München 22 Mai 1811
Bis hieher, mein lieber verehrungswürdiger Freund, bin ich ohne weitern Unfall gekommen, ausser einem lächerlichen Umfall des Wagens in dem Tyroler Städtchen Rattenberg, wo wegen des aufgerissenen Straßenpflasters, ein großes Loch nicht zu vermeiden war. Es ging alles ohne Schaden für mich und meine zwei Reisegefährten ab, so daß ich die ganze Reise mit Recht glücklich nennen kann. Das Unglück liegt nur darin, daß ich dem kalten Norden entgegen muß; freilich giebts da warme Herzen für mich! auch mein Herz schlägt ihnen warm entgegen; aber das Herz ist es nicht allein, daß der Wärme bedarf! Doch, ohne ein Wort weiter zu verlieren lassen Sie mich von einer Sache zu Ihnen reden die mir gleichfalls sehr am Herzen liegt. Sie erinnern sich wohl noch, daß ich in Rom Ihnen einmal von einem Denkmale sprach, welches Tiek für eine verstorbene Nichte arbeiten sollte und wie sehr ich wünschte, daß diese Arbeit Ihnen möchte aufgetragen seyn. Die unverantwortliche Saumseligkeit u Nachlässigkeit des Tiek, ist Schuld, daß ausser einer entworfnen Zeichnung noch durchaus nichts von dem Denkmale zu Stande gebracht ist und Sie können, trotz Ihrer liebenswürdigen Bescheidenkeit denken, welche Freude es meinem trefflichen Schwager Schelling – dem bekannten Philosophen, der hier zugleich Direktor der Akademie der Künste ist – verursachte, als ich ihm Hoffnung machen zu können glaubte, das Sie vielleicht den wichtigsten Theil der Arbeit auf unsre gemeinsame Bitte zu übernehmen geneigen würden. Die Schwierigkeit liegt nur in unsern geringen Mitteln und dabei nehmen wir einmal auf Ihre edle Humanität überhaupt, und fürs andre schmeichle ich mich, daß Sie auch aus Freundschaft gegen mich die Foderung nicht nach dem Verdienst Ihrer Arbeit (die ja doch mit klingender Münze allein nie zu bezahlen ist) sondern nach der Beschränktkeit der Mittel einrichten werden, um so mehr darf ich hiebei Ihr gefühlvolles Herz in Anspruch nehmen, da der Gegenstand Sie selbst schon zu hoher Theilnahme auffodern wird und da Sie sich versichert halten können, daß Ihre Arbeit für Leute unternommen wird, die den Werth derselben zu würdigen und zu erkennen wissen und welchen Sie auch bei der Möglichkeit einer bedeutenden pekuniären Belohnung, dennoch ausser dieser die größeste Verpflichtung auferlegen würden. Erlauben Sie mir jetzt daß ich Ihnen den Gegenstand des Monuments näher bezeichnen. Auguste Böhmer, meiner Frauen Schwester Tochter ein äusserst liebenswürdiges, zartweibliches zur Freude der Mutter und aller Freunde aufblühendes, in der lieblichsten Entwickelung begriffenes Mädchen, begleitete die kränklende Mutter nach dem Badeorte Bocklet in Franken, und pflegte sie dort eine Zeitlang treu und zärtlich. Mitten unser dieser schönen Erfüllung süßer Pflicht wurde sie von der schrecklichen Ruhrkrankheit überfallen und überwältigt; sie starb aller angewandten Mittel und Pflege ungeachtet schnell dahin und bedurfte von der jammernden Mutter selbst, was sie ihr zu leisten gekommen war. Die Mutter raffte, sonderbar und traurig genug, einige Jahre nachher (verwicknen Sommer) dieselbe schreckliche Krankheit dahin. Die Mutter hat 600 Rthlr zu einem Denkmale für die verlorene Tochter bestimmt und leider nicht einmal ihren Wunsch erfüllt gesehn, und auf diese Art noch das Andenken der Theuren zu ehren.
