Römische Briefe
von
einem Florentiner.
1837 — 1838.
Erster Theil.
Leipzig:
F. A. Brockhaus.
1 8 4 0.
(...)
Eilfter Brief.
Man sieht in Rom viele alte Gemälde, bei Thorwaldsen aber die einzige Sammlung neuerer, welche irgendwie in Betracht kommen kann. In zwiefacher Hinsicht ist dieselbe gerade hier wichtig. Einmal, weil es überhaupt an Werken der neueren Kunst des Auslandes fehlt, wenn ich die teutschen Fresken der Villa Massimi und der vormaligen Bartholdischen Wohnung ausnehme; sodann, weil man in dieser mit so viel Takt als Geschick angelegten Sammlung den Fortgang dieser Kunst während der letzten 40 Jahre ziemlich vollständig verfolgen kann. Anderwärts wäre es schwer, vielleicht unmöglich gewesen, eine solche Galerie zusammenzustellen. Rom, der Mittelpunkt, in welchem die von allen Seiten hervorbrechenden Strahlen der modernen Kunst sich wenigstens zeitlich concentriren, ist der einzige Ort, wo dies zu erreichen war, und Thorwaldsen’s hohe Stellung als Künstler machte es ihm möglich, für seine Sammlung auch Werke von Meistern zu erhalten, die man sonst nicht leicht in den Salons von Privatleuten antrifft, während sein langer Aufenthalt in Rom ihn der Reihe nach mit Allen in Berührung brachte, die längere oder kürzere Zeit in seiner Nähe verweilten.
Ich beginne mit der Geschichtsmalerei. Hier ist es, wo mir vorerst die großartigen Compositionen des Schleswigers Asmus Jacob Carstens (geb. 1754, gest. 1798) entgegentreten: keine Oelgemälde, sondern Zeichnungen, zum Theil Originale, zum Theil Copien von Koch und Thorwaldsen selbst. Einer Zeit angehörend, wo die Kunst einer großen Revolution entgegenging, wo die Einen den unerfreulichsten und erkältendsten Eklekticismus aufrecht zu halten strebten, die Andern die Antike hervorsuchten, aber, statt in ihr Wesen einzudringen, die bloße Aeußerlichkeit aufnahmen und Modellacte mit Helm und Toga malten: suchte Carstens sich einen eignen Weg zu bahnen. Das Ziel, nach welchem er strebte, blieb unerreicht — der Ungunst der Verhältnisse, seines nicht langen Lebens, des Mangels an gründlicher Jugendbildung, sowie einer gewissen Einseitigkeit wegen, wozu seine Abneigung gegen Alles, was Schule heißt, ihn verleitete. Aber der Geist des Alterthums ist lebendig in seinen Werken. Zu den vorzüglichsten unter denselben rechne ich sein Gastmal der Filosofen: ich habe immer eine griechische Composition zu erblicken geglaubt, wenn ich es vor mir sah. Es ist darin ein Abstreifen der Aeußerlichkeit, ein Vergeistigen des Gegenstandes, ein Verneinen des Ich des Machenden, wie es nur selten vorkommt. Die Carstens‘schen Zeichnungen (von denen ich mehre und sehr interessante in Weimar in der großherzoglichen Sammlung gesehen habe) sind bisweilen unscheinbar: er hat seine Figuren oft nur einfach mit der Feder umrissen und alles Beiwerk verschmäht; aber in Allem findet sich die tiefste Einsicht und die vollkommenste Auffassung des Charakters, auch da, wo wir die Vollendung der Form oft mehr ahnen, als wirklich vor uns sehen. Seine Fantasie war reich und thätig, aber nicht ausschweifend: davor bewahrte ihn auch sein ausgebildeter Schönheitssinn. In einer seiner Compositionen: der Gigantensturm, ist die Einwirkung des Buonaroti sichtbar, aber Keiner wird ihm eine ärmliche Nachahmung irgend eines Meisters vorwerfen. Bisweilen sind seine Stellungen gewagt, seine Zeichnung unrichtig: aber er entschädigt dafür reichlich durch seine einsichtsvolle und immer angemessene wie natürliche Gruppirung. Sein Perseus, nach der Befreiung der Andromeda von den Aethiopiern umringt, ist mehr originell als eigentlich schön, und vielleicht etwas zu grell in der Auffassung. Auch Charon erinnert an Michel Angelo. Die Nacht, der Ursprung des Lichts, Jason, Oedipus und Theseus zeugen von seiner Fruchtbarkeit und von der Vollkommenheit, womit er sich das Alterthum angeeignet. Francesca und Paul, Dante’n und seinem Führer erscheinend, eine große, reiche Scene, voll der schönsten Motive, wobei die Schwierigkeit im Schweben und der Bekleidung der Hauptpersonen indeß nicht ganz überwunden ist. Das goldene Zeitalter ist von Catel in Oel ausgeführt; die Landschaft überwiegt vielleicht etwas zu sehr, wenn der Charakter eines historischen Gemäldes festgehalten werden soll.
