemark zurück zu kommen erfullt werde). Sagen Sie diesen meinen Dank an ihn, bis ich weiter hin (ietzt werde ich wohl kaum Zeit übrig haben), ihm selber in einem eignem Briefe dies wiederholen kann, u empfehlen Sie mich der Frau Consulin u seiner Familie, wenn sie sich meiner noch erinnern. Ebenfals empfehlen Sie mich in Mezeris Hause und danken in meinem Namen für die gefällige artige Aufname die ich dort gefunden u für die angenehm in ihrer Gesellschaft zugebrachte Zeit. Frau Maria grüssen Sie, u wünschen ihr von herzen eine baldige Veränderung ihres Schicksals, die sie so sehr verdient, u die hoffentlich nicht lange ausbleiben wird. Herzliche Grüsse an Freund Koch, der wie ich hoffe mit Rom nach u nach wieder ausgesöhnt werden wird; wenn es wahr ist, was man hier in den Zeitungen liest dass der traurige Zustand dort aufgehört hat. Es wird mir um aller meiner Freunde in Rom willen, lieb seyn, wenn dies wahr ist. – Im Vorbeigehen eine Nachricht für Freund Koch, in Bezug auf seinen Auftrag, ihm zu melden, wenn ich einen Ort erfahre, wo es gut u wohlfeil zu leben ist. Eben höre ich dies von einem Freunde u Landsmann, dem Sohn des Kaufmann Wulfen in Livorno, von Minorka wohin er kürzlich eine Reise gemacht hat um Geld einzukassiren. Man bezahlt dort für das Mittagsessen, eine Flasche Portwein mit einbegriffen, drei Pezze dur, u braucht dort, für die übrigen Ausgaben des Tages noch ohn gefähr zwei andre Pezze dur, um ohngefähr eben das zu haben, wofür man in Rom 10 oder 12 Paul bezahlt. Dies wäre ein Ort für die Artisten, die Rom für den theuersten Ort in der Welt halten.
Von meiner Reise habe ich nicht viel andres als Widerwärtigkeiten zu erzählen. Schon dies kann ich unter die Unannehmlichkeiten derselben rechnen dass sie mich von Rom wegführte, wo ich gerne noch einige Zeit geblieben wäre, obgleich ich diese Verletzung des Endzweckes meiner Reise schwerlich hätte in meinem Gewissen entschuldigen können; und wo ich der Versuchung dort noch etwas länger zu bleiben auch schwerlich widerstanden hätte, ohne die von mir beobachtete Vorsicht, (deren Nützlichkeit ich erst am Ende meines Aufenthalts recht einsehe), nur eine bestimmte Summe Geldes, u keinen Kreditbrief auf mehr, mit mir zu nehmen, damit mich der Geldmangel aus Rom wegtreiben, und mir nicht erlauben sollte mehr als höchstens 6 oder 8 Wochen an einem Ort zu bleiben, wo für mich als Arzt nicht viel zu sehen ist. Die Eilfertigkeit u Verwirrung indessen mit der ich wegkam, machte mich wie betäubt u verursachte dass ich in dem Augenblicke die Trennung von Rom u meinen dortigen Freunden weniger fühlte. Dass ich das Unglück hatte mit 3 Damen in die Kutsche gepackt zu werden, von denen noch dazu zwei alt u hässlich waren, sahen sie selbst. Indessen fand ich doch nicht die Unannehmlichkeiten, die ich von der Unfähigkeit der Weiber die Beschwerlichkeiten der Reise zu ertragen, erwartete, denn diese hielten sie gut u ohne viel zu klagen aus; besonders muss ich Kochs Freundin Domenica Giusti wegen ihrer Geduld u guten Laune loben, mit der sie auch den übrigen die Widerwärtigkeiten der Reise weniger fühlbar machte. Wenn sie wieder nach Rom komt, so grüssen Sie sie von mir, u danken ihr in meinem Namen für dies. – Draussen vor Rom wurde unsre Reisegesellschaft noch mit einer Person vermehrt, nämlich mit dem französischen Maler Duret, der höflich genug war die arme Menicuccia nicht draussen sitzen zu lassen u ihr seinen Platz in der Kutsche zu überlassen. Wie es aber weiterhin stark zu regnen anfing, so musste uns Ihr kleiner Kasten mit Raphaels Schädel aus der Verlegenheit helfen, aus dem wir mitten in der Kutsche einen Sitz machten, so dass wir also 5 Personen in derselben seyn konnten. Kaum hatten wir uns durch den Koth u den grundlosen Weg bis ohngefähr 4 Meilen vor Baccano durchgearbeitet; als es dem Schicksale gefiel unsre Hoffnung noch den ersten Tag bis Ronciglione oder wenigstens bis Monte Rosso anzukommen zu vereiteln, indem gegen 10 Uhr bei einem Stoss an einen Stein die Achse des Hinterrades brach u die Kutsche mit grossem Geschrei unsrer Damen auf die Seite fiel. Ausser dem Schrecken kamen indessen alle gut davon. Menicuccia, Duret u ich machten uns sogleich auf die Beine um nach Baccano