Wie sehr es nun den von Mutter und Tochter hinterlassenen Verwandten daran liege, das Monument auf eine möglichst würdige Art errichtet zu sehen, können Sie, theurester Freund! leicht sich vorstellen. Gewiß auch ihre Theilnahme macht ein so trauriges Ereigniß rege, und wie weit mehr würde dieß der Fall seyn, hätten Sie die beiden Wesen gekannt.
Die Idee war, eine Pyramide oder einen Obelisk zu errichten, der an einer Seite in einer Niche das Brustbild der Verstorbenen, und an zwei Seiten allgorische Basreliefs enthielte. Ausarbeitung, Transport und Errichtung des Obeliskes würde etwa 200 Thlr. kosten und sollte in Würzburg gearbeitet und besorgt werden; dann blieben 400 Thlr. für die Büste, (die Ihnen in Gyps geformt zugesandt werden würde) und die beiden Basreliefs übrig; vielleicht würde die Summa wegen einigen Interessen auf 500 Thlr. gesteigert werden können. Das wäre das Höchste, was wir Ihnen anbieten könnten, und es kommt darauf an, ob diese Kleinigkeit der Mühe lohnen würde, um Sie in Thätigkeit zu setzen.
Ich überlasse meinem Schwager Schelling, Ihnen von den schon über die Hauptidee der Basreliefs gepflogenen Unterhandlungen Nachricht zu geben und schliesse mit der herzlichen Bitte um die Fortdauer Ihrer Freundschaft und um die Uebernehmung eines Denkmals, das uns so lieb seyn würde von Ihrer Hand ausgeführt zu sehen. Grüßen Sie alle Landsleute und übrige Freunde, Schick und die Schadows vor allen andern. Ihr herzlich
ergebener | C.R.W. Wiedemann |
Ohne Wiedemanns Dazwischenkunft würde ich es wohl nie unternommen haben, so sehr ich immer den Wunsch hegte, Sie wegen des Basreliefs zu dem Monument anzugehen. – Wenn unsre heißesten Wünsche, geliebte Abgeschiedene zurück zu rufen unvermögend sind, so ist die Kunst das einzige Verewigungsmittel, wenn ein Meister Ihrer Größe das Andenken erhält. Doch von unsern Empfindungen hiebey nichts! – Sie gehören der Welt an, Ihre Beziehung zu dieser muß die erste Rücksicht seyn, die Sie leitet.
Die Idee, die wir ausgeführt wünschten, wird Ihnen die beyliegende Kopie ohngefähr zeigen.
Auf die Tafel unter der Büste sollte die Inschrift kommen; die Idee des Hauptbasreliefs war, die Mutter am Altar des Aeskulaps mit einer Schale triebend, welche ihr die Tochter reicht, inzwischen diese von einer Schlange in die Fersen verwundet wird; die andere schmälere Seite der Säule sollte ein analoges Basrelief von dem, das Sie in der Zeichnung sehen erhalten. Es versteht sich, daß keine dieser Ideen ein Norm für Sie seyn könnte. Besseres können wir nichts wünschen, als daß die Erfindung des Ganzen und des Einzelnen aus Ihrem Gemüth und Geiste komme. Wollten Sie das Ganze in wahren christlichem Sinne nehmen, so wäre uns auch dieß erwünscht, ja im manchem Betracht vielleicht tröstlicher.
Wiedemann der seine Reise nach dem Norden inzwischen fortgesetzt hat, schreibt mir im letzten Brief: “Ich bin begierig, ob Th. unsre Wünsche erfüllt; ich habe sein Bild darüber gefragt, es hat mir mit Ja geantwortet.”
Ich ersuche Sie, würdiger Mann, Ihre schriftliche Antwort auf W’s Brief hieher an mich zu adreßiren; jä früher wir Gewißheit erhalten können, desto lieber.
Wie auch Ihre Antwort ausfallen mögen, ich freue mich der Veranlaßung, die ich gehabt, Ihnen meine große längstgefühlte Hochachtung bezeugen zu können.
München d. 7. Jun. 1811. | Schelling |