[...]
In Thorwaldsens Werkstätte, worin, ich wegen der vielen Werke voll Ruhe, natürlicher Grazie oder ernster Haltung und strenger Zeichnung, immer Mit Vergnügen mich umsehe, wurde es mir dießmal recht deutlich, wiesehr dieser antik-einfache Künstler bey einem strengen Studium der Natur sich die idealische Richtung der antiken Ansichten zu eigen gemacht hat, und darin immer noch bedeutende Fortschritte macht. Diesmal hatte mich nach langem Ausbleiben die Nachricht hingelockt, daß er das Modell der Statue des verstorbenen Grafen Potocky vollendet habe, welche seine Gemalin für eins Kirche zu Cracau bestellt hat. Ich durchwanderte ein Paar Säle und kam vor eine mir noch unbekannte Statue zu stehen, die mir einen jungen griechischen Helden anzuzeigen schien: eine jugendliche fast nackte Gestalte in der Fülle der Kraft, nur auf der linken Schulter und um die Hüften mit einem leichten, durch einen Gürtel befestigten Gewände, einer Art Tunica umhüllt; der Mantel bedeckt einen Theil des Rückens; das Schwert hält er in der Linken, die Rechte stüzt er in die Hüfte, das Gewand mit fassend; der Kopf ist nach der Seite gedreht, ernst und männlich; zu seinen Füßen liegt ein griechischer Helm und Harnisch , von der Form wie sie die Statuen von Aegina haben. Diese überaus schöne Heldengestalt fesselte mich jedoch mir so lange, als mein Verlangen, des Grafen Denkmal zu sehen, dieses zuließ, und ich ging einen Bekannten zu ersuchen, es mir zu zeigen; er führte mich aber zu der beschriebenen schönen Statue zurück, die ich in meiner Unbefangenheit für einen griechischen Helden halten mußte, und um so weniger, trotz einem Anflug slavischer Gesichtsbildung, für den Grafen Potocky hielt, als ich mit dem Gedanken hinkam, ein Grabmonument für denselben, welches in die Kirche zu Cracau kommen soll, zu finden. Noch niemals ist es mir so aufgefallen, wie wenig es dem Gegenstände entsprechend ist, unsere Helden in griechischem oder römischem Costüm darzustellen, als gerade dießmal, wo Thorwaldsen bey diesem an und für sich ausgezeichnet vortrefflichen Werke auf eine eminente Weise darthut, wie sehr er in die antike Darstellungsmeise der Heldengestalten eingedrungen, denn außer dem Hinten am Harnisch angebrachten russischen Adler, ist auch nicht im geringsten etwas modernes zu erblicken. Anders aber dürfte es sich verhalten, wenn von den antiken Ansichten der Kunst im Allgemeinen die Rede ist und insbesondere von denen, welchen die Alten bey Bildnißstatuen folgten,. Die Heroen des griechischen Alterthums, welche meist nackt oder doch wenig bekleidet von den Griechen sind vorgestellt worden, gehören wohl nicht hieher, wenn gleich ein gewisser Typus von Porträten dabey befolgt scheint. Daß Porträt-Statuen der Sieger in den griechischen Spielen nackt, wie sie dort auftraten, vorgestellt wurden, ist bekannt; sonst aber wüßte ich keine Beyspiele, daß Bildnißstatuen nackt oder halbnackt nach Art der Götter und Heroen von den Alten wären vorgestellt worden, (?) es sey denn, daß zu den Kaiserzeiten ihnen göttliche Verehrung, hat sollen erwiesen werden. Die Statue des Demosthenes in Paris und noch eine schönere, stehende bey Camuccini , die zwey Statuen der griechischen Dichter im Museum, des Veticans und daselbst so viele andere von römischen Kaisern, Priestern, Senatoren und Privatpersonen, zeigen alle, daß die Alten bey Bildnißstatuen mit möglichster Strenge sich an das Costüm ihrer Zeiten hielten und es als etwas wesentlich zum Porträt Gehöriges betrachteten ; keineswegs aber ließen sie sich von der wohl nur modernen Ansicht beherrschen, als sey die Schönheit der Formen, und also das Nackte des menschlichen Körpers, die erste und höchste Bedingung bey allen Werken, welche Anspruch machen wollen, vollkommen kunstgemäß zu seyn. Es ist freylich begreiflich, wie der geschmacklose Zuschnitt unserer modernen Männerkleidung, deren Erfindung unsere Vorfahren wohl in einem Narrenhaus könnten entstanden glauben, viele moderne Künstler in Verlegenheit sezt; und wie diese, bey ihrem ausschließlichen Studium der antiken Werke, sind bewogen worden, ihre Zeitgenossen als alte Griechen und Römer vorzustellen; doch beschränkte man sich, so viel ich weiß, bis jezt auf die römische Kriegsrüstung und bey Büsten auf die Toga; in ersterer hat noch kürzlich Canova den Waldington und zwar in einer sehr affectirten sitzenden Stellung für die Nordamerikanischen Freystaaten ausgeführt ; eben so in kolossaler Größe den König von Neapel. Freilich hat er auch den Napoleon nach Art der vergötterten römischen Kaiser ganz nackt in kolossaler Größe vorgestellt. Sonst aber wüßte ich nicht, daß in unseren Zeiten eine Bildnißstatue als griechischer Heros aufgetreten wäre und in Paris, wo ein französischer Künstler den General Dessair so in Erz als Zierde auf einem Platz ausstellte, hielt es doch die französische Regierung für schicklich, ihn wieder wegnehmen und eine andere Statue dieses für sein Vaterland gefallenen Helden machen zu lassen. Bey der Statue des Polnischen Grafen Potocky tritt nun noch der Umstand ein, daß dessen Landestracht zu einer kunstmäßigen Bearbeitung sehr vortheilhaft ist; nur das Nackte muß man etwas ausopfern,. was dann in solchen Fällen auch stets die Alten thaten. Wenn aber sonst die Bildnißstatue eines Mannes unserer Zeit gemacht werden soll, so glaube ich, daß man weit besser thut, da diejetzige Kleidung einmal ganz unkünstlerisch ist, die Trachten und Rüstungen unserer Vorfahren zu studieren und ein jedes Porträt in seinem nationellen Gewände erscheinen zulassen , so daß man den Deutschen als Deutschen und so einen jeden in seiner Nationalität erkenne. Dieses ist aber ein Studium, was bey der fast unbegreiflichen Nichtachtung unserer vortrefflichen alten Werke der Sculptur, den meisten jetzigen Bildhauern ganz fremd zu seyn scheint.
Von Thorwaldsens Christus nebst den Statuen den zwölf Apostel, welche er in kolossaler Größe für die Hauptkirche zu Kopenhagen verfertigen soll und wovon er zum Theil schon kleinere Modelle gemacht hat, werden wir ein andermal zu reden Gelegenheit finden, wenn eine so schwierige und bedeutende Aufgabe erst etwas weiter vorgerückt ist und deutlicher zeigt, in wie weit sie unserm Künstlev zu lösen gelungen sey.
[...]