Brief aus Kopenhagen
über ein Basrelief vom Ritter Albert Thorwaldsen, bestimmt über dem Taufstein der Metropolitan-Kirche von Seeland eingelassen zu werden. Höhe etwa 3 ½ Fuß, Breite 6 ½.
Mittlere und Hauptgruppe, der Täufer; Er steht auf dem Uferrande des Flusses, hält den Agnus-Dei-Stab mit dem Kreuze im linken Arm, die Schaale, noch nicht ausgegöffen, in der Rechten, feierlich über dem Haupte des Heilandes, als spräche er hohe geheimnißvolle Worte. Die hohe, schlanke, und doch kraftvollwürdige Gestalt; das rauhe, nicht weite, und meisterhaft umgegoßne Gewand; alles spricht den strengen Einsiedler der Wüste aus; das Haar ist nicht kraus, mit nachlässiger Anmuth ausgearbeitet; Haupt und Antlitz von der grandiosesten Schönheit; heiliger Ernst, Größe und tiefe Demuth vor dem größeren Täufling, sprechen sich mit tiefem Gefühl der Würde des eigenen Amtes vereint darin aus! Dieser Johann Baptist ist einzig; der unsterbliche Künstler hat denselben geschaffen, wie Phidias seinen Jupiter, die Norm ist festgestellt, es kann nimmermehr von derselben abgewichen werden, ohne Abirrung.
Der Erlöser, vom andern Ufer des Flusses hergekommen, steht schon mit dem linken Fuße in demselben, mit dem rechten noch auf dem nur etwas erhöhten Ufer; dieser Fuß ist bis auf die Zehen erhoben, weil der Heiland sich, das Taufwasser zu empfangen, sanft vornüberbeugt mit zusammengelegten Händen. Sanftes, weich abgescheiteltes, unten in Locken fallendes Haar; süße holde Züge; heiliger wehmuthsvoller Ausdruck: “Siehe das Lamm welches der Welt Sünde trägt!” Die Theile des Körpers, welche das durchaus anspruchlose auf halbem Leid gegürtete Gewand sichtbar läßt, sind sanft und mit fließenden Umrissen, das Haar so sichtlich blond, wie das des Johannes schwarz; beyde Gestalten die auf das erhabenste kontrastirende, und dann in einen hohen Einklang zusammenschmelzende Gruppe, welche je hervorgebracht wurde.
Zweyte Gruppe zur Linken des Beschauers hinter dem Täufer: Zwey schwebende Engeljünglinge; die großen ausgebreiteten Flügel des näheren ganz sichtbar; der eine Arm hinten um den Nacken herum auf die Schulter des andern gelegt; der andere Arm queer über die eigne Brust auf die innere Schulter des Gefährten, die Stellung so leicht, so traulich, so sicher! Dieser streckt den linken Arm gegen die in der heiligen Handlung begriffnen — und als wollt’ er sanft ausrufen: “Dieß ist der Eingeborne Sohn!” u. s. w. Sie find eilenden Fluges hervorgeschwebt; die bewegten sanft zurück geblähten Gewänder bezeugen es, auch das sanft von den ewige Seligkeit strahlenden Stirnen zurückgewehte Haar bezeugt es. Wie hold sind diese nachlassig voll Anmuth wallenden Locken. Der eine, der innere, hat in Blick, Ausdruck, Umrissen etwas so weiblich Naives, daß ich Thorwaldsen sagte, er habe da einen weiblichen Engel gedacht. Der andere ist kräftiger dunkler (denn unter des großen Künstlers Händen erhält der Thon Färbung) gehalten; die Engel sind tief an die Erde herab geschwebt. Vor ihnen stehen zwey holdseelige Engelknaben, die[n]ende Geister, eben aus der ersten Kindheit heraus, noch mit der Fülle der weichen Umrisse derselben. Man sieht die Taubenflüglein des näheren, Beyde halten mit süßer Innigkeit das Obergewand, das der Erlöser abgelegt, ehe denn er in die Fluthen trat; (Johannes nahm es ihm wohl ehrfurchtsvoll ab; die holden Genien ihm.) Mit welchem Ausdrucke zärtlicher, kindlicher Ehrfurcht halten sie das weite reichgefaltere Gewand a[n] die kleine Brust mit den runden Aermchen gedrückt! Der äußere ist ähnlich jenem feuervollen Cherub in Raphaels Madonna v. St. Sirt.
Große Gruppe zur Rechten des Beschauers hinter dem Erlöser. Zu äußerst als Schlußpfeiler des Ganzen, ein majestätischer Greis, in ein grandioses Gewand gehüllt; er schaut ernst, still auf die heilige Handlung; Friede der Gewißheit strahlt von seiner hohen Scheitel: nahe vor ihm hält ein schönes junges Weib ein süßes kleines Kind auf dem rechten Arme; der Vater will ihr das Kindlein vom Arme nehmen, um es gleich des Segens der Taufe theilhaftig zu machen — während die Mutter mit dem linken ausgestreckten Arme einen herrlichen von göttlicher Begeisterung ergriffenen K[n]aben (ihren Erstgebornen) mit demuthsvoller Scheu zurückhält — “nur zu warten bis die große Taufe vollbracht sey!” Auch den jungen Mann, den Vater beyder Kinder, hält der Kampf zwischen frommem Verlangen, in anbetender Ehrfurcht zurück. Sein edles, kühnes, nach dem Erlöser über die Schulter zurück gewendetes Antlitz, das von der feurigen Bewegung, womit er den geliebten Säugling ergriff, noch zurückflatternde Obergewand, bezeugen den inneren Kampf. Welche Gruppe! Welche anstaunungswürdige Fülle der Gedanken und Empfindungen strömt von derselben aus! — Alle Lebensstufen, von der Wiege bis aus Grab, in einem heiligen Einklang vereint! Und durch das Ganze die Repräsentanten des zu erlösenden Menschengeschlechtes, Himmel und Erde, um den vereinigt, welcher die Himmel auf die Erde herabsenkte!
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Die Büsten der Königlichen Familie hat der große Künstler auch mit der charakteristischen Wahrheit modellirt, welche ihm eigen ist. Die liebenswürdige holde Königin, unsere geliebte Landesmutter Maria, scheint einem mit dem feinen beseelten Lächeln entgegen zu treten, welches, ein leiser Abglanz des Innern, die sanften Züge leicht überstrahlt. Das Bild des Königes ist mit tiefem inhaltsvollem Ernste behandelt, und unaussprechlich ähnlich. Je länger man es anschaut, je lebendiger stellt sich der innere Charakter aus demselben dar. Eine gemüthsvolle Seele, die offenste Redlichkeit, und eine ansprechende Gutmüthigkeit, mit vielem Nachdenken, und ach! tiefen Kummerspuren verbunden, sind unverkennbar; es ist das Antlitz eines Mannes, zu dem man gleich Vertrauen hat: es ist das Antlitz unseres theuren Königs, welcher unveränderlich derselbe von der ersten Jugend an, die Freyheit des Bauernstandes begründete, die Neger (Er der erste unter den Europäischen Monarchen) auf seinen Inseln ins Menschenleben rief, eine verständig eingeschränkte (nur der Frechheit wird gewehrt) Preßfreyheit gab und erhielt; der wahrhaft Liberale auf dem Throne, unser König Friedrich VI.
Fr. Brun geb. Münter.
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