No. 3282 of 10319
Sender Date Recipient
P.O. Brøndsted [+]

Sender’s Location

Genf (dvs. Geneve)

27.-29.7.1823 [+]

Dating based on

Dateringen fremgår af brevet.

Bertel Thorvaldsen [+]

Recipient’s Location

Rom

Information on recipient

Ingen udskrift.
Tilskrift: an Thorwaldsen.

Abstract

Brøndsted writes about his journey from Rome to Geneva. He gives details about the political situation in the towns he has visited and also mentions the notable works of art that he has seen along the way.

See Original

Genf den 27 Julius 1823.

Theuerster Freund!
Es kommt mir wiederlich vor Dich in dieser fremden Sprache anzureden, aber ich thue es damit Du Einiges aus diesem Briefe, wenn etwa gefällig, unsern lieben deutschen Freunden ohne die leidige Mühe des ubertragens mittheilen mögest. – Ich befinde mich, vor 6 oder 7 Tagen hier angekommen, recht wohl in diesem freundlichen, schön gelegenen Städtchen. Was ich besonders hier suchte, nämlich einige Hülfe für meinen ziemlich schlechten französischen Stil, habe ich vollkommen gefunden und werde wohl hier den ganzen Monath August, vielleicht auch für einen Theil von Septembr. zu thun haben. Ich schwimme fast täglich im See herum, was mir sehr wohl thut, habe ein reinliches Zimmer, ein gutes Instrument darin, und tägliches Brodt, das, auf französische Weise, gut gebacken ist – damit muss der Mensch sich ja wohl begnügen. Was mich aber ganz vorzüglich hier erfreut ist die Zufriedenheit der Einwohner, die aus allen Gesichtern leuchtet, mit ihrer einfachen Schweizerve[r]fassung und Regierung, und die grosse Freiheit des Lesens und Sprechens, deren wir Fremden auch theilhaftig werden. Die hiesige gesunde Atmosphäre erquickt einen ganz besonders dann, wenn man die schwüle Spion-luft und den schwerenoths Spektakel von Trummeln und Pfeiffen und Schreien der fremden Kriegsknechte in Mailand eben verlassen hat. – Man kann hier so ziemlich thun und sagen lesen und schreiben was man mit Anständigkeit will. Hr. von H-r und ein paar andere gedungene Intriguanten in der Schweiz stehen ganz isolirt und von der allgemeinen Verachtung – auch der Catholiken, was merkwürdig ist – gebrandmarkt. Allerley Zumuthungen von sehr hohen Orten, wiewohl mir sehr leise und artig vorgebracht (besonders hinsichtlich des Asyls, dessen die vielen hierher Ausgewanderten fortwährend geniessen) sind mit grosser Weisheit und Ruhe abgewiesen worden. – Es regt sich überhaupt hier ein so redlicher freyer und offener Sinn und ein so entschiedener Hass und Verachtung gegen die Schändlichkeiten die man uns anderswo auftischt, dass ich eine Neigung in mir fühle (wenn wir sonst nicht samt und sonders nach America oder nach Griechenland auszuwandern genöthigt werden) meinen Sohn hierher zubringen damit er, vor allen Dingen, ein guter und freier Mensch, kein elender Despotensclav und Halunke werde. – Apropos der Halunken: ich habe hier einen langen Brief von dem Hr. v: R. bekommen (dat: Copenhagen 8 Julius) – er war, wie gewöhnlich, voll von Nichts; das Wetter war mittelmässig, das Korn stand gut und die Gesundheit der Allerhöchsten Majestäten war vortrefflich – Gott sey Dank! – von dein Prinzen und seiner holdseeligen Gemahlin war nicht die Rede; es scheint mir dass sie schon wieder, wie vordem, auf die Seite geschoben werden.

Nun will ich Dir, so lange dies längliche Blatt aushält, einige Aphorismen aus meiner Reise, die sehr glücklich und nicht unfruchtbar gewesen, mittheilen. Ich schreibe lieber davon als von wichtigern Dingen z: B. von der Politik und der Begebenheiten in Spanien und Portugal, weil ich davon nicht viel Erfreuliches zu sagen habe. Doch muss ich auch über die neuesten Begebenheiten ein Wort sagen weil ich von allen Englischen Spanischen und Französischen Zeitungen in dem hiesigen Lese-cabinet umgeben Mehreres erfuhr, wovon die Nachricht nicht leicht zu Ende dringen wird.

