Zur Erinnerung
an
Hermann Freund,
Professor der Bildhauerkunst in Kopenhagen, gestorben im Juli 1840
Die Nachricht, daß der Kunstverein in Kopenhagen eine Broncestatue des Odin von dem verstorbenen Professor Freund zur Schau gestellt, erinnert mich an die Versuche, welche dieser achtungswerthe Künstler schon im Jahr 1823 in Rom zur Bearbeitung der nordischen Mythologie gemacht hatte. Er zeigte und erläuterte sie mir damals in seinem Studium mit besonderer Vorliebe; sein gerades, offenes Wesen entfaltete sich dabei zu großer Liebenswürdigkeit, seine edle nordische Gestalt erschien höher und heldenhafter, während er von den Göttern und Helden der Edda sprach. Es war ein feiner Sinn für griechische Schönheit in ihm, weßhalb er auch mit Leidenschaft die schönsten griechischen Münzen sammelte; aber er gab deßhalb die Neigung zu dem Gewaltigen, die ihm angeboren war, nicht auf, wie denn sein Merkur, der ihm damals einen Namen erwarb, bei einer wirklich schönen Gestalt etwas Reckenhaftes an sich hatte, das dem Charakter als Gott und Götterbote, in welchem Freund ihn darstellen wollte, nicht übel zusagte. Freund hatte sich tief in, die nordische Götterwelt versenkt und fand darin längst verklungene Harmonien, die sein inneres Ohr festhielt; so lauschte er mit Ahnung und Erhebung auch jenen hohen Gesängen in der Sirrin«, deren einfache Gewalt uns bald in die dunkeln Tiefen unseres Wesens hinabführt, bald zur himmlischen Klarheit und Heiterkeit erhebt.
Was er ausgeführt hatte, war die Zeichnung eines Basreliefs und sieben Modelle einzelner Figuren, die bei der Akademie in Kopenhagen am 1. Mai 1822 den Preis gewonnen hatten, und von Petersen radirt werden sollten. Ich weiß nicht, ob diese Radirungen erschienen sind, und da mir auch nirgends in deutschen Zeitschriften eine Erwähnung derselben vorgekommen ist, so theile ich hier mit, was ich mir damals von den Modellskizzen nach seinen Erklärungen aufgezeichnet. Diese kleinen, wenig ausgeführten Modelle trugen durchweg den Charakter einer reinen einfachen Schönheit, verbunden mit dem Hohen und Kräftigen, das ihrer Bedeutung zukam; es war ein edler männlicher Geist, der aus ihnen sprach, alle falsche Manier, alles Aeußerliche, Seltsame verschmähend, im Gegentheil nur durch innere Hoheit und die größte Simplicität imponirend. Ueberall fand man das Nackte vorherrschend; zu Ergründung des Costüms hatte Freund das Vaterländische mit Geschmack benutzt, von Attributen genügten ihm die nothwendigsten, der Charakter sollte aus den Zügen, aus der Gestalt, nicht aus den Beiwerken reden.
Das Basrelief stellte die drei Nornen dar, welche von Mimer, Baldur und den Walkyren wegen des Schicksals der Götter und Menschen um Rath gefragt werden: Iduna, die Göttin der Jugend, war von Loke geraubt, und Götter und Menschen wurden alt. Dem abzuhelfen fragt Baldur den Gott der Weisheit, Mimer, um Rath, und beide gehen zu den Nornen; Baldur, Apollähnlich, nackt, mit einfachem Mantel, Mimer mit langem Bart, Bärenfell und Krug, weil er aus dem Brunnen der Weisheit schöpft. Beide kommen von der Rechten. In der Mitte die Nornen. Die mittelste, Veranda, die Gegenwart, halb entschleiert, mit großen Flügeln, und eine Wage haltend, steht auf der Urne, aus welcher der Strom der Zeit an der Vergangenheit vorbeifließt. Diese, Ur, mit einem Fell bekleidet, sitzt zur Linken, und schreibt das Geschehene auf ihre Tafel; die Zukunft, Skulda, sitzt zur Rechten, ebenfalls mit Flügeln und bekleidet, den Finger der Rechten in die Lippe gelegt. — Links von dieser Mittelgruppe sind die drei Walkyren, die den Kriegern zu Hülfe kommen und das Schicksal der Menschen verkündigen. Sie haben schon gefragt und halten einander gefaßt, sind mit Untergewand und Fellen bekleidet, an den Schläfen geflügelt. Die erste hält den Schild, dei zweite den Runenstab und die dritte den Speer.