zu gehen; die beiden andern Damen versuchten es auch, kehrten aber bald wieder um, u stellten sich unter einem Regenschirm neben dem Wagen hin. Wir hatten ohngefähr 2 Meilen zurückgelegt, als der Regen immer zunahm u uns nöthigte uns nach einem Obdache umzusehen. Ein uns begegnender Bauer den wir fragten ob nicht bald ein Haus in der Nähe sey, tröstete uns mit dem nahen Wirtshause il Merluzzo, wohin wir bald darauf gelangten. Freilich war es nur ein unbewohntes zerstöhrtes Haus ohne Thür u Fenster, aber doch hatte es ein noch ziemlich unversehrtes Dach, welches uns vor dem Regen schützte. Wir hatten Muth genug trotz unsres ungünstigen Schicksals munter u guter Dinge zu seyn, aber endlich löschte der Hunger, den besonders ich nicht wenig fühlte da ich den Morgen fast nichts gefrühstückt hatte, und die Kälte unsre gute Laune etwas aus, und machte uns etwas stille, besonders wie wir die Sonne sich ihrem Untergange sich nähern sahen. Gerne wären wir ohngeachtet alles Regens weiter gegangen, aber war schon von dem zurückgelegten Wege halb baarfuss, u hatte auch keine Kräfte mehr zu gehen. Endlich kam eine andre Kutsche mit Reisenden vorbei, und nahm unsre Dame auf, und wir marschierten voran. Der Regen hatte inzwischen aufgehört, u wir kamen um 7 Uhr in Baccano an, wo wir uns wärmten u unsern Heishunger stillten, so gut es der ietzige Zustand des Wirtshauses erlaubte, welcher freilich nicht der beste war, denn nach einer 3maligen totalen Plünderung von Feind u Freund war nur ein einziges Zimmer von 14 grossen ausgemalten, wieder mit Thür u Fenster versehen. Um 9 Uhr kam endlich unsre Kutsche mit einer angebundenen Achse an, u in ihr die beiden andern Damen, die vor Hunger u Kälte in einem noch übleren Zustande waren wie wir. Da das einzige Wohnzimmer keinen Platz für uns hatte, so liessen Düret u ich uns in einen von den andern Zimmern Heu tragen, u schliefen so gut wir nur konnten vor der zu den offnen Fenstern u der Thüre hereindringenden kalten Luft in unsre Mäntel gehüllt. Die Nacht war heiter, aber gegen Morgen kam wieder Regen, der fast den ganzen Tag, mit kurzen Zwischenräumen anhielt; u so ging es ieden Tag fort, einen einzigen heitern Tag in Siena abgerechnet. Wir übernachteten den zweiten Tag in Ronciglione wo unser Wagen eine neue Achse erhielt. Den 3ten Tag wollten wir bis San Lorenzo kommen, aber der Himmel machte einen Strich in unsre Rechnung, denn kaum sahen wir Monte Fiascone noch 4 Meilen vor uns entfernt, so brach unsre neue Achse wieder, u wir mussten Gott danken dass wir auch diesmal gut davon kamen, u ohne Verletzung unsre Fussreise antreten konnten. Diese ermüdete mich nicht wenig, weil mir das Loos zu theil wurde, die beiden alten Damen zu begleiten, die nicht gehen konnten, und deswegen erst gegen die Nacht in Monte Fiascone ankamen. Hier hatten wir mehr Zeit als uns lieb war und als es bedurfte um das Städchen zu besehen u dessen guten Wein zu versuchen, denn die Hälfte des folgenden Tages ging mit der Ausbesserung unsres Wagens hin, u wir kamen deswegen nicht weiter als bis San Lorenzo. Den 4ten Tag kamen wir endlich ins Toscanesische, nach Radicofani noch eben früh genug um die Bäche die auf der Gränze sind und die der unaufhörliche Regen der uns verfolgte mit iedem Augenblicke mehr anschwellen machte, passabel zu finden. Den 5ten Tag übernachteten wir in Buonconvento u waren den 6ten zu Mittag in Siena. Düret, an den ich einen recht guten Reisegesellschafter hatte, willigte in meinem Vorschlag hier zu bleiben, u den Wagen der noch 10 Meilen mehr bis nach einem kleinen Orte dessen Namen ich mich nicht mehr erinnern, machen wollte, durch einen Marsch bei der Mondhellen Nacht wieder einzuholen. Wir benutzten diesen halben Tag in Siena recht gut, um uns umzusehen. Wenn Sie nach Siena kommen, so versäumen Sie nicht, wenn Ihre Zeit eingeschränkt seyn sollte, den Dom daselbst wenigstens zu besehen, der es wegen seiner schönen Gothischen Bauart, u auch wegen der Frescomalereien in der Sacristei sehr verdient. Wir sahen ihn gerade des Abends wo die minderstarke Erleuchtung dem Innern desselben, (welches aus lauter Lagenweise abwechselnden u gelblichtweissem Marmor besteht, über welche sich auf grossen Pfeilen, eine himmelblaue