Fest-Rede
für
A l b e r t T h o r w a l d s e n.
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Frankfurt, den 28. Juni 1841.
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Eine seltene Kunde hab’ ich zu berichten,
Von den alten Göttern neue Geschichten,
Von einem Streite, der sich entsponnen hat,
Und noch nicht sein Ende genommen hat.
Die Götter nämlich in Griechenlande
Waren gesunken von ihrem Thron,
Wie Perlen verschüttet im Meeressande,
Wie Lauten ohne Saiten und ohne Ton;
Auf der Blumenau
Netzten sie nicht mehr in Thau
Die tanzenden Sandalen,
Und tranken nicht mehr aus goldnen Schalen
Des Morgenrothes Strahlen.
Da kam ein Jüngling aus nordischem Blute
In des Südens reizendes Paradies,
In seinem Geiste trug er die Wünschelruthe,
Die ihn vergrabene Schätze finden ließ;
Da erstand ein Jason mit dem goldnen Vließ,
Und stellte sich ihm als Helfer dar,
Zu befrei’n der ewigen Schönheit Götterschaar.
Und siehe da, vor den Augen der erstaunten Welt
Wurde Bild um Bild jetzt ausgestellt,
Und dankend reichten die Götter ihm Lorberkronen:
„Das sollen dir deine alten Tage lohnen.“
Doch während dies im Süden vollendet worden,
Da krachte das ewige Eis im fernen Norden,
Weil die dort träumenden Götter und Riesen
Unmuthsvoll thauenden Odem bliesen;
Und siehe da, der Odin und der Thor
Traten da aus den Eisspalten hervor,
Als lichte Gestalten, wie Schnee so weiß,
Setzten sie sich auf das rauchende Eis. –
Und Odin sprach: “O Weh dem Tage!
„Liegt meiner Herrschaft Krone auf schwankender Wage?
„Hast Du, Sohn, statt den Hammer zu gebrauchen,
„Ihn verwettet durch der Würfel trügende Augen?
„Wohin ist von Thors Gewalt der Sohn,
„Wohin ist der Götterbildner entfloh’n? –
„Auf, rufe die Eisriesen, die alten,
„Daß sie mir helfen in diesem Streite,
„Da mir die Sudgötter geraubt und halten,
„Festhalten meines Stolzes Augenweide.“
Und Thor, erglühend in jähem Zorn,
Stieß in sein weitschallendes Horn,
Und die Götter und Riesen kamen und zogen
An des Mittelmeers lieblich tanzende Wogen.
Ob sie ihn dort überredend gerührt,
Ob sie ihn mit Gewalt entführt,
Wer weiß es, wie es vollendet worden? –
Genug, der Thorwaldsen zog heim in den fernen Norden. –
Und nun entstand ein Wetten und Wagen,
Ein Hetzen und Jagen,
Ein Schlachten und Schlagen
Zwischen den Göttern aus Norden und Süden,
Denn alle wollen ihn haben, behalten und hüten.
Aber wer sagt mir nun,
Wenn die Götter streiten, was dann sei zu thun?
Ob es kein Mittel gebe, den Streit zu schlichten,
Keinen Weg, auf dem etwas auszurichten? –
Und wohl, ein Mittel giebt’s, und ich will es wagen;
Wir beschicken die Götter und lassen ihnen sagen:
Euer sey er? Das ist nicht wahr;
Unser ist er, der Menschheit immerdar,
In allen Fernen und Weiten,
Bei allen Völkern und in allen Zeiten,
Unser ist er, doch er sei’s zu euren Ehren,
Und nun sorgt nur, daß sich seines Lebens Tage mehren,
Und seien ihm von Euch, in Frieden verbunden,
Die Kränze der ewigen Jugend gewunden.
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[tilføjet med blyant:] v Hessemer bei der Gelegenheit eines
Festes was Frau Louis Gontard Thorwaldsen gab