Zwar steht es mit der Sache welcher ich als der guten huldigen muss, keinesweges so verzweifelt schlecht, als Ihr Ende, von PfaffenCracas –Diarien belehrt wahrscheinlich vorstellt, und ich bin wegen gar des endlichen Ausfalls der verwickelten Verhältnisse gar nicht besorgt – aber heillos Niederthrächtiges und Infames ist allerdings geschehen. Morillo, der reiche aristocratische doppelzüngiger Fuchs (unbegreiflich wie die Cortes dieser Bästie ein Commando anvertrauen konnten) geht zu den Franzosen um derselben Zeit über, als ihre Kameraten in Catalonien von Mina höllische Schläge kriegen; der liebenswürdige Amarante hält seinen Einzug in Lissabon u.s.w. – Diese Geschichten überzeugen nur von der traurigen Nothwendigkeit dass die Sache in beiden Ländern durch eine Reaction (die gewöhnlich kräftiger ist als der erste Versuch) fester begründet werden muss. Diese wird viel Blut, schuldiges und unschuldiges, kosten – aber ein kluger Mann sagte schon längst: “On ne fait pas des revolutions à l’eau de rose” – Es muss eine solche Reaction kommen, denn man sieht aus Englischen Zeitungen vollkommen mit dass der Muth und die Energie der Constitutionellen, weit entfernt geschwächt zu seyn, vielmehr durch die lezten Begebenheiten gestählt und gesteigert sind. Quiroga und Mina sind die beiden pivots der Spanischen Freiheit. (Die aristocratischen Zeitungen verbreiteten neulich das völlig grundlose Gerücht dass Mina gestorben sey) – Die Geld-subscriptionen in England für die Unternehmungen der Cortes sind überaus reich ausgefallen und das Geld nach Cadiz abgegangen. – Man sieht aus den Berichten des heldenmuthigen Sir R. Wilson (der mit Quiroga vereint den Franzosen in Galizien übel zusezt) dass er, der mitten darin ist, die Sache der Spanischen Freiheit keinesweges für verloren hält. Keine einzige Festung, von einiger Wichtigkeit, hat sich bis jezt an die Franzosen ergeben, und Mina hält sich wie ein Fabius Cunctator. In Madrid sind die Franzosen schon über die Maassen verhasst und man hat ganz neülich den Versuch gemacht den Herzog von Angouleme mit seinem Generalstabe in einer Klosterkirche, wo sie die Messe hörten, einzubrennen oder im Tumult zu erwürgen. Sr. Königl. Hoheit entwischte der Gefahr mit genauer Noth, und 5 Minuten nachdem er davon war, stürzte die von allen Ecken und Seiten zugleich angezund angezündete Kirche zusammen. – Indessen will ich für den jezigen Ausgang der Sache nicht stehen. Die Vorsehung reichte oftmals verdorbenen, entarteten Geschlechtern den Kelch der Schmach und Verhöhnung – vielleicht ist es auch dies Mal ihre Bestimmung dass dieser bis zum Hefen geleert werde. Soll es so geschehen werde, so werde ich, der ich nicht jung genug bin, um einem neuen Umschwung der Dinge abzuwarten; mein bisschen Vermögen sammeln, meine Kinder nehmen und nach Athèn gehen. Gehe Du mit! dort hast Du Marmor genug und flinke Kerrls genug um ihn zu arbeiten. Dass Griechenland, das neülich in Sclavenketten seufzte, eine Freistätte werden sollte, kann wohl nicht mehr befremden als dass die Franzosen, die zwanzig Jahre lang mit Reden und Thaten von und für Aufklärung Freiheit u. Gleichkeit u.s.w. die Welt erschütterten, jetzo ihr Blut verspritzen um das Reich des Finsternisses des Despotismus und der Inquisition zu verbreiten, und somit das bisschen Gute was Sie durch so viel Lärm und Streit und Blut gewonnen hatten, selbst gründlich zu zerstöhren.

