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Arbeiten in Thorwaldsens Studium.
Die Studien der Bildhauer haben vor denen der Maler einen großen Vorzug dadurch, daß sie meistens einen Ueberblick über alles liefern, was der Künstler geleistet hat, denn wie sehr auch die Gypsabgüsse und Modelle hinter den ausgeführten Marmorarbeiten zurückstehen mögen, so geben sie doch einen richtigeren Begriff als Kartons und Skitzen von Gemälden. Wenn man in ein Studium wie das von Thorwaldsen tritt, und diese Masse von Statuen und Basreliefs erblickt, so kann man sich des Erstaunens nicht erwehren, daß eines Mannes Geist und Thätigkeit hinreichte, so viel hervorzubringen. Aber das Erstaunen wird noch gesteigert, wenn man hört, daß er eines feiner vorzüglichsten Werke, den Zug des Alexanders, in einem Zeiträume von drey Monaten vollendete. Nur durch diese außerordentliche Leichtigkeit und durch einen unbegreiflichen Fleiß, haben eine Menge von Arbeiten zu Stande kommen können. Wir geben eine kleine Uebersicht derselben, von den neuesten anfangend.
Das große Werk, das jezt in Marmor ausgeführt wird, ist das nach St. Peter bestimmte Denkmal Pius des Siebenten. Dazu gehören drey kolossale Figuren, an welchen zwey bis drey Arbeiter zugleich beschäftiget sind, und die nächstens so weit vorgerückt seyn werden, daß der Künstler selbst wird Hand anlegen können. Wie ähnlich in Stellung und Miene die Statue des Pabstes sey, der sitzend gebildet ist, wie er den Segen ertheilt, wie ausdrucksvoll und schön modellirt das Gesicht, und wie eigenthümlich die ganze Haltung, wie grandios der Faltenwurf, darüber gibt es nur eine Stimme. Die beyden Statuen der Weisheit und der Stärke geben a[n] Styl und Schönheit der Hauptfigur nichts nach. Die erste schaut sinnend in ein Buch und ist mit einem besonders schön geworfenen Gewande bekleidet, die andere, in eine Löwenhaut gehüllt, schaut nur gekreuzten Armen gen Himmel.
Die zweyte große Marmorarbeit ist der schon erwähnte Fries, den der verstorbene Graf Sommariva bestellt hatte, um eine Villa am Comersee damit zu verzieren. An demselben sind einige Veränderungen angebracht worden. Die Figur des Alexanders hat eine andere und viel glücklichere Stellung, so wie der Wagen, auf welchem er steht, eine richtige griechische Form erhalten. Ferner sind einige sehr schöne Reitergruppen und Pferde hinzugefügt worden, da eine größere Länge erforderlich war, so wie auch die Figuren des Grafen, seines Sohnes und des Künstlers selbst.
Von dem Denkmal des Herzogs von Leuchtenberg hat Thorwaldsen nur die Figur des Herzogs selbst übernommen; das übrige dazu Gehörige wird von Tenerani verfertiget. Auch diese Figur ist schon sehr weit vorgerückt.
Ein, mit einem langen Gewande bekleideter stehender Engel, der eine Muschel zu Weihwasser in beyden Händen trägt, gehört zu den lieblichsten Figuren, die Thorwaldsen gebildet hat, ein Beweis, daß er in christlichen Darstellungen eben so sehr Meister ist, als in heroischen.
Dasselbe Motiv hat er noch einmal wiederholt, mit der Abänderung, daß der Engel kniet.
A.