No. 4237 af 10319
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NN 9.6.1827 [+]

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Thorwaldsen’s Werkstatt zu Rom.

(Fortsetzung.)

Eines der ersten Producte, die wir sahen, lieferte uns von dem Ebengesagten den deutlichsten Beweis. Mit einer Liberalität, die alle königliche Mäcene Europa’s weit hinter sich läßt, hatte Sommariva die Ausführung in Marmor des prächtigen Frieses, worauf der Triumph Alexanders dargestellt ist, bestellt. Das Modell war eben vor den Arbeitern aufgestellt und an einer Mauer befestigt. Mit allen seinen Fehlern, und es kann deren viele haben, ist es das erste der modernen Bas-reliefs. Ohne von der Schwierigkeit zu sprechen, die darin liegt, ohne Eintönigkeit einen so unschmackhaften Gegenstand, als ein Triumph ist, in einer solchen Ausdehnung zu verlängern, so sind in diesem Werke Verdienste, die die höchste Bewunderuug erregen müssen. Man erkennt das Jahrhundert nicht bloß am Costüme und andern Nebendingen, was bei den Kenntnissen unserer Zeit nicht schwer war; sondern auch, was unabhängig von aller Gelehrsamkeit ist, an einem Geist der Antike in Physionomie und Haltung, wie er wesentlich in der Bildhauerei sich ausspricht, und eine ältere und stolzere Welt beurkundet. Es ist gerade die nämliche Art ehrwürdiger Schönheit der Kunst, die jeden Augenblick sich in der Sprache, ich weiß nicht wie, und immer mit unaussprechlichem Reiz, mit den bildlichen Phrasen und den alten Chroniken unserer Vorfahren verschmilzt; es ist ein Idiom, gemacht für die Meschen und die Sachen, die es ausdrückt, und das ihnen diese alterthümliche und geheimnißvolle Farbe leiht, die von der bestimmteren Art des Ausdrucks jetziger Zeit gänzlich verlöscht werden würde. In Thorwaldsens Figuren herrscht eine hetrurische Ruhe, die man selten bei Canova findet. Alexander allein macht eine Ausnahme: bei den Begriffen, die wir von diesem Karl XII. der alten Welt haben, können wir nicht umhin, ihm eine minder studierte Haltung zu wünschen; er hat die Welt erobert, aber er ist zu voll von seinem Triumph; er muß mehr Stolz und minder Eitelkeit gehabt haben. Die Gruppen von Schäfern, obwohl ihre zu zahlreichen Heerden ein wenig wie Lückenbüßer aussehen, sind eine geistreiche Verzierung im Gegensatze mit den Perlen und dem Golde der Barbaren, die in den andern Theilen des Bas-reliefs glänzen; sie versetzen auf eine angenehme Weise die ländliche Natur in die Mitte der Pracht der großen Hauptstadt. Die Seher sind eine Erfindung der erhabensten Poesie. Nichts schildert den Geist der Zeit besser, als diese Menschen, die dem jungen Sesostris jener Tage Reich über Reich prophezeihen und versprechen. Sie haben ihre Globen und ihre Zauberruthen, ihre Traditionen und ihre Geheimnisse und scheinen die Welten und die Jahrhunderte mit ihren Worten und ihren: Blicke zu öffnen. Nichts nähert sich mehr der Größe der Schrift, die zu jeder Zeit das Erbtheil des Orients war; man glaubt die fünfhundert Propheten zu sehen, die vor Esaias die Zukunft weissagen. Die dem Eroberer dargebotenen Gaben sind von großem Reichthum; ihr Styl und der der Architektur erinnern gleich sehr an Babylon. Ich habe schon gesagt, daß dieses Werk für den Marquis von Sommariva bestimmt ist, den Albani der neuern Zeit; aber es wird mehrerer Jahre bedürfen, um es in Marmor auszuführen.