Aber ich wollte Dir von meiner Reise sprechen: – Von Siena nahm ich den Weg über Volterra wo ich Fragmente einer sehr schönen antiken Bronzevase und einige höchst merkwürdige geschnittene Steine von hetrusischer Kunst bekam. – Gehe einmal nach Volterra! Die vielen antiken Alabaster Sarcofagen mit Basreliefs, meist Griechische Mythen vorstellend, werden Dich sehr interessiren. – Du weiss dass ich in Florenz die Freude hatte mit unsrem lieben Lunzi noch einmal die schönen Sammlungen zu besuchen. Ich bekam dort Vieles zu thun weil ich besonders von der Gemmensammlung Mehreres benutzen wollte. Danke mir unseren Tenerani für die Empfehlung an Made. de Lenzoni. Diese Bekanntschaft wurde mir sehr angenehm und nützlich. Ich sah oft Ida – “meine Ida! Gott! wo habe ich den Engel her?” – ich fand sie sehr zufrieden und wohlauf; Ihre schöne Stimme hat sich in ihrer ganzen Fülle erhalten, aber im Andauer der Musik als Wissenschaft hat sie gar keine Fortschritte gemacht. – Man frug mich immer und allerwärts nach dir und ich gab ihnen Hoffnung dass Du noch diesen Summer nach Toscana kommen werdest. – Der berühmte Mahler Benvenuti will mir gar nicht schmecken und viel weniger noch der Bildhauer Ricci, dessen Denkmal für Dante scheusslich ist. Das wäre ein Gegenstand für unseren Freund Tenerani! – ich sprach davon mit Vielen, die auch einzusehen schienen dass es sich nicht ganz schickt für Dante colossale (Riccische) Figuren aufzustellen die umzukippen drohen, keine Schulter und Hüften, dagegen aber podagristischen Beine haben – In Florenz musste ich Lunzi verlassen; er gieng über Bologna und Venedig nach Zante zurück; ich nahm mit Holm den Weg nach Pisa und Livorno, hernach über Massa u. Carara und Spezzia nach Genua – In Pisa bin ich drey Tage geblieben um doch einmal den Campo Santo und den Dom einigermassen kennen zu lernen. Ganz besonders haben mich Benozzo Gozzolis Arbeiten im Campo Santo erfreut – welch eine reiche und kindliche Fantasie! Die Marmorvase mit Bacchischen Figuren die jezt im Campo Sto. aufgestellt ist, halte ich für das schönste antike Werk dieser Art das ich, ausserhalb Rom, gesehen habe. – Teneranis schönes Crucifix nimmt sich in der Stefanskirche in Pisa sehr gut aus – Zoëgas Tochter besuchte ich zwey Mal. Sie ist jezt Wittwe, der Mann, dem hr Baron S. sie vermählte, ist im dortigen Narrenhaus gestorben. Sie lebt in der grössten Dürftigkeit von einem täglichen Almosen von 2 paoli das die Regierung ihr zukommen lässt weil der Mann eine Tabaksbude, vom appalto gekauft, hatte und starb bevor die bedungene Zeit aus war. Von ihrer dote waren 1500 Scudi von Baron S. dem Manne ausbezahlt worden, welche dieser sogleich theils für alte Schulden anwandte, theils verpuzte. Sie hat oft an Br. v. S. geschrieben, aber keine Zeile von ihm zur Antwort bekommen, wiewohl er ihr, wie gewöhnlich, alles Mögliche u. Unmögliche versprochen hatte. Jezt hat sie mir eine Supplique an den König zugestellt, wofür unsere Freunde Etatsrath Jessen und Collin gewiss Sorge tragen werden. Es wollten mir fast die Thränen aus den Augen herabstürzen als ich Zoëgas Tochter in einem solchen Zustande, in dem elenden schmutzigen Zimmer sah. Von ihrem Bruder in Paris (dessen Erziehung Br. S. auch übernommen hatte) wusste sie keine bestimmte Nachricht zu geben. Er soll dort eine Frau, die eine kleine Boutique hat, geheirathet haben und selbst davon leben. So ist es wohl auch mit seiner Bildung und aller Hoffnung in dieser Rücksicht vorbey – Was doch ein seichter, leichtsinniger und gewissenloser Mensch Alles verwirren und zerstören kann!

