Betrachtungen über die Aus-
stellung in Dresden, im August und
September 1825.
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Doch wenden wir uns nun zu Thorwaldsen’s Portrait, welches Prof. Vogel gemalt hat und Hr. v. Krause besitzt, dem wir für den Genuß, welchen die Aufstellung dieses Bildes gewährt, zu Danken haben. Es ist schwierig dieses Bild zu schildern, ohne bei denen, die es nicht gesehen haben, den Verdacht zu erregen, daß der Beschreiber nicht das Lob übertreibe, denn in der That verdient dieses Bild das allerhöchste Lob. Die Bild ist so ganz Wahrheit, daß wir darüber die künstlerischen Vollkommenheiten vergessen und einen lebenden Gegenstand vor und zu sehen glauben. Und doch ist hier nicht auf gemeine, sich im Bilde immer wieder aufhebende Täuschung hingearbeitet, sondern auf eine Darstellung, welche dadurch höhere Wahrheit bekommt, daß ein realer Gegenstand zu einer Anschauung des Geistes geworden ist, und durch die Kunst wieder ein Gegenstand der sinnlichen Wahrnehmung wird, und so ist denn in diesem wahren Kunstwerke das Geistige von dem Sinnlichen, und dieses von jenem gar nicht zu scheiden, und kann daher auch nicht beschrieben, sondern muß eben wieder angeschauet werden. Diese geistige Auffassung bringt bis in das Einzelne des Gegenstandes ein, und schwebt wieder über dem Gangen, alle Einzelnheiten verbindend und einend, so daß kein Detail hervorsticht, und dennoch nichts unbeachtete nichts unrichtig ist, und alles zusammenwirkt und stimmt, und ein reiches, großes Ganze ausmacht. Wollten wir dieses wahrhaft große Kunstwerk in irgend einer besondern artistischen Hinsicht, als z. B. des Colorits, in Hinsicht der Abstufung und Zusammenstimmung der Töne, in Hinsicht der Zeichnung; der Anordnung u.s.w. untersuchen, so würden wir es auch dann noch musterhaft und in allen Theilen vollkommen finden. Wir würden gewahr werden, daß in einem wahren Kunstwerke alles nothwendig und nicht blos regelrecht, sondern von der Wesenheit des Gegenstandes bedingt ist. Dies Gemälde stellt Thorwaldsen vor, aber vielmehr er scheint es selbst zu seyn, wie er dasitzt, von seinen herrlichsten Werken umgeben, welche Seinen großen Ruf begründeten, mit beiden Händen auf das Knie des einen übergeschlagenen Beins gestützt, in ruhender Körperstellung, indeß in allen seinen Zügen die heitere schaffende Thätigkeit des Geistes, welche das Leben des Künstlers ist, sich deutlich ausspricht.
(Der Schluß folgt.)
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