Wissenschaftliche und Kunstnachrichten.
(Auszug aus einem Schreiben aus Rom vom 23. April 1819.)
Seit Rom dem friedlichen Fortschreiten der Kunst weitergegeben ist, hat sich die Anzahl der teutschen Künstler daselbst sehe vermehrt. Die Anwesenheit Sr. Majestät des Kaisers von Österreich gab die Veranlassung, für die mannigfaltigen Hervorbringungen dieser aufftrebenden Talente einen gemeinschaftlichen Vereinigungspunct zu bilden, indem alle teutschen Künstler zusammentraten, um zu Ehren des Kaisers eine allgemeine teutsche Kunstausstellung zu Stande zu bringen. Das Local dazu ist im Palaste Caffarelli auf dem Capitol – einem Gebäude, welches ehedessen Kaiser Carl V. während seiner Anwesenheit zu Rom bewohnt hat – auf Veranlassung der königl. preussischen Gesandschaft sehr zweckmäβig eingerichtet worden. Die Gemählde und andern Kunstwerke wurden schon seit dem Anfange dieses Monats ausgestellt und geordnet; für das Publicum aber ist die Sammlung eerst jetzt geöffnet worden, seitdem JJ. MM. Der Kaiser und die Kaiserinn die selbe mit ihrem Besuche beehrten, welches am 16. d.M. geschah. Der kaiserl. österr. Botschafter, Fürst v. Kaunitz DurchL., und der königl. preuβ. Gesandte v. Niebuhr begleiteten JJ. MM. Allerhöchstdieselben verweilten beinahe anderthalb Stunden in den Sälen, betrachteten alle irgend bemerkenswerthen Stücke mit vieler Aufmerksamkeit und Theilnahme, und unterhielten Sich auf das Herablassendste mit mehreren der anwesenden Künstler, unter denen sich auch verschiedene Österreicher aus den teutschen Erbstaaten befanden.
Es waren auf dieser Ausstellung die Werke von 47 teutschen Künstlern zu sehen, denen sich noch 14 andere aus der teutschen Schweiz, den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Ruβland angeschlossen hatten, nebst einem Italiener (Peter Tenerani) aus dem österreichischen Italien, Schüler von Thorwaldsen.
Die Namen der teutschen Künstler sind folgende: Carl Barth, Kupferstecher und Mahler, aus Hildburgschauen; Franz Catel, Mahler, aus Berlin; Peter Cornelius, Mahler, aus Düsseldorf; Johann Friedrich Dietrich, Mahler, aus Würtemberg; Ludwig Döll, Mahler, aus Gotha; Conrad Eberhard, Bildhauer und Mahler, aus Baiern; Carl Johann Eggers, Mahler aus Neu-Strelitz; Johann Faber, Mahler aus Hamburg; Carl Fohr, Mahler aus Heidelberg (gestorben in Rom im Jahre 1818); Friedrich Gmelin, Kupferstecher, aus dem Badenschen; Johann Friedrich Helmsdorf, Mahler aus Magdeburg; Johann Haller, Bildhauer, aus Baiern; Carl Hermann, Mahler, aus Oppeln i Schlesien; Hopfgarten und Jollage, Bronze-Gieβer, aus Berlin; Joseph Koch, Mahler, aus Tyrol; Ernst Langenmayer, Mahler, aus Schlesien; Johann Leeb, Bildhauer aus Memmingen; Heinrich Lengrich, Mahler, aus Stettin; Ludwig Lund, Mahler, aus Kiel; Friedrich Müller, Mahler, aus Kreuznach; Friedrich Olivier, Mahler, aus Dessau; Friedrich Overbeck, Mahler aus Lübeck; Anton Rambour, Mahler aus Trier; Joseph Nebell, Mahler aus Wien; Theodor Rebenitz, Mahler, aus