Ein kurzer Besuch in Carara (das mit seinem eiligen Bergstrom und seinen Marmorbrüchen, einem arcadischen Städtchen sehr ähnlich sieht) machte mir viel Freude. Ich fand dort hr. Trentanove und ein paar junge Leute die ich in deinem Studium gesehen habe. Sie hatten die Güte uns über Torrano hinauf zu den ersten Marmorbrüchen zu begleiten. Es ist dort in der Carriera la Cavetta, dirimpetto al Zampone, ein ausserordentlich schöner und weisser Marmorbruch eröffnet worden, und ich sah gerade einen ganz köstlichen Blok, eben abgeschossen, der sich trefflich für deinen Christus eignen würde. Ich bitte dass Du dieses nicht übersehen mögest, denn es wird wohl nicht leicht in Carara wieder ein so herrlicher Marmorblok gefunden werden. – Der Besitzer dieser Carriere heisst Jacobo Fabricotti – In Torrano machte ich Bekanntschaft mit dem Vater des lieben Tenerani, der mich herzlich küsste als er erfuhr dass ich dein und seines Sohnes Freund bin. Der flinke, rüstige Mann erzählte mir auf der anmuthigsten Weise von dem sonderbaren Zufalle, der seinem Vater das Leben kostete und wodurch er selbst beinahe umgekommen wäre. – Wir reisten Tag u. Nacht bis Genua. Der neue Weg über das Gebüsch im Genuesischen Littorale, welchen die Stadt Genua bezahlt, (S.M. der König von Sardinien aber davon den Ruhm und das Weggeld einsteckt) ist ein köstliches Werk das dem grossen Napoleonischen Wege über den Simplon nicht viel nachgiebt. Nur eine grosse Station (die von Spezzia nach Borghetto) ist noch nicht fertig, und da wäre auch, auf dem alten höllischen Steinweg mein Wagen fast zum Teufel gegangen. – Genua hat mich überaus erfreut eine reiche und prächtige Stadt! Was hier in den Palasten schöne Rubens und Van Dyck’s sind! Das allerschönste aber was ich in Genua gesehen, ist ein grosses Bild von Rafael und Jul. Romano (das von den Franzosen nach Paris geschleppt war) in der Stephanskirke. Es stellt die Steinigung des H. Stephanns vor; es wurde von Leo dem Xten. der Stadt Genua geschenkt. Die Anschauung dieses göttlichen Bildes entschädigt allein für die, übrigens nicht grosse Mühe einer Reise nach Genua. – In der Kirche des prächtigen Albergo dei poveri in Genua ist ein ausserordentlich schönes Medaillon von Michel-Angelo: eine Mater dolorosa die den Kopf des todten Christus mit der Hand unterstüzt und selbst von Schmerz ohnmächtig zu werden scheint. Der Ausdruck der zwey Köpfe und die Ausarbeitung der Hände der Madonna bilden das Vollendetste was ich bis izt von des grossen Mannes Arbeiten in Marmor gesehen habe. – Was den jezigen Zustand von Genua betrift – ja, mein Gott, da wäre Viel zu sagen – die schöne, reiche, durch Unternehmungsgeist und frühere Thaten berühmte Stadt wurdig, wie Du weiss, von der Englischen Regierung an die Piemontesische verkauft und verrathen, und dass man jezt hier mit den Sardinischen bewaffneten Freunden beinahe eben so zufrieden ist wie in Mailand mit den Österreichischen, versteht sich von selbst. Nach dem lezten misslungenen Versuche das Joch abzuschütteln, ward die Universität (eine glorieuse Einrichtung, die jedem edlen Genueser lieb und theuer war, weil sie so viele der besten und verdientesten Patrioten gebildet hatte) gänzlich abgeschafft und das prachtvolle Gebäude in – eine Caserne verwandelt. –