mit goldnen Sternen besähte Decke wölbt), einen ganz eignen Character ihm gab. Nachdem wir unsre kurze Zeit so gut uns möglich war genutzt hatten, begaben wir uns mit Sonnenuntergang auf den Weg, u erreichten gegen 10 Uhr Abends, wohl durchgenässt vom Regen, der sich gegen Abend aufgezogen hatte, um uns auch diesen Tag unsrer Reise zu begleiten, unsre Gesellschaft wieder. Die zwei folgenden Tage unsrer Reise waren ohne weitre Unfälle, ausser dem Regen, u am 9ten Tage des Mittags erreichten wir endlich Florenz, nachdem wir noch zu guter letzt im Thore die Deichsel des Wagens gebrochen hatten. Ich fand hier in dem selben Hause wo ein Landsmann von uns, der Baron Brockenhuus wohnt, ein Zimmer, welches ich auf einen Monat miethete. Nicht wenig wurde ich überrascht wie ich unsre beiden Freunde Obelitz u Schumacher noch hier fand, die auf Briefe warteten die von Wien kommen sollte, u die Legationssecretair Nissen nicht abgesandt hatte, weil er nicht von ihrem Aufenthalte benachrichtigt war. Wir brachten noch 8 Tage vergnügt zusammen hier zu, nach denen sie über Bologna Mantua u.s.w. nach Frankfurth abgingen. Ich fürchte sie werden viel von Kälte ausgestanden haben, denn selbst hier in Florenz war es nicht wenig kalt selbst in der letzten Hälfte des vorigen Monats, u erst ietzt ist es schönes Frühlingswetter. So sehr ich mich anfangs in Florenz unzufrieden fühlte, zumal wie ich nach Abreise meiner Freunde hier allein war, so sehr zufrieden bin ich ietzt damit, sowohl in Rücksicht für meine Wissenschaft als im Uebrigen Betreff, u dies macht, dass auch ich leider schon länger in Florenz liege, als es eigentlich für meinen Reiseplan gut ist. Doch hoffe ich ietzt bald abzureisen, u zwar werde ich über Livorno Pisa, Lucca, Modena nach Pavia u Mailand gehen, wo ich wahrscheinlich einige Zeit zu bleiben gedenke, ehe ich wieder nach Teutschland gehe; von wo aus Sie wieder von mir hören werden. Wenn ich Gelegenheit habe in Livorno den Kamerherr Bille oder sonst einen von den Offiziren unsrer Fregatten im Mittelländischen Meere zu sprechen u von ihnen günstige Antwort auf Ihrem Wunsch Ihre Kunstsachen auf einer Fregatte nach Kopenhagen zu schicken erhalte, so schreibe ich es Ihnen von Livorno aus. Ich hatte hier in Florenz das Vergnügen einen halben Landsmann von uns einen Schweden den Capitain Løfvenschiøld kennen zu lernen, der in Paris einige Ihrer Freunde gekant hat. Ich habe mir die Freiheit genommen ihm Ihre Addresse aufzuschreiben um ihm Ihre Bekantschaft zu verschaffen. Er schien mir so viel ich aus einer Bekanntschaft von einigen Tagen urtheilen kann, ein sehr artiger Mann zu seyn. Grüssen Sie ihn von mir.- Eine traurige Nachricht höre ich hier, nämlich die, dass unsre Fregatte Hviid Ørn wahrscheinlich diesen Winter in einem Sturm der sie auf dem Wege nach Mallaga traf, untergegangen ist, indem man schon seit langer Zeit nichts von ihr weis. Es thut mir dies doppelt leid, weil die Offizire derselben, die ich in Livorno kennen lernte, so ausgezeichnet brave Leute waren. Von unserm Vaterlande habe ich nur durch die zweite Hand von Wien aus Nachricht, u weis nicht viel mehr als dass es dort sehr kalt gewesen ist; dass den 11ten März der Weg von Kopenhagen nach Schweden noch schwere Fuhren trug u.s.w. Sie selbst werden hoffentlich ietzt directe briefe haben. –Was ist wegen Ihrer Reise beschlossen? werden Sie bald Rom verlassen u werde ich noch das Vergnügen haben Sie auf meiner Reise irgendwo zu sehen? Auf iedem Fall wünsche ich bald von Ihren u meinen übrigen Freunden in Rom zu hören wie es ihnen geht. Ebenfals bitte ich Sie, den Massstab von Messing, den ich nicht mitnehmen konte weil er noch nicht fertig war, und den ich Sie an den Kaufman Donato Orsi zu schicken bath, ietzt nach Livorno (wohl in Papier eingewickelt,) mit der ersten Post unter meiner Addresse an den Kaufman Wulfen daselbst zu schicken, weil es ietzt zu spät ist, als dass ich noch hoffen kann ihn hier zu bekomen. Die alte Ursula bitte ich von mir zu grüssen. – Doch ich muss eilen meinen Brief zu schliessen, den eine Unpässlichkelt von einigen Tagen ohnehin schon verzögert hat. Leben Sie daher herzlich wohl bester Thorvaldsen, u vergessen Sie nicht
Ihren
beständigen Freund
P. Scheel.