In dem ersten Atelier, wohin wir dann zurückkamen, steht der Jason. Er hat eben das goldne Vließ erobert; er ist der vollkommene Typus des Griechen, in der ganzen Nacktheit des Heroismus; er ist mehr ein Zeitgenosse als eine Copie oder ein Abkömmlung des Achilles und Meleagers; er ist keine einfache Uebersetzung des Alterthums, aber er ist ein so treuer Ausdruck desselben, als man ihn nur wagen und erreichen kann. Nah bei dieser Statue findet man Poniatowski, welcher ein antiker Held seyn würde ohne die Abgeschmacktheit seiner Bewaffnung und ein moderner Held, ohne Veränderung des Costümes unserer Zeit.

Die Grazien, welche folgen, überraschen durch ihren Contrast mit denen von Canova. Sie haben eine viel jungfraulichere Reinheit, aber sie sind minder verführerisch als die des italienischen Bildhauers, obgleich, um die Wahrheit zu sagen, diese zu sehr darauf studieren, zu gefallen, und Canova ihnen eine Art entschiedener Coquetterie gegeben hat, die besonders in den Händen und in den Gesichtern bemerklich ist. Thorwaldsen schätzt die seinigen sehr, vielleicht zu sehr und legt zu viel Wichtigkeit auf das Lob, das Fremde ihnen ertheilen. Er vergnügte mich sehr durch das Feuer und die Naivetät, mit welcher er die Schönheiten daran bemerklich machte; der Vorzug, den man ihnen über das Werk seines Nebenbuhlers giebt, war ein reichhaltiges aber gefährliches Thema. Uebrigens sind sie in aller Hinsicht schön, und alle Theile sind mit Sorgfalt gearbeitet; die von Canova sind mehr geeignet, um in eine Niche gesetzt zu werden.

In demselben Zimmer bemerkte ich die vier Bas-reliefs von ovaler Form, welche die Stärke, die Weisheit, die Gesundheit und die Gerechtigkeit vorstellen: es ist dies die höchst originelle Verkörperung sehr gemeiner Abstraktionen. Das Bas-relief der Gerechtigkeit hat einen Anflug von Aeschylus: Nemesis die vor Jupiter den Bericht des Verbrechens liest und Jupiter der, im Verhältniß wie sie weiter liest, allmahlig seine Donnerkeile ergreift, sind der alten Theogonie würdig; es ist auch unmöglich, die Schrecken des Schuldigen besser auszudrücken. Diese Bas-reliefs sind für den ersten Gerichtshof von Copenhagen bestimmt, obgleich sie von einem einfachen Privatmann bestellt worden sind.