dem Holstein’schen; Friedr. Rehberg, Mahler aus Hannover; Friedrich Reinhard, Mahler aus Baireuth; Gebrüder Riepenhausen, Mahler, aus Göttingen; Peter Rittig, Mahler aus Coblenz; Johann Martin von Rhoden, Mahler, aus Kassel; Samuel Rösel, Mahler aus Breslau, Ferdinand Kuschweih, Kupferstecker, aus dem Mecklenburgischen; Rudolf Schadow, Mahler aus Berlin; Luise Seidler, Mahlerinn aus Jena; Adolp Senff, Mahler, aus Halle; Johann Stiegelmayer, Mahler, aus Berlin; Carl Vogel, Mahler aus Wildenfels in Sachsen; Wilhelm Wach, Mahler, aus Berlin; und Joh. Julius Walkhoff, Mahler aus dessau. – Dazu kommen noch aus der teutschen Schweiz; Samuel Amsler, Kupferstecher, aus Schinznuch im kanton Zürich; Joseph Caspar, Mahler von St. Gallen; und Caspar Schinz, Mahler aus Zürich; aus den Niederlanden: Peter Hanselaare Mahler; und C. Spruyt, Mahler aus Brüssel; aus Dänemark: der Ritter Albert Thorwaldsen, Bildhauer aus Copenhagen; aus Schweden: Nicolaus Byström, Bildhauer, aus Stockholm; aus den teutschen Provinzendes russichen Reiches: Eduard Bienemann, Mahler, aus Kurland; Ernst Bosse, Mahler, aus Liefland; Johann Eggink, Mahler aus Kurland; Otto Ignatius, Mahler, aus Reval; Eduard von Launitz, Bildhauer (Schüler von Thorwaldsen), aus Kurland; und Otto Freiherr v. Stackelberg, Mahler aus Esthland; aus dem eigentlichen Ruβland: Orest Kyprensky, Mahler aus Ingermannland; aus Italien Peter Tenerani, Bildhauer, aus Massa (Schüler von Thorwaldsen),
Die Zahl der aufgestellten Kunstwerke beläuft sich nach dem gedruckten Katalog auf 156, oder vielmehr da einige Nummern mehrere Artikel umfassen, auf 178, zu denen späterhin noch einige nicht im Katalog befindliche hinzugekommen sind. Unter dieser Anzahl waren achtzehn Nummern von Werken der Sculptur befindlich; einige sechzig Nummern enthalten die groβen Cartons, an denen diese Sammlung einen besondern Reichtum darbot, Zeichnungen, Skizzen und Kupferliche; in Bronze war nur eine, aber sehr ausgezeichnete Arbeit vorhanden; alle andern Nummern umfassen die gröβeren und kleineren Öhlgemählde, historische Portraits und Landschaften.
Wenn der neue Aufführung, welchen die Bildhauerkunst seit Canova und Thorwaldsen genommen hat, überhaupt unter die erfreulichsten Erscheinungen der neuesten Kunstepoche gehört; so bot auch die gegenwärtige teutsche Ausstellung mehrere vorzüglich gelungene Werke der Sculptur dar. Wir nennen hier vor allen andern die beiden Statuen von Rudolph Schadow, die Spinnerin, und das Mädchen, welches sich die Sandalen anbindet! Beide Figuren sind ganz Natur und Leben, in einsachem und edlen Styl, der Wahrheit getreu, und voll kindlicher Anmuth. In Schallers Amor wird der edle Styl und die kräftige Behandlung des Marmors sehr geschätzt, und auch Teneranis liebliche Psyche findet den verdienten Beifall. Thorwaldsen’s Grazien sind leider zur Ausstellung nicht fertig geworden; Eberhards Basrelief, die Abnahme vom Kreuze vorstellend, wünschte man nur in Marmor ausgeführt zu sehen.
