24ten März
Ich habe Dir gute Lotte recht lange nicht geschrieben. Es geht mir immer so, dass wenn ich einen Brief nicht gleich beantworte, er weiss Got wie lange liegen bleibt. Diesmal verschob ich es von einem Tage zum andern, weil ich immer glaubte Dir etwas bestimmtes wegen einer Kleinen Reise die ich zu machen gedenke sagen zu können. Eine Reise die uns, wenn Du jetzt wie ich vermuthe schon in Frankreich bist, einander wieder näher gebracht hätte. – Es kam vor mehreren Monaten ein Freund meiner Mutter u ehemaliger Lehrer von mir in Geschäften des baadischen Hofes hierher – Dieser bot mir an mich bei seiner Rückreise mitzunehmen zu meiner Mutter. Die Fürstin ertheilte mir ihre Einwilligung für einige Monate Abwesenheit u in mir war Freude u Lust – schon freute ich mich, Deiner Theilnahme gewiss, es Dir zu schreiben. Da kömmt ein Brief von dem baadischen Ministerium des Herrn Olly[?] so heisst der Herr – befiehlt einen Theatermaler der für die dortige Bühne engagiert ist mitzunehmen. Ich war starr vor Schreck – doch versuchte ich es, an die Frau des Ministers zu schreiben, sie bittend, sie möge ihren Mann dahin vermögen, dass ich dem Maler die Reise auf der Diligence zahlen und dafür seine Stelle im Wagen des Herrn O. einnehmen dürfe. Nach 3 Wochen erschien eine verneinende Antwort und in einigen Tagen sehe ich Herrn O. reisen u die Erfüllung meines sehnlichsten Wunsches leidet zum mindesten Aufschub, wenn ich auch nicht glauben mag, dass mein Hoffen nie in Wirklichkeit übergehen soll.
Ich habe nun wieder eine andere Gelegenheit im Auge – ich wage aber noch nicht zu hoffen – bei der ersten wurde meine Zuversicht zu sehr getäuscht – als dass mein Herz so leicht dem Glauben sich öffnen könnte.
Schreibe mir aber doch wie gewöhnlich hierher – meine Briefe werden bei der Fürstin abgegeben u mir nachgeschickt. Ich sehne mich sehr nach Nachrichten von Dir meine liebe Lotte – Du bis mir theuer lieb u werth – u es ist nicht immer die Zeit die eine innige u dauerhafte Verbindung knüpfet. Man kann mit manchen Menschen jahrelang in täglichem Beisammenseyn leben, ohne sich um eine Haar Breite näher zu kommen. Oft aber kann in der ersten Minute der Freund den Freund erkennen u es ist schön vertrauend u ohne erst lange geprüft zu haben sich hinzugeben, wenn dem Freunde der Stempel Gottes auf die Stirn gedrückt ist.
Ich will zuerst von unsrer leidenden Freundin sprechen. Ihre Schmerzen nehmen fürchterlich über Hand. Der ganze Arm war bis zu den Fingerspitzen geschwollen u musste gewickelt werden. Sie soll ihre leiden mit eine Geduld u Ergebung tragen, die jeden rührt der sie umgiebt. Endlich gingen die Geschwüre in der Brust auf, u da liessen denn ihre Schmerzen etwas nach, aber ihre völlige Auflösung wird sehr dadurch beschleunigt werden u man giebt ihr kurze Zeit für diese Welt. Ich will die Stunde segnen welche diese arme Dulderin von ihren Leiden befreit u sie wieder mit ihrer geliebten Tochter vereint. Sie lebte ohnehin nur körperlich auf Erden. Alles hatte der Tod ihr genommen u sie fühlte dass die Erde keinen Trost für solche Leiden bieten kann – was wir uns Grab gesenkt erblüht uns nur im Himmel wieder u für jeden Schmerz giebt es ein Trost – nur für diesen nicht. Schreiben kann sie schon längst nicht mehr – ich erhalte aber von ihrem Mann, Schwagerin u Tobie recht fleissig Nachrichten von ihr.
Sie wohnt jetzt sehr entfernt von Koller u das macht ihre Lage noch unangenehmer da sie keine eigne Haushaltung hat sondern alles aus K’s Hause erhält. Gott gebe ihr bald eine ruhige Sterbestunde u. Frieden Ihrer Seele.
Rösel ist noch immer in Neapel – er treibt sich in der Gegend umher – knackt Bilder – u sammelt Steine. Schreibt er Dir den gar nicht?
Er hat mir neulich ein allerliebstes Bildchen von San Onoffrio mit der Tasso Eiche geschickt, welches mir grosse Freude machte. Von seiner Eiche habe ich Blätter von Dir. Es war doch eine recht schöne Zeit. Wie herrlich war jener Morgen wo wir die Trajans u Antonius Säule bestiegen – wie göttlich der Mondabend im Colosseum – herrlich göttlich – solche Erinnerungen leuchten mit Flammenaugen in Gegenwart u Zukunft. An die schönsten Erinnerungen von Italien heftet sich Dein Bild – Du wirst mir ewig lieb u theuer bleiben – Und der Tag in Baja war einer der schönsten meines Lebens.