Von Josef Anton Koch werde ich später mehr zu reden Gelegenheit haben, wo von der Landschaft die Rede sein wird. Eine einzige historische Composition ist von ihm vorhanden: Der Tod Guido’s von Montefeltro *). Es ist die Scene, welche im XXVII. Gesange der Hölle beschrieben ist. Der tapfere Graf, von dem die toscanischen Chroniken des 14. und 15. Jahrhunderts so viel reden, dessen Werke “non furon leonine ma di volpe”, starb im Geruch großer Frömmigkeit als Franziskanermönch zu Assisi, aber Dante läßt, meineidigen Rathes wegen, seine Seele vom Teufel holen. — Es ist eine sehr schöne Composition. Unter einem gothischen Gewölbe liegt er auf einer Strohmatte, neben ihm Geißel, Buch und Schädel, seine Linke auf einem Blatt mit den vom Papst Bonifaz zu ihm gesprochenen Worten:
“ — tuo cuor non sospetti;
Finor t’assolvo, e tu m’insegna fare
Si come Prenestrino in terra getti.
Lo ciel poss’io serrare e disserrare — ” **)
Zu seinen Häupten schwebt Sanct Franciscus, aber “ein schwarzer Cherub” beugt sich über den Todten und ergreift ihn bei dem Strick, der dessen Lenden umgürtet. Im Hintergrunde zieht durch den Kreuzgang eine Procession herein, vorn ein Diaconus mit dem Kreuz, zu beiden Seiten Knaben mit brennenden Kerzen, hinter denselben in doppelter Reihe betende und singende Mönche. Drei Engel schweben in der Luft; ein Teufel hält ihnen den Grund von Guido’s Verdammung vor:
“Ch’assolver non si può chi non pente,
Nè pentere e volere insieme puossi,
Per la contraddizion che nol consente.” *)
Die moderne religiöse teutsche Schule ist in der Thorwaldsen’schen Galerie weniger gut repräsentirt. Weder die Grablegung von Cornelius, noch Overbeck’s Madonna mit dem Kinde, noch endlich W. Schadow’s Kreuztragung scheinen mir auf einen sehr bedeutenden Werth Anspruch machen zu können. Von ihnen gibt es bei weitem wichtigere Werke unter den Fresken des Bartholdischen Hauses auf dem Pincio (Bilder aus der Geschichte Josefs, des Sohnes Jacob’s); von Overbeck namentlich noch die schönen Darstellungen aus dem “Befreiten Jerusalem” in der Villa Massimi beim Lateran. Unter den gegenwärtig in Rom lebenden fremden Malern ist Overbeck gewiß der ausgezeichnetste: ich möchte ihn überhaupt für einen der größten Künstler der neuern Zeit halten, ohne darum seine Werke für vollendet zu erklären. Ich weiß nicht, ob es ein gewisser Mangel an Formensinn ist, oder ob ich es in einer Beengung der Schule suchen soll, daß er bei so großer Zartheit der Conception und so ausgesprochener geistiger Hoheit und Schönheit nicht einen Schritt weiter gegangen ist. So wie jetzt seine ganze künstlerische Richtung in sich vollendet und abgeschlossen dasteht, fromm, rein und keusch, in der Auffassung bedeutend, die Idee lebendig aussprechend: erscheint sie mir höchst liebenswürdig, aber immer dünkt mich etwas zu fehlen. Und dies ist gerade die Durchbildung der Form, die ich vermisse. Vielleicht wirft man mir ein, daß dies mich denn auch bei unsern Quattrocentisten stören müsse. Es ist aber nicht dieselbe Sache: ich möchte auch das, was mir Overbeck abzugehen scheint, nicht im entferntesten mit der Befangenheit jener Alten in der Darstellung des menschlichen Körpers vergleichen. Die Zeichnungen Overbeck’s sind mir bei weitem lieber als seine Bilder, zum Theil, weil das eben Bemerkte in ihnen weniger sichtbar ist, zum Theil auch, weil seine Farbe meinem Auge etwas monoton und kraftlos vorkommt. In seinen Compositionen aber ist ein überreicher Schatz enthalten, namentlich in denen biblischer Gegenstände. Ich nenne vorerst seinen poetischen Elias, der auf dem Flammenwagen durch die Lüfte fahrt, den Einzug des Herrn in Jerusalem (das in Lübeck befindliche Gemälde ist mir unbekannt), Christus segnet die Kinder, mit seiner schlichten Frömmigkeit und den anmuthvollen Bildungen der den Heiland umgebenden Kleinen, die schönen alten Köpfe in der Predigt Johannis, die einfache aber höchst vollendete Gruppe der Ruhe auf der Flucht. Das große Bild, an welchem Overbeck gegenwärtig arbeitet: die christliche Kunst in ihrem Zusammenhange mit der Religion, dürfte leicht sein bedeutendstes werden. Ich darf seine Indulgenz des h. Franciscus nicht übergehen, welche er auf Veranlassung des nun verstorbenen Cardinals Galleffi in der Kirche der Angeli bei Assisi auf der Vorderwand der kleinen Kapelle der Portiuncula al fresco malte. Alle schönen Eigenschaften und die ideelle Reinheit seines Styls finden sich in diesem vortrefflichen Werke wieder, das an die interessanteste Epoche in der Entwickelung der Kunst des Landes Umbrien erinnert, in welchem es eines der bedeutsamsten Monumente schmückt.
