Dresden den 16. September 33.
Hochgeehrtester Herr!
Im Vertrauen auf Ihre, mir so vieljährig und mannigfaltig bewiesene Güte, als Ihr Schüler und eifrigster Verehrer wage ich es diesen Brief an Sie zu richten. Profeßor Dahl schmeichelte uns vor einiger Zeit mit der Hofnung, daß wir das Glück haben würden, Sie auf Ihrer Reise nach Dänemark in unserer Mitte zu sehn, und wir erwarteten mit der größten Begeisterung den frohen Tag, an welchen es uns vergönnt sein würde, den großen, geliebten Meister wiederzusehn; doch ist leider bis jetzt unser schönste Hofnung unerfüllt geblieben. –
Mit den schmerzlichsten Gefühlen verließ ich Rom, wo ich in Ihnen, verehrter Meister, einen zweiten Vater zurückließ, der Wunsch mein Vaterland wiederzusehn, die Hofnung den eignen Heerd zu gründen, vermochten es allein mich von Allem zu trennen, was mir seit zwölf Jahren theuer geworden war. Hätte ich es doch nie gethan, ich würde mir manche bittre Täuschung erspart haben. Hier angekommen machte man mir die schönsten Versprechungen, ich hatte die größte Hofnung als Profeßor an der Kunstacademie angestellt zu werden, als Professor Rauch hier ankam und seinen ganzen Einfluß anwendete, um sienem Schüler Rietzschel diese Stelle zu verschaffen, es gelang ihm nur zu gut und ich ward zurückgesetzt. Später wurden mir sämmtliche Bildhauer=Arbeiten an der neuen Hauptwache feyerlich zugesichert, als es aber zur Ausführung kam, ertheilte man die Hälfte derselben den Bildhauer Pettrich. Dann wurde ich vom Prinzen Johann, welcher an der Spitze der Commission steht, welche den Bau des Augusteums oder Universitäts-Gebäudes in Leipzig zu besorgen hat, aufgefordert, eine Zeichnung zu den Frontispice dieses Gebäudes zu entwerfen, die Verzierungen des Portals hatte man schon früher den Profeßor Rietzschel übertragen. Da meine Composition einen zu großen Geldaufwand erforderte, mußte ich noch eine zweite einfachere liefern. Jetzt nach einem Jahre wird mir endlich der Bescheid, daß man die Verzierungen am Frontispice nur von Stuck fertigen werde, man könne nicht mehr als ohngefähr 2000 rf. dazu verwenden und dafür verlangt man 7 bis 8. Figuren, welche sitzend über 5 Ellen jede meßen. Zu der coloßalen Statue des verstorbenen Königs August, welche einen der Plätze Dresdens zieren soll, fertigte ich zwey Modelle, indeßen bleiben sie unberücksichtigt und auch dies wurde den Profeßor Rietzschel übertragen, welcher die Modelle dazu in Berlin unter der Leitung des Profeßor Rauch fertigte. Da nun auch Ihr verehrter Landsmann, Herr von Berg, welcher sich meiner so väterlich annahm, längst gestorben ist, befinde ich mich ohne alle Protection und den abscheulichsten Kabalen ausgesetzt. So schmerzlich es mir auch ist, so habe ich doch den Entschluß gefaßt, mein undankbares Vaterland zu verlaßen, in der Hofnung man werde mir im Ausland mehr Gerechtigkeit wiederfahren laßen. Mein Plan ist fürs Erste nach Paris zu gehen, mich dort eine Zeitlang aufzuhalten, um der Sprache ganz mächtig zu werden und mich später, wenn es die Verhältniße einigermaaßen gestatten, in London niederzulaßen. Dies führt mich nun auf den Gegenstand einer Bitte; da ich das Glück gehabt habe zehn Jahre unter Ihrer Leitung zu arbeiten, da ich Sie aus reinem Grund des Herzens nicht nur als den ersten Künstler der Welt, sondern auch als meinen zweiten Vater verehre und liebe, so wage ich es im Vertrauen auf Ihre Güte, Sie um Ihre schätzbare Empfehlung nach Paris und London zu bitten, in der Ueberzeugung daß ein empfehlendes Wort von Ihnen, verehrter Meister, den vortheilhaftesten Einfluß auf mein dortiges Fortkommen haben wird.
Fast überzeigt, durch Ihre mir so oft bewiesene liebevolle Theilnahme, Ihre so väterliche Zuneigung, werden Sie mir gewiß diese Bitte nicht versagen, Ihre Empfehlungen nach London, wo Sie so zahlreiche Verehrer besitzen, würden gewiß den wohlthätigsten Einfluß auf mein ferneres Fortkommen haben, ein empfehlendes Wort von Ihnen, wird mir den schönsten Blick in eine heitere Zukunft verschaffen und mich ewig zu Ihrem Schuldner machen. Da mich nichts mehr hier zurückhalt, sich so manche bittere Erfahrung an meinem hiesigen Aufenthalt knüpft, so werde ich Dresden längstens in drei Monathen verlaßen, und sehe daher recht bald einer geneigten Antwort von Ihnen entgegen. So leben Sie denn wohl theurer, geliebter Herr und Meister, das schönste Glück sey Ihr steter Begleiter, schenken Sie zuweilen einen Augenblick eines freundlichen Andenkens
Ihren
Noch läßt sich Ihnen Hern Profeßor Dahl
recht vielmahls empfehlen und es thue ihm
sehr leid, sich in der Hofnung Sie hier zu sehe,
getauscht zu finden, wäre es Ihnen aber möglich
nächsten May hier durchzureisen, so würde
er sich das Vergnügen machen, in Ihrer werthen
Gesellschaft nach Copenhagen zu reisen.
Ihnen ganz ergebenen Schüler
Joseph Herrmann.
Dresden Ostra=Alle No. 73.