Die Figuren waren folgende:
Odin, sitztend auf dem Throne, Zeus ähnlich, doch älter, das Haupt mit einem runenverzierten Diadem geschmückt, seine Bekleidung ein Bärenfell, das die Brust halb entblötzt lätzt; mot der Linken stützt er sich auf das Scepter. Er ist die herrschende Macht ohne die Stärke des Zeus, und dem Schicksal untergeordnet. Auf der Lehne seines Throns sitzen hüben und drüben zwei Raben, sie sind seine Boten und enthüllen ihm jegliches Schicksal und die Handlungen der Menschen und Götter. Zu seinen Füssen sitzen zwei Wölfe. Die Vorderseite des Throns und seine Stufen sind mit den Reliefs seiner Thaten, die Rückreise ist oben mit der Sonne, und unten mit den Figuren der Götter geschmückt.
Thor, als Donnergott, stehend, mit dem rechten Fuβe vortretend, und bewegt abwärts blickend. Er hat eben den Blick geschleudert, und schlägt mit dem Hammer, dem Donner, nach. In der Linken hält er noch den Donnerteil. Eine Gestalt zwischen Zeus und Hercules, nackt; nur ein Wolfsfell fällt über den Arm auf die Erde. Ein Harnisch ist eine Stütze. Um das haar trägt er ein Diadem; der Bart ist kurz kraus; um die Lenden schlingt sich der Curt, der ihm Stärke verleibt.
Thor noch einmal, als Held. Er steht ruhig, etwas vorschreitend, den Blick abwärts nach der linken Seite gewendet; er stützt mit der Rechten den Hammer auf den Harnisch, auf den das Wolfsfell herabfällt; in der Linken hält er den Donnerteil. Hinter seinem linken Fuβ liegt der Helm. Die Lenden sind mit dem Gurt, das Haupt mit dem Diadem geschmückt.
Gruppe der Freya Die Göttin der sehnenden trauernden Liebe sitzt bekleidet, das Haupt mit dem Schleier bedeckt, das Kinn in der rechten gestützt, mit der Linken den Blumenkrantz haltend. Zu ihren Füβen sind ihre zwei Katzen. Rechts, an sie geschmiegt, unbekleidet, ist Siosne, die aufkeimende Liebe; sie sieht ihr in’s Antlitz, indem sie ihren Schleier wegzieht. Links ihre Tochter, die Freude der Liebe, Hnos, ebenfalls unbekleidet, an sie geschmiegt vor sich hinschauend, die Linke um der Mutter Nacken geschlungen. An den Stufen des Thrones sind Freya’s Schicksale in Relief: Odin, ihr Gatte, verlätzt sie, weil sie alt geworden, nachdem Iduna geraubt war.
Iduna, die Göttin der Jugend, in jugendlich zarter und züchtiger Stellung. In der Linken trägt sie die Schale mit Aepfeln, in der Rechten den Becher mit Aepfelwein. In Bekleidung der Hebe ähnlich, mit tiefgegürtetem Gewand, ein leichtes Obergewand hängt über ihre Schulter. Das Haar fällt in langen Locken herab, das Haupt ist mit einer länglichen Mütze bedeckt, an der eine Quaste herabfällt. Noch jetzt eine Tracht der islandischen Mädchen.
Bragi, ihr Gemahl, der Gott der Dichtkunst, der in der Walhalla die Göttin mit Gefang unterhält. Er trägt eine Binde um das lockige Haar, und rührt mit der Linken die Harfe, die an einem über die Brust lausenden Bande hängt, indem er die Rechte emporhebt. Seine Bekleidung ist ein gegürtetes Schaffell, Halbstiefeln und ein Bärenfell.