Wenige Künstler haben das Vollendete so sehr geliebt als Canova, haben so viele Mühe wie er auf die letzte Feile gewendet und haben so wenig ihre Werke fremden Händen anvertrauet. Er hatte die Meinung, daß eine Art von Impastirung oder Weichheit, die er in der Malerei vergötterte, sich mit Vortheil auch auf die Sculptur anwenden lasse. Daher kömmt es, daß bei ihm alles fließend, gerundet, ich möchte sagen fast verlöscht und dunkel ist; alles was männlich, lebendig und hervorspringend ist, scheint abgerieben und abgebraucht. Er trieb diese Eigenschaft oder diesen Fehler so weit, daß er oft Nachts seine Arbeit endigte, indem er stärkere schatten wollte, um alles, was sich wegnehmen ließ, von dem Relief wegzubringen, damit bei Tage seine Werke die besondere Annehmlichkeit hätten, die auf gleiche Weise dem Correggio und dem Catull angehört und die ihn von der Mehrheit der modernen Bildhauer unterscheidet unter dem doppelten Gesichtspunct der Erfindung und der Ausführung. Ich weiß inzwischen nicht, ob er bei dieser Methode nicht alles verloren hat. Es ist merkwürdig, daß seine Statuen bei Fackelschein besehen, neben denen der Alten keinen Charakter mehr haben, und nur matte Copieen scheinen. Diese Bemerkung drängte sich mir auf eine auffallende Weise auf, indem ich seine Fechter mit den antiken Athleten verglich. Wirklich wurde seine Anatomie niemals sehr bewundert. Die Alten hatten eine ganz andere Art, das Nackte zu behandeln; und obgleich die Forschungen von Quatremère zu beweisen scheinen, daß es bei ihnen eine bloß mechanische Operation war, so kann man doch nicht umhin, selbst in ihren geringfügigsten Werken, die Kenntniß und die Genauigkeit der Details zu bewundern. In dieser Hinsicht rühmt alle Welt den Torso von Belvedere; aber der Apollo, der die süße Zartheit einer jungen und himmlischen Natur athmet, ist hierin nicht minder merkwürdig. David pflegte ihn als Musterbild anzuführen, und zeigte ihn oft, indem er ihn von unten beleuchtete, als eine unendliche Mischung von, mit zarter Kunst wiedergegebenen, Linien und Muskeln, welche gleichwohl bei Tage dem Auge eine fast glatte Oberflache darbot. Das Urtheil der Alten macht sich nicht minder fühlbar in der scheinbaren Härte der Ausführung einiger ihrer Denkmäler, wie z.B. der Musen, des Zuges der Panatheneen und anderer Reliefs dieser Art. So wie die Sciagraphie ihrer Architektur vielleicht nie übertroffen worden ist, so ist es auch unmöglich, den Seh- und Augenpunkt besser zu berechnen, als sie in ihrer ganzen öffentlichen und Privat-Sculptur gethan haben. Ich möchte gerade nicht behaupten, daß Thorwaldsen mit solchen Grundsätzen die Härte rechtfertige, die den größten Theil seiner Werke charakterisirt; aber mindestens bin ich gewiß, daß sie eine andere Ursache als Unfähigkeit hat. Als Beweis dafür will ich nur seine Venus anführen, die in Hinsicht auf Ausführung jeder Statue von Canova an die Seite gestellt werden kann. Sie erinnert an die Venus von Medicis; es ist eine Copie oder Nebenbuhlerin derselben. Aber der Künstler hat verständigerweise auf die Nachahmung des obern Theils der Bildsäule verzichtet: der Kopf ist mehr beschäftigt; der Apfel, den sie in der Hand hält, erklärt und sesselt ihre Aufmerksamkeit und die der Beschauer; der Leib hat mehr Fleischiges und rundere Formen als die antike Venus; alle Züge sind auf eine feine Weise vergrößert: die Modernen neigen sich zu einer entgegengesetzten Praxis hin und scheinen mehr an das Corset als an den Gürtel gewöhnt. Man kann nichts lieblicheres, nichts graziöseres sehen als diese bewunderungswürdige Statue; nie hat ein zarter und sicherer geführter Meißel die Weichheit des Fleisches besser nachgeahmt. Die Ausführung und die Form sind gleich vollkommen; es ist Thorwaldsens Triumph und er verhehlt dies Gefühl nicht, wenn er davon spricht. Der Pendant dazu ist der Adonis. Der Gegenstand ist alt und das Versprechen eines Achilles, der durch die weibliche Schönheit durchschimmert, söhnt den Zuschauer nicht mit der bloßen Wiederholung von Originalen aus, die doch ein weing mehr werth sind als ihre Nachbildungen.

Das Atelier, in welches wir hierauf traten, enthielt die Statue Poniatowskis zu Pferde. Wie das Zimmer, was wir so eben verlassen hatten, ist es mit Büsten angefüllt, unter welchen der colossale Kopf des Künstlers selbst vorherrscht. Das οίοι υύυ βεοτοί ist nicht vergessen selbst bei Byron. Sein Kinn und sein Mund athmen in der That den ganzen Stol; des Herrn von Fürstenthümern und Herrschaften; und ihr Ausdruck scheint selbst übertrieben zu seyn. Als Byron für Thorwaldsen sitzen wollte, erschien er plötzlich in seiner Werkstatt, unangemeldet, in seinen Mantel gehüllt und mit einer Miene, die geeignet war, einen ungewöhnlichen Eindruck auf den Künstler zu machen und ihm einen hohen Begriff von seinem Charakter einzuflößen; Thorwaldsen, von dem ich diese Details habe, gesteht, daß die Wirkung seinen Wünschen entsprach. Jedenfalls bedauert man in diesem Werke nur wenige Spuren dieser Großartigkeit zu finden. Die Nase, die Augen und vor Allem Hals und Schultern, die für den Kopf ein edles Piedestal bilden sollten, sind verfehlt. Im Profil angesehen sind Züge und Ausdruck im höchsten Grade alltäglich. Der Barde ist ein bloßer englischer Lord, der nichts ertragen kann, was über oder unter ihm ist.