Ich muß zu der Thorwaldsen’schen Sammlung zurückkehren. Der Reichthum derselben besteht minder in historischen Bildern als in andern Fächern. Von Riepenhausen finden wir zwei kleine Bilder, zu seinem Cyclus aus dem Leben Rafael’s gehörend: Bramante, wie er den jungen Künstler dem Papst Julius vorstellt, und Rafael, die Gestalt der Madonna di S. Sisto im Traume sehend. Es ist in beiden etwas Conventionelles, welches mit dem Mangel an Handlung zusammenkommend schadet. Von Blunk, einem Dänen, Noah’s Familie, in dem Augenblicke, wo die ausgesandte Taube das Oelblatt zurückbringt, nicht ohne Talent für Gruppirung; von Hopfgarten aus Berlin: der h. Elisabeth Rosen, ein hübsches Bildchen, aber etwas kokett und geziert für Zeit und Gegenstand. Correggio’s Tod, von A. Küchler, stellt die Schlußscene des Oehlenschläger’schen Dramas dar. Des Sängers Fluch, von Foltz aus Bingen, ist nur Skizze, aber reich und gut gedacht. In den Compositionen dieses jungen Künstlers ist Poesie und viel von dem, was den Geist der nordländischen Romantik charakterisirt. Seine harrende Königstochter (nach dem Schiller’schen Gedicht: der Taucher) ist schön aufgefaßt, wenn auch die Ausführung nicht ganz befriedigt. — Von einem einzigen Landsmanne finde ich eine historische Composition: des Täufers Predigt in der Wüste, von Sanguinetti in Perugia. Die Anordnung ist vielleicht etwas zu basreliefartig. Dieser Maler ist unter den neuern Italienern einer derjenigen, in denen die Rückkehr zu dem einfachen, reinen Styl und das Verständniß Rafael’s sichtbar ist. Unter seinen Studien habe ich namentlich manche verdienstvolle allegorische Figuren gesehen, nach der Weise jener in den Stanzen gewissermaßen als Standbilder behandelt. Leider ist an seinen Oelbildern die Farbe unnatürlich und unangenehm.
Nur im Vorbeigehen sei von den Bildnissen die Rede. Das vortrefflichste und interessanteste derselben ist Thorwaldsen’s eignes Portrait, von Horaz Vernet. Er ist dargestellt in dem Augenblicke, wo er Vernet’s Buste in Thon modellirt. Er trägt eine weiße Blouse, sein linker Arm ruht auf dem hölzernen Gerüste, auf welchem das beinahe vollendete Brustbild des gefeierten französischen Malers steht. Ruhig blickt sein klares Auge hin; aus den Zügen spricht freundlicher Ernst und schaffendes Nachdenken. Noch sind Bildnisse. Thorwaldsen’s von Begas und Magnus vorhanden. Der Kopf eines armenischen Priesters, von Vernet, mit seinen regelmäßigen, länglichen Linien und seinem melancholischsinnenden Ausdrucke, ist höchst charaktervoll und eine unvergleichliche Studie zu einem historischen Bilde. Die schöne Sabinerin Fortunata ist von Richter glücklich portraitirt. Das Bildniß Consalvi’s ist eine Copie nach Lawrence von Agricola. Und König Ludwig von Baiern, von Gegenbauer, hat in diesem Kunsttempel eine würdige Stelle gefunden.