Loke, der Zerstörende, der Schleicher, der Gott aller List und Verschlagenheit. Er trägt Beinkleider und ein Obergewand, das, über den Kopf gelegt, seine langen Ohren verbirgt. Seine Rechte ist ebenfalls darunter verborgen, krallenförmig; die Linke ist schön, an’s Kinn gelegt. Am Rücken hat er Fledermausflügel. Weit vorschreitend steht er, schleichend, und listig vor sich hinsehend.
Ich wage nicht, zu diesen Notizen etwas aus dem Gedächtnis hinzuzufügen. Die andern Arbeiten, welche Freund damals, im Atelier hatte, waren ein Mädchen, das ein Lamm trinken läβt. sitzend und halb bekleidet; der schon erwähnte Mercur, das Haupt mit dem Pileus bedeck, den Caduceus in der Linken, die Rechte sprechend ausgestreckt. Dann hatte er für Thorwaldsen den Apostel Thaddäus modellirt, und den Evangelist Lucas für die Reihe der vier Evangelisten, die für die Schloβkirche in Kopenhagen in Gyps bestellt waren.
In allen seinen Werken erkannte man das Bestreben, das Edle und Schöne in individueller Form zu erkennen und zu bilden. Er war weniger als sein Meister Thorwaldsen dem allgemeinen Typus griechischer Formen zugethan, sondern suchte ihn mit feineren Abstufungen, auch selbst mit kühnen Variationen, in der Natur. Für Thorwaldsen war er im umfassendsten Sinne des Wortes ein Freund, denn er war nicht nur mit allen seinen Verhältnissen und Interessen vertraut, sein Geschäfts –und Rechnungsführer, sondern wie ein Sohn um den Vater unablässig für sein persönliches Wohlseyn besorgt.
Im Jahr 1820 nach Rom gekommen, blieb er daselbst hauptsächlich mit Arbeiten für seinen Meister beschäftigt bis zum Jahr 1827. Einen Theil der Apostelstatuen, welche Thorwaldsen für Kopenhagen fertigte, hat er nach dessen kleinen Entwürfen im Groβen modellirt. Für den nun auch verstorbenen Grafen von Schönborn fertigte er mit Alvarez, Launitz und Kessels die vier Jahreszeiten in Hermenform. Im Herbst 1827 kam er auf der Rückreise nach Kopenhagen durch München; er wanderte gröβtentheils zu Fuβe, wobei er die schönsten seiner griechischen Münzen, eine nicht unbetrachtliche Zahl, in seinem Kanzen auf dem Rücken trug. Er war noch derselbe zutrauliche, biedere, kernhafte, enstheitere Mann, den alle liebgewannen, denen er sich nahte, dem Keiner nahte, der nicht einer edeln Gesinnung sich anschließen mochte. In Kopenhagen ward er Professor an der Akademie, und einer der Dirigenten des Kunstvereins. Seitdem sind nur spärliche Nachrichten von ihm nach Deutschland gekommen. Im Jahr 1836 vollendete er ein Denkmal des Reformators Hans Tausen, aus Sandstein, für Wiborg; 1837 wird eines großen Taufsteins von ihm erwähnt. Als Thorwaldsen im September des folgenden Jahres seinen Triumpheinzug in Kopenhagen feierte, empfing ihn Freund mit Professor Thiele im Namen der Akademie; er leitete noch die Aufstellung des Christus und der Apostelstatuen, welche Thorwaldsen für die Hauptkirche gearbeitet hatte, und war von ihm bestimmt, die unvollendet von ihm hinterlassenen Werke im Verein mit einem andern seiner Schüler, Pietro Galli, zu Ende zu führen. Aber der bejahrte Meister mußte den treuen Schüler in den Jahren seiner besten Kraft sterben sehen!
Wenn diese Zeilen einem seiner nähern Freunde in Kopenhagen vor Augen kommen, so möchten sie ihm eine Mahnung seyn, den zahlreichen Deutschen, welche den Verstorbenen in Rom kannten und liebten, eine Schilderung seines Lebens und Wirkens zu geben.
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