Die Statue Poniatowskis zu Pferde hat das Ansehen einer Phantasie, und das ist vielleicht das einzige Beispiel eines ähnlichen Fehlers unter Thorwaldseus Arbeiten: dieser Fehler hatte Bernini geehrt und ein Feind würde diese Bildsäule dem Curtius der Villa Borghese entlehnt nennen. Thorwaldsen sagt, daß er den Gedanken von dem Springbrunnen hergenommen habe, über welchen sie aufgestellt werden soll, oder vielmehr, daß ihm diese Idee durch diesen Springbrunnen aufgedrungen worden sey. Poniatowski kam, wie man weiß, beim Uebergang über die Elster nach der Schlacht von Leipzig um. Seine Statue sollte, mit Zustimmung des Großfürsten Constantin, den vorzüglichsten Platz von Warschau zieren und auf einen Brunnen zu stehen kommen, der bereits diesen Platz verschönert. Der Fluß sollte durch den Springbrunnen vorgestellt oder dieser vielmehr sinnreich in einem Fluß verwandelt werden. Das Pferd ist dargestellt, wie es sich erschrocken sträubt, während es Poniatowski mit den Spornen antreibt. Wellenartige Linien auf dem Piedestal drücken den nämlichen Gedanken aus; diese Mischung von Repräsentation und Wirklichkeit ist nicht verständig, aber ein Künstler würde Unrecht thun, immer Recht zu haben. Das Modell, und daran sieht man den schöpferischen Gedanken in seiner Nacktheit, ist voll Ausdruck ohne Verzerrung: der Mensch und die Seele triumphiren über das Thier; das Pferd zittert beim Anblick des Stroms; sein Reiter hat sich schon vor ihm hineingestürzt.

Weit vorzuziehen scheint mir die Bildsäule der Hoffnung zu seyn. Den Keim dieses schönen Kunstwerkes findet man in der Art von Statue, die, unenthüllt und halb ägyptisch, zu Äegina den Fronton des Tempels des Jupiter Panhellenos krönte, und welche, mit dem Rest dieser einzigen Sammlung, nach Malta und später nach Rom gebracht wurde. Aber wie hat sich der Stein in einen Diamant verwandelt! wie hat sich, was nur Keim war, in eine üppige Blume entfaltet! ‒ Da ist Wahrheit, Dichtung, Schöpfung. Die Allegorie ist klar und vollkommen; ich kenne keine Verwirklichung moralischer oder physischer Gegenstände, die weniger Einwürfen ausgesetzt wäre. Ich ziehe diese Hoffnung der von Raphael, wie trefflich sie immer sey, und der von West vor. Die Hoffnung von West, auf den Fenstern der Christ-Kirche, ist christlicher aber zu mystisch; die Erklärung macht sie sehr schön, aber sie ist nichts ohne Erklärung. Mit aller schuldigen Achtung für Herrn Hancarville meine ich doch, das Geheimniß allein wird nie etwas werth seyn, sey es in Scnlptur, sey es in Malerei; die Allegorie soll weder eine Geschichte, noch ein Epigramm noch ein Räthsel seyn. Die Hoffnung von Thorwaldsen hält in einer Hand eine fast reife Granade; mit der andern hebt sie mit Grazie ihr Kleid, das ihren Gang ein wenig hindert. Eine milde Majestät leuchtet aus ihren Augen; es ist eine Mischung von Furcht und Zuversicht; sie schreitet mit Würde und Vertrauen vorwärts. Thorwaldsen hatte die Absicht die Granade mit dem Lotus zu vertauschen: das wäre eine Vervollkommnung gewesen, die die Originalität des Gedankens vollendet hätte. Der Lotus war das Sinnbild des Nils und der Nil drückte im höchsten Grade sichern Besitz Gewißheit und Ueberfluß aller Güter aus. Das mähliche Ausschließen der Blüthenknospe schlösse allein das Wesen eines kleinen Gedichts in sich. Der Styl dieser Statue entfernt sich ein wenig von der gewöhnlichen Manier des Künstlers.