Das Genre ist hier wie in allen Sammlungen neuerer Gemälde vorherrschend — ich weiß nicht, ob es so sehr die unbewußte Richtung unserer Kunst als der sogenannte Geschmack des Publicums ist, oder ob beide wirklich Hand in Hand gehen. Von dem größten Genremaler unserer Zeit, Leopold Robert, ist ein kleineres Bild vorhanden: ein junger Grieche, der seinen Dolch wetzt, mit all der lebenvollen, individuellen Charakteristik dieses unvergleichlichen Künstlers. Robert’s Bilder sind historische Gemälde, auch wenn sie nur persönliche Momente aus dem heutigen Volksleben darstellen. Sie sind abwechselnd Idyllen, Elegien, Epopöen, welche die Zustände und Schicksale einer Classe, einer Nation, eines Landes aussprechen und vergegenwärtigen. Wir finden hier von ihm ein anderes Gemälde, von dem ich in Wahrheit nicht weiß, wie ich es rubriciren soll: es ist die Paulskirche nach dem Brande. Ich werde ein andermal auf dies poesiereiche Werk zurückkommen, wenn ich Sie nach der Stätte führe, wo die Riesensäulen des Tempels sich unter freiem Himmel erheben. Derjenige unter den übrigen Malern, der sich in einigen seiner Werke am meisten Robert’s Auffassungsweise nähert, wenn es auch vielleicht mehr im Aeußerlichen liegt, ist Riedel. Seine Fischerfamilie am Meeresstrande ist ein vortreffliches Bild, ganz südländisch im Charakter, sprechend das Auge der reizenden jungen Frau mit der lebenvollen Fysiognomie und bräunlichen Gesichtsfarbe, die Gruppe sehr harmonisch in ihrer Vereinung; dabei die Ausführung frei und kräftig. Die Gestalt einer Badenden, abgewandt an einer Quelle sitzend, von Gebüsch umgeben, ist von einem andern Charakter, aber nicht minder vorzüglich. Die Carnation verdient das höchste Lob. Eigentlich ist diese Figur einem größern, sehr schönen Gemälde, badende Mädchen darstellend, entlehnt. Von Severn, dem talentvollsten unter den hier lebenden englischen Malern, finden wir zwei Bilder: eine Bäuerin mit einem schlafenden Kinde (albaner Costum) und ein Mädchen mit einem jungen Burschen bei der Weinlese am Albanersee. Das letztere ist mir das liebste: es macht auch nur einen Theil einer höchst anmuthigen größern Composition aus, welche ich bei dem Künstler gesehen. Severn hat, wie viele Engländer, einen höchst ausgebildeten Sinn für die Farbe: daher die Hinneigung zur venetianischen Schule und das vorzugsweise Studium derselben, oft mit Vernachlässigung der Zeichnung. Die Farbe ist meist wahr und schön, die Ausführung bisweilen etwas zu skizzirt. Köpfe und Stellungen sind nicht immer frei von Affectation. Kürzlich vollendete Severn ein historisches Gemälde: die Ankunft der Kreuzfahrer vor Jerusalem, mit den Helden, welche in Tasso’s Gedichte auftreten. Einzelne Gruppen und Figuren darin sind sehr gelungen, aber es fehlt an Einheit der Composition; besonders gut ist das Landschaftliche behandelt. Letzteres ist auch der Fall in einer Ansicht der Wasserleitungen in der Campagna, worin der Charakter dieser Gegend treu wiedergegeben ist; ein alter Hirt und ein Knabe, nebst zwei Pifferari sind eine passende Staffage. Auch sonst ist manches Anziehende unter den Compositionen dieses Künstlers. Am wenigsten gelungen scheint mir ein großes, der Apokalypse entlehntes Altarbild, welches für die Paulskirche bestimmt ist.