Die Künstler in Rom werden von allen Seiten beschäftigt – die nähmlichen, welche Bartholdys Zimmer malen, malen nun auch einen Theil des Vatican u die französischen Künstler malen die Academia Francese. Ein Engländer Hope hat bei Canova eine Copie der Venus in Florenz bestellt u zahlt dafür 4000 Scudi. Der Fürstin Bruder hat bei meinen lieben Torwaldsen eine Bachantin bestellt. Schadow hat seine Spinnerin verkauft u hat schon Bestellung auf eine zweite. Nur einige Jahre möchte ich das Künstlerleben in Rom führen – es ist das herrlichste, das ich mir denken kann. Ich glaube gewiss, wieder nach Rom zu kommen, wenn auch nicht dieses Jahr doch das künftige, aber in meinen Verhältnissen freut es mich nicht. Frei muss man in Rom sein an Leib u Seele, sonst findet man mehr Entsagung als Genuss. Fr. v. Pubechheim ist noch dort. Nina reist in 4 Wochen ab. – Werden wir uns dort wiedersehen? Wie Du das Leben in Hamburg mir beschreibst, so ist es mehr oder weniger überall. Glücklich wer im Geräusch der Welt eine Seele findet die ihn versteht – die er zu finden hoffen kann. Nun bringt doch der Wechsel der Furcht u Hoffnung einen Reitz in unsere Seele – der dem Leben Interesse giebt – was nicht reitzt ist tod – das fühle ich lebhaft – u so gleichgültig war ich nie als jetzt – ich gehe aus weil es sich so fügt – ich bleibe noch lieber zu Hause. Ich denke nicht vorher nach wen ich in dieser oder jener Gesellschaft finden werde – das Herz pocht mir nie wenn die Thüren sich öffnen, denn ich weiss bestimmt das nur jemand eintreten kann der mir minder od. mehr gleichgültig ist. Ein solches Leben ist nur ein vegetieren – so vergehen die Tage ohne Lust u ohne Plage. Nur der Briefträger vermag es mein Herz zu höhern Schlägen zu bringen. Ich weiss es, dass ich durch das Verhältnis in dem ich lebe unglücklich seyn werde u doch ist dieses ünglück mir lieber als alles was die Welt mir an Freuden bietet – u mein Leiden ist meine schönste Freude.
Liebe Lotte vergesse doch ja die Handschrift von Klopstock nicht – für die von Fanny Tarnow danke ich Dir recht sehr. Dass Du über Thorilde mit mir gleicher Meinung bist freut mich unendlich – die Tendenz des Buchs ist schaudervoll – es ist ein höchst verführerisches schönes Buch – die Verfasserin hat tiefe Blicke in das menschliche Herz gethan. Ich habe seitdem auch Mädchen Herz u Mädchenglück von ihr gelesen – das ist zart empfunden u schon gesagt – aber das verführerische Interesse der Thor. hat es nicht. – Es ist jetzt ein neuer Roman von Apenzeller erschienen, den man mir sehr gerühmt hat – er heisst Glaube, Hoffnung u Liebe. – Ich habe jetzt eine Sammlung Gedichte von einem Autor gelesen, der, wenn er auch nicht sehr bekannt ist, doch sehr verdiente es zu seyn. Die Gedichte – vorzüglich die Elegien sind herrlich – verschaffe Dir doch das Buch. Die Gedichte sind von Schulze herausgekommen in Göttingen 1813 bei Dietrich[?]. –
Leider konnte ich mir noch immer die Memoria des Freiherrn von S. nicht verschaffen. Vielleicht finde ich sie in Mannheim –
Ich habe während meines Hierseyns einige wunderschöne Zeichnungen bekommen. Von Olivier den Du in Rom glaube ich, sahst – erhielt ich eine sehr ausgeführte Zeichnung in Kreide[?] – nach einem Frescobild von Ruine[?] – dann 3 Madonnen von andern jungen Malern – Gaus hat mir ein paar hübsche Kupferstiche geschenkt. Er grüsst u empfiehlt sich Dir – er speist heute bei uns.
Jeanette ist immer sehr glücklich, wenn Du ihrer in einem Brief gedenkst – sie küsst Dir die Hände.
Wenn Du noch in Hamburg bist, so küsse Deinen Vater recht herzlich für mich – u Herrn Carolus 1000 Grüsse – auch an Herrn Droop. Sage ihm er soll mir einige Nachrichten von allen den Lieben die ich in Nizza sah durch Dich mittheilen. Künftigen Herbst heirathet Fr. Mengershausen – eine Schwester meiner Freundin Elise Pilat Docter Hutwalker in Hamburg – der werde ich Briefe an Dich mitgeben – u. sie soll Dir viel von mir erzählen. Es ist ein gutes Mädchen aber zarte ressource[?] findet sich in ihr nicht.
Ob ich Dich kalt finde – nein Lotte – hätte ich mich Dir sonst so schnell genähert. Ich finde Dich in Deinen Gefühlen nicht sehr demonstrative – das ist eine andere Sache – wer Deine Auge ansieht wird Dich nie kalt nennen. –
Franzisca