Er hat verständig einen Charakter angenommen, der das Mittel hält zwischen der Schule des Phidias und der des Hegesias, der aber, mindestens was die Grazie betrifft, sich mehr der ersteren nähert. Dieses verbreitet über das Werk das Ansehen traditioneller Heiligkeit; und statt einer einfachen Allegorie in Stein haben wir eine Gottheit. Die Idee, ohne Zweifel, ist von den Alten entlehnt; aber er hat den Geist gehabt, sie zu fassen und den Geschmack, sie gut und vollkommen zu ergreifen. Die Falten der Draperie, die Haltung, die Physionomie sind ganz antik; aber das Costume bietet eine sehr glückliche Nachahmung des Modernen dar.

Die Hebe steht nah dabei. Es ist die der Alten; eine Art weicher Indolenz, die nicht zu weit getrieben ist, und die den Nachdenkenden die ganze sorgenfreie Ruhe des Olymps vorempfinden läßt, ist über ihr ganzes Wesen lieblich verbreitet. Der Moment ist gut gewählt. Die Hebe von Canova ist jünger, üppiger, kecker; ihr kühner und leichter Gang scheint schon ein Vorspiel ihres Mißgeschicks. Die von Thorwaldsen ist die ältere, vielleicht etwas zu ernsthafte Schwester; aber er hat sie in einem Augenblicke aufgefaßt, wo sie sich bereits der Heiterkeit hingegeben. Sie hat schon den Nectar eingeschenkt und scheint mit einer Art verliebten Vergnügens das Ende des Festes zu erwarten. Die Draperie zeichnet sich durch ihre äußerste Reinheit aus und ist eben so merkwürdig durch die Anordnung der Falten, als die von Canova in diesem Punkte mangelhaft ist. Immer muß man indessen bei letzterem die Schwierigkeit seiner Aufgabe in Anschlag bringen: Thorwaldsen hat sich begnügt, den Inspirationen seiner Vorgänger zu folgen; Canova hat neu und originell seyn wollen.

Man sieht in demselben Saale die Bas-reliefs des Tages und der Nacht. Der Tag ist alltäglich und trivial ausgedrückt: die Nacht gehört Thorwaldsen an und man könnte sie eine Perle der Anthologie nennen. Ich bemerkte auch Taufsteine; die Entwickelung des so schönen, gefühlvollen Verses der Schrift „Lasset die Kindlein zu mir kommen [xc.?]” war glücklich gewählt und die Wahl vom Erfolg gekrönt. Thorwaldsen konnte bei diesem Werke nichts von Beato Angelo oder Chantrey entlehnen.

Dem Bas-relief „Priamus, wie er den Leichnam seines Sohnes zurückfordert” fehlt nichts, als daß es in der Villa Hadriana ausgegraben worden wäre, um unter den schönsten Resten alterthümlicher Kunst in die erste Classe gestellt zu werden. Gleiches kann ich nicht von dem Raube der Briseis sagen: ich finde den Entwurf von Flaxman, obgleich grob und nachlässig entworfen, doch vorzüglicher.

In dem daranstoßenden Atelier findet man „den Schäfer,“ eine unnachahmliche Idylle, voll von der ganzen Eleganz und dem ganzen Doricismus des Alterthums. Es giebt wenig Statuen, die dem Zeitalter des Hirtenlebens gewidmet sind, und keine vereinigt mit so viel Natur so viele Zartheit und Grazie.

Nah bei dem Schäfer, copirt man den berühmten Merkur. Der Gott hat schon fast die hundert Augen des Ungeheuers überwältigt und in eine kurze Extase versenkt; die Musik verhallt allmählich; seine Hand sucht insgeheim sein Schwert, aber seine Augen bleiben auf den Argus und seine Bewegungen geheftet; der nächste Augenblick wird über die Wirksamkeit seines Kunstgriffes und über den Erfolg seiner Unternehmung entscheiden. Der Künstler hat die Gestaltungen des Alterthums meisterhaft und mit besonderer Wahrheit und Leichtigkeit gehandhabt ‒ er hat diesen Charakter Merkurs in eine neue Form gegossen: sein Kopf besonders ist der Aufmerksamkeit werth; er erinnert an die Verkettung entgegengesetzter Gefühle, an diese Mehrfachheit oder Verschiedenartigkeit der Natur, welche, sagt man, das hohe Verdienst des Demos des alten Meisters ausmachte; es ist zugleich die Wachsamkeit und die List des Gottes der Räuber mit der überredenden Inspiration des Gottes der Beredtsamkeit.