Nun gelangen wir an eine ganze Reihe römischer Scenen. Den Vorrang vor allen räume ich billig Krafft’s Römischem Carneval ein. Vielleicht haben Sie das hübsche Blättchen gesehen, welches er selbst darnach radirte. Die Hauptgruppe besteht aus einem wahrhaft classischen Kleeblatt von Tagedieben, welche, jeder nach seiner Neigung, sich in neue Costume geworfen haben, so wie man sie an der Ripetta oder beim Marcellus˗theater finden mag. Der Eine hat eine Art Hofkleid angezogen, ist in Escarpins und mit einem stattlichen Wanste versehen; die Fiedel, worauf er spielt, ein Stock, an welchem ein Faden über eine Blase gespannt ist, steht vielleicht einer Amati nach, aber seiner wichtigen Miene, feinen Posaunenengelwangen und seinem großartig zurück-geworfenen Haupte nach zu urtheilen, ist er wenigstens ein Paganini oder Ole Bull. Vor ihm tanzen seine beiden Genossen: der Judenfysiognomie des Einen, der statt Quasten und Schnallen Orangen angeheftet hat, wie der Spielmann Selleriebündel, würde ich nicht einen Bajocco anvertrauen; der Andere ist in ein reizendes Mädchen umgewandelt und scheint besonders eitel auf seine belle jambe, hat aber auf seinen Backenbart nicht renoncirt und sich augenblicklich der Qual des Schnürleibes nicht unterwerfen wollen. Ich will nicht darüber streiten, ob dies anmuthreiche Paar einen Nationaltanz; oder pas de ballet zum Besten gibt: so viel aber scheint mir ausgemacht, daß es etwas Anderes ist als der Saltarello, den wir von Lindau dargestellt sehen. Wir finden uns in einer Osterie mit Aussicht auf die Campagna: im Hintergrund wird gekocht, Speisen werden aufgetragen, Gäste sitzen am Tische; auf der andern Seite steht ein Mandolinspieler, neben ihm schlägt ein freundliches Mädchen das Tamburin und eine junge Frau sitzt, ein Bein über das andere geschlagen, und gibt dem Kinde die Brust. In der Mitte die Hauptpersonen, ein junger Bursche und ein schlankgewachsenes Landmädchen, mit lebhafter Geberde sich der Freude des aufregenden Nationaltanzes hingebend. Lindau’s Bilder, meist Scenen aus dem eigentlichen Volksleben, ohne höhere Ansprüche, sind äußerst heiter und gefällig, und ebenso natürlich und wahr. Ein höchst ansprechendes Gemälde von diesem Künstler sah ich vor Kurzem. Die Scene bildet den Strand bei Neapel. Eine Segelbarke ist aufs Trockne gezogen; auf ihr sitzt vorn ein jugendlicher, blonder Kerl, mit blitzendem Auge und lebhafter Geberde, eine Stanza recitirend oder eine Historie improvisirend, während sein Gefährte, eine braune Seemannskutte über den Kopf gezogen, halbgebückt, ihn auf der Mandoline begleitet. Ein Dritter, ein junger Bursche, mit nichts Anderm bekleidet als leinenen inexpressibles, ein Amulet um den Hals, steht an die Barke gelehnt, einen Pfeifenstummel im Munde. Eine ganze weibliche Gesellschaft hört der Improvisation zu. Zwei sehr hübsche Mädchen — sie sind nur zu hübsch und weiß für Neapolitanerinnen — stehen ganz vorn: sie haben einander umschlungen und halten in der Hand das Tamburin, wahrscheinlich ruhend vom Tanze. Sie scheinen die Hauptpersonen zu sein, zu denen der Vortragende sich wendet. Ein junges Weib sitzt mit einem säugenden Kinde dicht vor der Barke, eine andere ist mit dem Rocken beschäftigt. Eine Frau, auch noch mit jugendlichen Zügen, hält einen kleinen Knaben, der mit einem Burattino spielt; eine zweite neben ihr hat den einen Fuß auf einen Block gestellt und hört aufmerksam zu, indem sie das Kinn auf die Hand stützt. Eine dritte trägt einen Wasserkrug auf dem Haupte. Vor ihr sitzt ein etwas älterer Mann, Fischer oder Lazzarone, übrigens in dem höchst einfachen Costume, welches oben beschrieben worden, braun gebrannt von der Sonne, auf dem Boden; vor ihm wälzt sich, ein echtes Muster des dolce far niente und mit sichtbarer Lust an seinem Beginnen, im Sand ein Knabe, eine Orange haltend, deren er schon einige verzehrt zu haben scheint. Im Hintergründe sieht man das Meer und Wohnungen am Strande; seitwärts eine Osterie, aus welcher man eine Schüssel mit dampfenden Maccaroni und Anderes herbeiträgt. — Ein anderes Bild von Lindau, welches man bei Thorwaldsen sieht, ist eine Comitiva von Landleuten, zu Fuß und auf Somari den Monte Mario herabsteigend, von wo man Rom so schön im Profil erblickt. Vorzüglich beliebt ist bei diesen Genremalern (neben Riedel und Lindau nenne ich noch Pollack, einen Oesterreicher) das Costum der Albanerinnen. Namentlich ist ihr Sonntagsputz so reich wie pittoresk: die Schönheit der Formen weder verbergend noch verderbend. Nicht immer aber dünken diese Bilder mich frei von jener Geziertheit und Koketterie, die am wenigsten im Charakter römischer Landmädchen liegt. Dies Volk ist zu einfach und natürlich. Mehr dürfte eine solche naive Koketterie meinen hübschen Landsmänninnen aus den Umgebungen der Hauptstadt eigen sein, deren Augen unter dem großen Strohhut oft ein loses Spiel treiben.