Bei manchen der historischen Gemählde, besonders denen, die biblische Gegenstände darstellen, bemerkte das Publicum eine gewisse einseitige Nachahmung der altenschen oder älteren italienischen Mahler, so wie auch in einigen Landschaften eine zu steife und harte Manier. Es muβ jedoch bemerkt werden, dass dieser Vorwurf bei weitem nicht alle Künstler trifft, daβ viele der ausgezeichneten Werke ganz davon frei sind, und er auf eine Menge von andern gar nicht anwendbar ist, und daβ bei dem ernsten Streben, welches die neuern teutschen Künstler überhaupt charakterisirt, zugleich auch eine groβe Mannigfaltigkeit in der Weise und Richtung der verschiedenen Künstler ganz unverkennbar ist. Unter den gröβern Öhlgemählden verdient das Bildniβ von Thorwaldsen und der beiden Brüder Schadow, von Wilhelm Schadow ausgeführt, als ein wahrhaft historisches Porträt, das gröβte Lob. Die Religion, von Philipp Veit, fand durch die gelungene Ausführung vielen Beifall. Die Velletranerin von Wach ist ein reizendes Charakterbild in der besonders mahlerischen Nationaltracht der Werber jener Gegend; seine Vision des Ezechiel nach Rafael wurde unter den Copieen für eine der gelungensten gehalten. Unter den kleineren Öhlgemählden ist die Flucht nach Ägypten von Overbeck durch die liebevolle Innigkeit ausgezeichnet, die diesem Künstler eigen ist. Zwei Köpfe, der Mutter Gottes und des Erzengels Michael von Eggers, verdienen vorzüglich Lob durch die vollendete Ausführung harmonische Weichheit. Ein kleines Heiligenbild von Johann Veit empfielht sich durch die schön ausgeführten Köpfe und das warme Colorit. Nebells effectvolle Landschaft von Tivoli und Catels lebendiges Bild von der Chiaja zu Neapel fanden vielen Beifall. Stackelsbergs eigenthümliche Zeichnungen von griechischen Landschaften sind von anerkanntem Interesse.
Unter den dieβmaligen Landschaften von Koch schien die von Josua, wo die Kundschafter die Trauben aus dem gelobten Lande bringen, die vorzüglichste. Unter den zahlreichen groβen Cartons zeichnen sich die von Cornelius aus dem Dante durch den genialische Kraft aus, wie alle Hervorbringungen desselben Meisters. Unter denen von Overbeck würden wir der zu den Alfresco’s aus Taffo bestimmten Figur des befreiten Jerusalem den Preis zuerkennen. Die groβen Cartons von Overbeck, Cornelius und Philipp Veit aus der Geschichte Josephs, welche in der Wohnung des preuβischen Rezidenken Hrn. V. Bartholdi Alfresco ausgeführt wurden, erregten um so mehr die Aufmerksamkeit, da diese denkwürdige gemeinschaftliche Composition auch in Teutschland nicht unbekannt geblieben ist.
Unter den hiesigen teutschen Kupferstechern ist Amster vorzüglich geschätzt; der verdienstlichen Arbeiten von Barth, Gmelin nicht zu erwähnen.
Der Triumphbogen des Constantia, in Bronze treu nachgebildet, erfüllte alle Forderungen, die man an eine solche Arbeit zu machen berechtiget ist.
Se. Durchl. der Fürst v. Metternich haben dieser Kunstsammlung der in Rom vereinigten teutschen Talente eine ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Dieser Fürst ist gegenwärtig damit beschäftigt, der Academie, welche, als die höhere Bildungs-Anstalt der k.k. Academien von Wien, Mailand und Venedig in dem kaiserl. Palazzo die Venezia besteht, eine neue Gestalt zu geben, durch welche sie in kurzer Zeit dem Kaiserstaate manche Vorteile leisten wird, welche sie in kurzer Zeit dem Kaiserstaate manche Vortheile leisten wird, welche die französische in Rom bestehende Academie bekannter Maaβen bereits darbietet. Die innere Einrichtung der k.k. Academie in Rom soll jedoch, dem Vernehmen nach, in mancher Rücksicht von der französischen abweichen, und diese Academie weniger als eigene Schule behandelt werden.
Se. Majestät der Kaiser von Österreich haben auch mehrere Ateliers der ausgezeichnesten teutschen, so wie auch der berühmtesten italienischen und französischen Künstler besucht. Die Anwesenheit so vieler erlauchten und hohen Fremden verbreitet im Gebiete der Kunst neues Leben, und wird die Vollendung manches bedeutenden Werkes veranlassen oder erleichtern.