Um Kopernikus darzustellen konnte man nicht besser wählen als Thorwaldsen. Er hat den Astronomen mit der ganzen Naivetät und der ganzen Einfachheit seines eigenen Charakters und seines Landes ins Leben zurückgerufen. Auf einem breiten, viereckigen Fußgestell ohne Verzierungen sitzt Kopernikus und betrachtet sinnend die Sphäre, die er in der rechten Hand hält. Das deutsche Costume ist nicht entfernt, wohl aber verwischt worden; und die Aufmerksamkeit des Schauenden wird unwiderstehlich auf die Physiognomie gezogen und concentrirt. Diese colossale Statue ist für Deutschland bestimmt und soll in Bronze gegossen werden. Man kann die Treue des Bildes in Zweifel ziehen; der Künstler hatte kein anderes Vorbild, als einen schlechten Kupferstich, den er mir, an die Wand geklebt, zeigte.

In dem nämlichen Atelier ist ein Modell im Kleinen von dem berühmten schweizerischen Löwen, der über Verdienst gerühmt worden, aber doch würdig ist, einen Platz zwischen Poniatowski und dem Triumph Alexanders einzunehmen. Es ist ein in der Eil gefertigtes Werk, dürftig in Manier, schwach, ohne Wahrheit und Styl im Vergleich mit spätern Arbeiten, und das den Grundfehler seines Entwurfs nur durch die Kühnheit der Ausführung und seine riesige Größe wieder gut macht.

Aber das Meisterstück dieses außerordentlichen Mannes ist vielleicht die Sammlung von Statuen und Bas-reliefs, die für die neue Kathedrale von Copenhagen bestimmt sind und woran er noch arbeitet. Nachdem das alte gothische Gebäude durch eine Bombe, während des Angriffs der englischen Flotte, in Brand gesteckt und zerstört worden war, ist auf Befehl der Regierung und auf Kosten des öffentlichen Schatzes, jedoch mit Unterstützung von Privat-Subscriptionen, ein nach griechischer und römischer Architektur modellirter Tempel aufgeführt worden. Der erste Bildhauer des Nordens ist berufen, ihn durch seine Arbeiten zu verschönern; denn die Dänen, minder pedantisch als ihre anglikanischen Religionsbrüder, haben nicht [geb!aubt], daß die Unterstützung oder die Verbrüderung der Künste der wahren Frömmigkeit gefährlich sey. Er hat für den Fronton des Porticus, der auf dem Plan des Pantheons ist, den heiligen Johannes, wie er in der Wüste predigt; für die Nichen des Vestibulums die vier großen Propheten; für den Fries Christus, sein Kreuz tragend, von seinen Schülern gefolgt; für das Innere des Tempels die zwölf Apostel; und für den Haupt-Altar den Erlöser selbst gewählt. Ein großer Theil dieser prächtigen Sammlung ist schon ausgeführt oder mindestens modellirt.

(Der Beschluß folgt.)

Generel kommentar

Denne tekst udkom i Literarische Blätter der Börsen-Halle d. 9.6.1827, no. 192. Denne beskrivelse af Thorvaldsens atelier består af tre dele, hvoraf dette er anden del. Første del findes ikke i arkivet, men tredje del kan læses her.

Arkivplacering
M17,13 (Thorvaldsens Museums Småtryk-Samling 1827)
Emneord
Skulpturer af andre kunstnere · Thorvaldsen som Fidias eller Praxiteles · Thorvaldsen som portrætkunstner · Thorvaldsens værksteder
Personer
Lorenzo Bartolini · George Gordon Byron · Antonio Canova · Giovanni Battista Sommariva · Bertel Thorvaldsen
Værker
Sidst opdateret 07.09.2018 Print