Von H. Meyer sind die beiden Bilder, die einen auf der Straße etablirten Scrivano pubblico darstellen. Auf dem ersten Bilde läßt er sich von einem jungen Mädchen erklären, was sie ihrem Liebsten zu melden hat: es scheint der erste Liebesbrief zu sein, den sie dem Glücklichen sendet, denn sie steht beschämt und verlegen da und will nicht recht mit der Sprache heraus, wahrend ihr Geheimschreiber, das Papier zurecht gelegt, die Feder gespitzt, mit einer Ruhe wartet, welche beweist, daß er an dergleichen längst gewöhnt ist. Auf dem zweiten Gemälde wird die Antwort vorgelesen, und wahrlich, man steht’s der lachenden Miene der ragazza an, daß der Inhalt ihre Erwartungen nicht belügt. Die Nebenfiguren sind den Habitués der Straßen Roms in den von den ärmern Classen bewohnten Quartieren entnommen. Dies ist auch der Fall mit den Saltimbanchi auf der Piazza Montanara, von T. Weller, wo die von Alter und Rauch geschwärzten mächtigen Travertinmauern und Bögen des Marcellus˗theaters zu dem bunten Getreide auf dem immer belebten und immer schmuzigen Platze einen seltsamen Hintergrund bilden. In die kirchliche Herrlichkeit Roms führt uns Fiorini’s Darstellung der Procession am Frohnleichnamstage; mit vielem Glück hat Caffi (aus Venedig) das wirre Treiben auf dem Corso am Moccoli˗abend mit den hunderttausend Lichtern und die unvergleichliche Scene der Girandola dargestellt, bei welcher die Engelsburg in den Krater eines Feuerberges verwandelt scheint. Von demselben ist auch die Rialtobrücke im venetianischen Carneval. Von Diofebi sehen wir den Eingang zur Villa Borghese mit der an einem heitern Sonntage hinströmenden Menschenmenge. Noch gehören hierher zwei andere Bilder: das eine ist die Eröffnung von Rafael’s Grab im Pantheon, welche im September 1833 stattfand, von Diofebi; das andere, von Blunk, stellt die in der bekannten Osterie la Censola in Trastevere beim Mahle versammelten dänischen Künstler dar. Auf beiden Gemälden sieht man Thorwaldsen’s Bildniß.
Diesem römischen Cyclus schließen sich einige andere Gemälde an. Besonders lieb war mir immer der Marmortransport, von F. Nerly, mehr Landschaft mit Staffage als eigentliches Genrebild. Eine Doppelreihe von Büffeln zieht mit großer Anstrengung den mächtigen Karren, auf welchem der haushohe, für den nordischen Meister in Rom bestimmte Block liegt: der Charakter dieser wilden, störrigen Thiere, die stolpernd und fallend und sich sträubend nur langsam vorwärts gelangen, ist sehr wahr aufgefaßt. Zur Seite ziehen die zackigen majestätischen Gebirge von Carrara sich hin, aus deren Schluchten der leuchtende Stein geholt wird. Von Küchler finden wir Bauerkinder aus den römischen Umgebungen, eine ansprechende kleine Gruppe; von Foltz eine junge Blinde, neben einer Kirchthüre eingeschlafen; von Törmer (aus Dresden) eine Procidanerin, über die niedere Gartenmauer auf das Meer und den Strand hinausschauend. In ganz andere Regionen versetzt uns Sonne’s Bild: Bivouac von Baiern im Schnee, so wie die bewegte Synagoge von Heinr. Heß aus München. Zuletzt muß ich nun eines der ausgezeichnetsten unter den teutschen Künstlern erwähnen, Franz Catel, der seit langen Jahren in Italien heimisch geworden ist. Hier sind drei kleinere Bilder von ihm vorhanden: das Innere einer Fischerhütte, eine unterirdische Kapelle mit betenden Nonnen und eine Scene aus Réné von Chateaubriand, die ich indeß nicht zu seinen vorzüglichsten Arbeiten rechnen möchte. Catel ist ein ebenso talentvoller Landschafts- wie Genremaler. Er hat sich in den Charakter der italienischen Natur vollkommen hineinstudirt, sowol was die Formen, als was die Beleuchtung betrifft. Sein transparenter Himmel, seine Fernen, klar oder duftig, seine Lichteffecte sind so wahr wie schön. Dabei versteht er’s, uns diese reizenden Veduten durch seine trefflich erdachte Staffage noch näher zu rücken und ihnen ein doppeltes Interesse zu geben. Von solchen Werken nenne ich unter Anderm die Ansicht eines Klosterganges auf Capri, den Blick auf Amalfi mit der rückkehrenden Procession im Vordergründe, das Colosseum bei Mondlicht u. s. w.