Die sehr gute Sängerinn Madame Liparini, Freundin und Schülerin von Rossini (ein Verhältniss wodurch ihr Talent, wie es scheint, mehr als ihre Tugend gewonnen hat) war auf dem Genueser Theater, und ich hörte sie oft. Es traf sich dass Sie und ihre Societät gerade denselben Tag aufbrachen als wir, auf demselben Wege, über Tortona nach Mailand gingen. Wir kamen unversehends in die lange Caravane hinein (wenigstens 8 grosse Wagen) welche die Theaterköniginn selbst und ihr ganzes zwey- und vier-beiniges Personal mit Tenoristen, Bassisten, Poeten, Papagayen Katzen und Hunden u.s.w. fortschaffte. An einem ungeheuren Tross-wagen, den sechs Pferde schleppten, zerbrach ein Rad bey Tortona, und es stürzten sogleich allerley Kronen u. Scepter, Königsmantel, Altäre und Priesterbärte hervor. Da die lockere und höchst zuvorkommende Gesellschaft immer, zwey Tage lang, mit uns zusammentrafen, so hatte ich alle erwünschte Gelegenheit einen Theil von Vilhelm Meisters Lehrjahren mit zu machen. – In Tortona ging das Österreichische Militairwesen ernsthaft los und in Mailand sah ich es à son comble. Mein Gott! so bald es finster wird beziehen ein tausend bis 1200 österreichische Grenadiere ihre Stationen in den Strassen von Mailand, und man kann in der ganzen grossen Stadt keine 30 Schritte thun dass man nicht auf so einen bajonettirten Streitknecht stösst. Man sagt dass diese Verfügung wegen allerley Mordthaten und Diebstähle in der lezten Zeit nothwendig geworden. Vielleicht wahr, vielleicht auch nicht. So viel ist gewiss dass die Mailänder mit ihren österreichischen Vertheidigern (gegen allerley Diebe und Mörder), etwa so zufrieden sind, wie der Crocodil, nach Herodots Erzählung, mit den vielen Igeln und Saugwurmern die das grosse Thier von seinen Gaumen und Maulbacken selbst nicht wegschaffen kann. Wir blieben eilf Tage im schönen und lustigen Mailand und ich konnte vier Stunden täglich in den herrlichen Sammlungen vom Palast Brera zubringen. Schönere Bilder von Gaudenzio da Ferrara, von Luini und andern Schülern Tizians sind wohl nicht anderswo zu finden – Du kennst gewiss das liebliche Jugendwerk von Rafael (jezt in der Gallerie vom Brera-palast) das die Trauung der h. Jungfrau mit St. Joseph vorstellt. Der Kupferstich von Longi ist sehr schön aber höllisch theuer; ich konnte es nicht kaufen, denn 15 Louisd’or war mir zu viel Geld. Ich zweifle sehr dass der siebzehnjährige Rafael selbst für das ganze Bild Mehr von den Nonnen, für die er es mahlte, bekommen hat, als Longi jezt für ein einziges Exemplar des Kupferstichs nimmt. – Der leider zu früh verstorbene Appiani verdient dein Grazienbasrelief auf seinem Grabe. Er war ein braver Künstler und so ist es auch jezt sein Nachfolger Palagi, dessen Studium mich sehr erbaut hat. Von Sculptur habe ich in Mailand nichts gutes gesehen, denn von den 4000 Statuen des herrlichen Doms thut man wohl besser schweigen – Wir gingen von Mailand nach Como. Der See von Como ist ein wahrer Kuss des Himmels gedrückt auf den Busen der Erde ach wie schön! wir brachten dort einen höchst angenehmen Tag mit dem Grafen Sommariva zu. Ich kann viele von den Kunstwerken die er in seiner prächtigen villa am See aufgestellt hat, nicht sehr loben, aber das Local welches dein Alexander mit Gefolge einst beziehen wird, ist sehr schön. Etwas mehr Licht muss für den mittleren Theil des Fries herbeigeschafft werden, was aber, nach der Einrichtung des Gebäudes nicht schwer seyn wird. – Der gute Sommariva hofft Dich dort noch diesen Summer zu sehn. – thue es ja, wenn irgend möglich! Du wirst eine Freude am Comosee haben! – Wir gingen von dort über Lago Maggiore und die lieblichen Borromeischen Inseln nach Domo d’Ossola; ich bestieg von dort bis zum Simplon-dorf zu Fuss den hehren Berg, wo uns auf der Höhe, aber nachdem wir schon zur Nacht ein freundliches Obdach gefunden hatten, ein furchtbares Gewitter mit Sturm und Schnee und Hagel empfing – das war ein Gekrach! es war als wenn die Felsen bersten und in Flammen aufgehen wollten – Den nachstag Morgen hatte die ganze umgebende Natur sich in ihren weissen Mantel gehüllt und wir mussten über weite Schneefelder die noch übrige Höhe besteigen. Es kam mir ganz sonderbar vor so die 16te. Julius und zwar noch in Italien plötzlich in den strengsten Winter hinein versezt zu werden. Den Berg auf der anderen Seite bis Brieg hinabgestiegen empfing uns, im schönen Rhone-thal, der Summer wieder.

