Berlin den 1 Juli 1816
Verehrungswürdigster Herr und Freund!
Ich ergreife die herrliche Gelegenheit die sich mir darbietet, nach langer Zeit einmahl wieder mein Andenken bey Ihnen durch unsern gemeinsamen, edeln Freund und Künstler Rauch, auf den sein Vaterland mit Liebe und Stolz blickt, zu erneuern Mächten Sie mit freundlicher Gesinnung sich meiner erinnern, dann würde dieß auch in der Ferne von Ihnen mir ein beglückender Gefühl gewähren, denn ich bin Ihnen mit ganzer Seele zugethan; und wenn es mir auch noch nicht wieder vergönnt ist, Sie in der heiligen Roma auf zu suchen, so erquicke ich meine Gegenwart durch die seeligen Erinnerungen einer in Ihrem erhabenden Umgange genossenen Vergangenheit. Ja es umgaukelt mich immer die tröstende Hoffnung Sie in dem Mittelpuncte des Kunstlebens, in der herrlichen Weltstadt noch einmahl wieder zu umarmen; und wäre es auch nur um Ihre alten Kunstschöpfungen von neuem zu betrachten und Ihre neuen die ich noch nicht gesehen zu bewundern! Schon dieser Gedanke allein wackt eine gewaltige Sehnsucht in mir auf, und welchen Genuß welche Stärkungen verdanke ich nicht den Erinnerungen an Ihr an Jason, Mars, Adonis, an Ihren zürnenden Achilles an den Taufstein, und an so manches andern was ich mir recht oft beym Durchblättern der Kupferstichen im ersten Theile Ihrer Werke vergegenwärtigt habe. Ist auch der zweyte Theil beendigt und wie würde es möglich seyn für einen fernen Sehnsüchtigen im Kunstarmen Deutschen Lande zu dessen Besitz zu gelangen ?
Doch wir haben ja nun die Hoffnung bald ein Werk von Ihrer eignen Hand zu erhalten! Ich bin Ihnen den schönsten Dank für die Nachricht von seinem Gedeihen und für die Abdrücke schuldig; zwar bin ich selbst noch nicht so glücklich gewesen sie zu sehen, denn sie sind sogleich an den Ort ihrer Bestimmung nach Frankfurt die Mutter gekommen. Sie werden aber die befriedigenden Nachrichten und Antworten auf Ihre Anfragen von Frau Bethmann Hollweg selbst erhalten haben, die sich nun nach der Ankunft des Kunstwerkes sehnt, so wie alle die Freunde und Freundinnen dort, die sie so verehren und lieben. Auch ich freue mich gar sehr, daß das Denkmal in die Mitte unseres Deutschen Vaterlandes kommt; und Frankfurt wird stolz darauf seyn ein Werk zu besitzen daß Sie mit Liebe erzeugt und gepflegt haben.
Ich weiß nicht ob Ihnen damit gedient seyn kann neue Aufträge für Ihren Meißel zu erhalten, aber ich hoffe es daß gerade an diesem Orte, dem Versammlungsplatze so vieler Menschen dadurch auch manchen Durch ein solches Marmorwerk die Sehnsucht nach Ihren Göttergestalten geboren werde und Lust sie herauszulocken aus dem Pantheon Ihrer Werkstatt und hinzustellen zur Augenweide und Seelenerhebung für Mitwelt und Nachwelt. O seeliger Mann, wie sollte es mich freuen recht bald zu wissen daß Sie auch ein glücklicher unter den Sterblichen sind. Ich habe lange nichts von Ihnen persönlichen gehört; als wir zusammen an dem Tiberstrom, um Ostia, auf den Höhen von Frascati, am Palatinus lustwandelten, da war manche Volke die unsre Aussicht in die Ferne laubte. Möchten alle diese für Sie verschwunden und Ihr Lebenshimmel so schön und rein wie der italische seyn.
Ich höre daß Sie gegenwärtig die Restauration der Fechtergruppe aus Aegina leiten; und daß diese die größte Aufmerksamkeit aller Kunstfreunde erragt, weil sie in ein ganz neues Gebiet der Kunst einführt.
Einige Männer die von hier aus nach Rom gehen hoffen sie noch im Herbste dort zu finden. Ich nehme mir die Freiheit Ihnen den einen, meinen edeln Freund Doctor Brandis aus Kopenhagen zu empfehlen der als Legationssecretair mit dem Preussischen Gesandten dem Staatsrath Niebuhr nach Rom geht. Beyde gehören wohl zu den treflichsten kenntnißreichsten Männern in der Welt des Alterthums und vereinen damit den edelsten Sinn für das Gute und Schöne.
Von unsern Frankfurter Freunden weiß ich Ihnen nur zu sagen daß Frau Stedel und Frau Willemer beyde mit den ihrigen gesund und wohl sind. Mein junger Freund Bethmann Hollweg, der Bruder des verstorbenen um den Sie sich so verdient machen, lebt gegenwärtig hier in Berlin um seine Studien zu beendigen; er hat sich auf das schönste entwickelt, auch im Beziehung auf die Kunst, und er wird gewiß so bald es ihm möglich ist sich wieder einmal in Rom und bey Ihnen einfinden. Ich möchte zum voraus sagen daß Sie ihre Freude an seinem Kunstsinn haben würden, weil Sie das tiefe und sinnvolle einfache lieben.
Seitdem wir uns nicht gesehen haben hat sich die ganze Welt verändert; es ist daher unmöglich irgendwo im politischen wieder etwas an das Vorige in unsrer Unterhaltung anzuknüpfen. So viel ist gewiß daß es im Ganzen besser bey uns geworden ist, aber noch stehen wir in der Mitte einer Krisis, und nirgends in unserm Vaterlande hat sich noch etwas in Ruhe gestaltet. Alle Verhältnisse waren zu sehr aus den Angeln des Gewöhnlichen gerissen, als, daß sich irgendwo etwas schnell wieder einrichten ließe. Und wie es in Rom das Volk in Satiren ausspricht was ihm nicht gefällt so erscheinen bey uns fast nichts als Streitschriften. Wohl dem Künstler der immer in seiner eignen Welt fort und fort walten kann! Mit der innigsten Anhänglichkeit und Verehrung grüßt Sie mein Freund, und ich fühle mich glücklich mich nennen zu dürfen Ihren Sie hochverehrenden Freund. Carl Ritter gegenwärtig in Berlin – (meine Addresse bleibt Frankfurt a. Main bey Gebrüder Bethmann).
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Meine Empfehlung an die Gebrüder Riepenhausen und unser Freunde.