Indem ich nun zur eigentlichen Landschaft übergehe, an deren Grenze ich Sie schon längst geführt, muß ich zuerst mit Ihnen bei den Werken Koch’s verweilen. Es ist die historische Landschaft, im Geschmacke der Poussins und ihrer Schule, worin das Talent dieses Künstlers am größten und eigenthümlichsten erscheint. Selbst seine Veduten tragen diesen Charakter, ohne daß man ihn beschuldigen könnte, der Natur untreu zu werden. Denn es ist ein tiefes, ernstes Studium des innern Wesens derselben, welches ihn ihre bezeichnenden Erscheinungen jedesmal erkennen läßt und wiedergeben macht, ohne daß er es für nöthig hielte, an jede Specialität sich anzuschließen. So wie sein feiner Sinn für die Schönheit der Form sich in jeder Linie ausspricht und in den Ansichten wirklicher Gegenden ihn mit nie fehlendem Geschick das wählen läßt, was ein harmonisches Ganze bildet: so ist jede Figur, jede Gruppe, womit er seine Bilder belebt, ein redender Beweis seiner poetischen Auffassungsgabe und seines plastischen Talentes. Wir finden hier eine seiner bedeutendsten, mehrmals (mit manchen Veränderungen) wiederholten Compositionen: Apollo unter den Hirten. Der classische Geist der schönsten Zeit scheint den Künstler angeweht zu haben, als er dies vortreffliche Werk schuf, das man eine Dichtung in Farben nennen könnte. Alles ist harmonisch, die wunderschönen Gruppen der Menschen und der Heerden und die Landschaft mit ihren über den Wasserspiegel der Bucht hervortretenden Felsabhängen, ihren Eichen und Pinien und den Lauben von Lorber und dem herabrieselnden Strome. Wenn in diesem Gemälde eine classische Idylle verkörpert ist, so ist es eine biblische in dem Bilde: Ruth und Boas. Das Opfer Noah’s wäre ein Gegenstand für die Ausführung in größerm Maßstabe. Mehr eigentliche Vedute ist die Ansicht von Olevano im Sabinergebirge. Es würde mich zu weit führen, wenn ich von Koch’s andern Werken reden wollte. Doch kann ich seinen Macbeth nicht übergehen, der am Strande des tobenden Meeres den Zauberschwestern begegnet*). Eine Menge seiner Compositionen hat der Maler selbst radirt, nicht selten etwas roh in der Ausführung, aber immer mit Geist. Großentheils sind es Motive aus Rom und den benachbarten Gebirgen. Ich möchte die einfach gegebenen Compositionen oft den ausgeführten Bildern vorziehen, denn Koch’s Colorit hat mich nie angesprochen: es fehlt ihm meist an Harmonie wie an Wärme. Noch muß ich einer Landschaft mit Figuren gedenken, an welcher Koch und Gottlieb Schick (schon 1818 gestorben) gemeinsam gearbeitet haben. Die Staffage ist von Letzterm, über den ich indeß nichts Ausführlicheres zu sagen wage, da seine vielgepriesenen großen Bilder (in Teutschland befindlich) mir unbekannt sind. Eine ebenfalls hier vorhandene Landschaft von Demselben nähert sich der Kochs-schen Auffassungsweise. Zu einer Nebenrichtung derselben Schule gehört J. C. Reinhart, bejahrt, aber noch kräftig, in Rom lebend. Er hat sich indeß mehr dem rein Landschaftlichen zugewandt: die Staffage ist gewöhnlich als Nebensache behandelt. Seine stillen Waldgründe mit herrlichen, tiefschattenden Bäumen, Heerden, die zu rieselnden Quellen ziehen, und mit einem Durchblick auf einen einsam stehenden Tempel, auf die Bogen eines Aquäducts oder eine Thurmwohnung; seine mächtigen Felsenmassen, aus deren Spalten Grün hervortreibt oder ein Waldstrom herabstürzt; seine öden Strandgegenden mit einem halbverfallenen Wartthurme und dem umherstreifenden Jäger — alle Darstellungen dieser Art sind trefflich und wahr. Ein hier vorhandenes Bild: der Samariter, ist mehr zur Classe der historischen Landschaften zu zählen. Von großem Werthe sind seine Radirungen, deren es eine Menge gibt. — Besonderer Beachtung würdig sind die Landschaften Marcò’s, eines Ungarn, sowol der eigenthümlichen Auffassung der Natur als der Ausführung wegen. Seine Werke haben theils den strengern historischen Charakter, theils sind sie rein landschaftlich oder vedutenartig. Wirkliche Gegenden haben meist nur die Motive geliefert. Marcò ist ein Detailmaler: jedes vermodernde Stück Holz, jedes auf dem Boden wuchernde Blatt macht bei ihm seine Rechte geltend. Die Figuren sind wie in den sorgfältigsten niederländischen Genrebildern. Das Ganze greift vortrefflich ineinander. Vielleicht findet sich in einzelnen Theilen und im Colorit bisweilen etwas Conventionelles. Die meisten seiner Bilder sind in kleinem Maßstabe, ein Paar aber sind in einem größern und freiern Styl gemalt und zeigen gleichfalls das liebevollste Studium der Natur.