Ich bin nun fast des Schmierens müde und bitte für dieses Mal nur noch deine Gesundheit ja zu pflegen, lieber theurer Thorvaldsen, und unsere lieben Freunde – alle, alle! – herzlich zu grüssen namentlich vergiss mir nicht das Riepen-gebrüderpaar, Stackelberg, Linckh, Reinhart, und Catel, auch meinen lieben Giovannini, den Musikmeister wenn Du ihn sehen solltest. Ich habe von der Zeichnung bey Reinhart vorgestern an Freund geschrieben (denn ich bin erst heute den 29 July dazu gekommen diesen Brief an Dich zu schliessen) – interessire Dich ja dafür dass der vortreffliche Reinhart mich ja nicht mit der Platte, die mir durchaus bald nothwendig wird, stecken lässt. Lege Du das Geld, wenn nöthig, aus; ich werde es Dir hernach in sicherer Anweisung senden, und so auch die 30 Scudi für Lunzi, an unsere lieben Riepenhausen, wovon ich an Freund schrieb. Vergiss mir auch nicht Tenerani herzlich zu grüssen – ich wollte dass ich bald wieder bey euch wäre! ich habe von meiner theuren Mutter hier Brief gehabt – Sie hat, Gottlob, nichts dagegen dass ich meine Reise nach Frankreich jezt fortseze –

Wenn Du bey der Altezza in Via della Croce bist, so vergiss auch nicht ihm und seiner Constanzina meinen Respect zu vermelden. Sage ihm dass man in Florenz sie mit Sehnsucht erwartet.

Der alte v: Bonstetten der noch hier wohlauf und sehr gesprächig ist, spricht jeden Tag von Dir und bittet mich sehr zu grüssen – Der geistvolle Grieche Gr[af]: Capo d’Istria lebt hier in der Nähe aber sehr zurückgezogen. Eins muss ich Euch doch noch erzählen: vielleicht werdet Ihr bald einen neuen Kaiser (aber, leider, einen dethronisirten) in Rom sehen. Ich habe heute einen sehr interessanten Brief, vom 8 Mai aus Mexico an einen hiesigen Optimaten gelesen worin die ganze Geschichte erzählt wird wie Iturbido den Kaiser von den republicanisch Gesinnten geschlagen und von seinen eigenen Truppen verlassen, endlich diesen Frühling hat abdanken müssen mit Bedingung sich alsbald einzuschiffen um nach Italien zu gehn, wo man ihm, wenn er sich ruhig und ohne Intriguen gegen die neu gebildete Republik Columbia verhällt, ein Gehalt von 25000 Spanischen Thalern jährlich geniessen lässt – Mein Gott! was ist das mit dem neuen Fall Sr. Heiligkeit?

Grüsse mir ja auch die guten Butis, Hrn. Begass und die Übrigen im Hause – Wenn Freund mir einen Brief schickt so musst Du zwei Worte hineinschreiben –

Addio, mille volte addio – Dein getreuer B-.

General Comment

Brøndsteds koncept til brevet findes på Håndskriftafdelingen, Det Kongelige Bibliotek, NKS 1578 2o II.

Archival Reference
m8 1823, nr. 66
Persons
Karl Viktor von Bonstetten · Franz Ludwig Catel
Last updated 15.10.2020 Print