So gern ich nun auch von den übrigen Gemälden, welche in dieser interessanten Galerie enthalten sind, ausführlich mit Ihnen mich unterhalten möchte, so sehe ich mich doch genöthigt, sie nur mit wenigen Worten anzuführen, da ich gar zu lang zu werden fürchten muß. Ansichten italienischer Gegenden und Monumente sind in Menge da, meist von teutschen Künstlern. Es interessirt mich immer ganz besonders, zu sehen, wie diese unsere südliche Natur auffassen, und wenn mir auch der freiere Styl und die genialere Weise der (leider oft gar zu ungenauen und leichtfertigen) Engländer lieber ist, so muß ich doch gestehen, daß sie meine Landsleute meist hinter sich lassen. Von Schilbach sind zwei Ansichten des Römischen Forums vorhanden, treu und mit Talent ausgeführt, aber seltsamerweise wie durch ein gebräuntes Glas gesehen. Von Eggersberg die prachtvolle Colonnade von St. Peter mit den pittoresken Springbrunnen, gleichfalls von zwei verschiedenen Seiten, und der Klosterhof von S. Lorenzo fuori le mura. Reinhart malte die Peterskirche, von der Villa Pamfili aus gesehen, von wo man vielleicht die schönste Gesammtansicht hat; Martens dieselbe vom Arco scuro aus (vor der Porta del Popolo), wo die Riesenkuppel dominirt. Von demselben ist eine Ansicht von Araceli, vom Capitolsplatze genommen. Diofebi malte die Aqua acetosa, den hübsch gelegenen Sauerbrunnen, nicht weit von der Tiber, oder vielmehr den daselbst sich eröffnenden Prospect. Von Chauvin ist Grottaferrata, die festungsähnliche Abtei in den Albanerbergen und die stolz auf das ganze Land herabblickende Ruffinella (Villa Tusculana) oberhalb Frascati, mit ihren schönen Pinien und Cypressen. Madame Pügor malte Terracina; der Norweger Dahl eine Gegend bei Neapel, Neapel im Mondlicht und die Blaue Grotte auf Capri. Er ist mir ungleich lieber in seinen norwegischen Veduten mit den düstern Föhrenwaldungen und den malerischen, moosbewachsenen Felsen, oder den Klippen am Seestrande, gegen welche die Wogen anschlagen. Das Poetische der ernsten und sogenannt öden Natur gibt er am besten wieder. Mit ihm verwandt ist Fernley, der zwei Ansichten von Helsingör, Winter und Sommer, gegeben hat. — Doch um nach Italien zurückzukehren, von Elsasser ist ein schöner Prospect von Taormina, von I. Steingrübel ein Bild von Florenz vorhanden, worin mir der Charakter dieser lachenden Gegend nicht sehr glücklich wiedergegeben scheint. Ich habe von diesem tüchtigen jungen Maler weit ansprechendere Werke gesehen. I. Senfs malte den Dom von Trient, Lund eine gothische Kirche, Hörnig den Markt von Smyrna. Das vortreffliche Bild von Güdin, eine Bucht darstellend, gehört auch dem Süden an. Unnachahmlich ist dies Wasser, das an dem gelben Strande spielt, in seiner Klarheit und grünlichen Färbung.
Ich bin nun zu Ende. Nicht als hatte ich alle Bilder genannt — es sind deren noch manche vorhanden, die einer Erwähnung werth sind. Aber ich fürchte Sie zu ermüden. So unterlasse ich denn auch, ausführlicher von den trefflichen Copien des Violinspielers und der Madonna del Garofano zu reden, welche von Eggers herrühren. Noch einen kostbaren Schatz schließt diese Galerie in sich: eine Originalzeichnung Rafael’s, Madonna mit dem Kinde. Damit lassen Sie uns Abschied nehmen von dieser reichen, vielleicht einzigen Sammlung.
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