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Ich danke Euch allen sehr, daβ Ihr mir über alles so ausführlich schreibt. Der liebe August scheint ja vortrefflich regiert zu haben. Was Ihr, liebe Caroline und Adelheid, von der Hoffnung *) sagt, fühle ich sehr wohl. Ich bin begierig, sie selbst zu sehen. Wie die liebe Mutter gerade auf diese Bestellung gekommen war, begreifen auch Rauch und Tieck nicht. Ich würde auch vielleicht nicht so gewählt haben, aber in der Mutter begreife ich es doch und finde es sehr hübsch. Die Mutter hatte einen so reichen und zugleich so zarten und tiefen Sinn für alles Menschlische im Leben wie in der Kunst. Jede neue Gestalt, die ihr da begegnete, regte sie an. So ging es ihr auch mit den Äginetischen Figuren. Wie man auch über sie urtheilen mag, so kann man nicht leugnen, daβ sie, fast stärker als andere, das, man möchte sagen, fast leidenschaftliche Streben des Künstlers ausdrücken, in sie zu legen, was er empfand. Die weiblichen Figuren haben namentlich eine Verschlossenheit und Gebundenheit, die wie in eine dunkle Tiefe hinabzieht. So erinnere ich mich auch, daβ die Mutter darüber sprach. Wenn wir nur die Briefe erst alle geordnet haben, daβ man nach einzelnen suchen kann, werden wir schon Stellen über die Hoffnung finden. Auch Thorwaldsen muβ das gefühlt haben. Er hat allerdings wohl sich künstlerisch einmal in einem ganz ungewöhnlichen Typus versuchen wollen. Er würde das aber nicht getan haben, wenn er nicht auch in dem Typus etwas groβes empfunden hätte. Zu einer allegorischen Figur paβte dieser Typus noch mehr, und gerade das Allegorische, das in den Antiken selbst ist, wird die Mutter angesprochen haben.
Daβ Ihr der Gräbstätte gerade die Statue wünscht, die die Mutter bestellt hat, liebe Kinder, ist sehr hübsch von Euch, und zart und weiblich empfunden. Aber es geht doch nicht. Ihr sagt selbst alle, auch August, daβ die Statue sehr schön von Thorwaldsen vollendet ist. Wie will man das 25 Fuβ hoch in unser Eis und Schnee stellen! Denkt Euch nur recht die liebe Mutter. Sie war so mild und zart gegen Kunstwerke und Künstler. Sie hätte das gewiβ nicht gewollt, und hätte, wäre ich eher gestorben, es gewiβ mit meiner Grabstätte wie ich mit der ihrigen gemacht. Wenn wir die Hoffnung ins Haus, in das Kabinett stellen, wo wir am meisten sind, erfüllen wir genau ihre Absicht. Denn für das Haus, daβ wir uns, was nun nicht hat sein sollen, mit ihr die sinnvollen Gestalt in jedem Augenblick erfreuen sollten, hatte sie sie bestellt, und wenn die liebe teure Mutter noch auf irgendeine Weise an einem irdischen Ort sein kann, so ist sie doch gewiβ unter uns. Daβ ihr das Haus, wo sie sich uns alle denken konnte, wo sie glücklich und so unendlich liebevoll mit uns allen gelebt hatte, im Andenken das teurste war, hat sie ja auch so unendlich liebevoll bei der Bezeichnung ihrer Grabstätte geäuβert. Der Verzug eines Jahres ist freilich schlimm. Aber das Schöne und Zweckmäβige will immer Zeit und Geduld haben. So, liebe Kinder, scheint mir die Sache jetzt. Indes werde ich die Statue nun selbst sehen und auch Rauch darüber hören.
Ich habe die Zeichnung der Mütter, die mir ein groβer Trost ist, auch hier dem alten Storch gezeigt, und er hat sich nach seiner Weise sehr hübsch darüber geäuβert. Nach langem Ansehen sagte er: “Man kann sie nicht verkennen, die Gute, denn gut war sie und recht gescheit.”
Die Büste der Mutter, die ihr so ganz unähnlich ist, soll uns keine Erinnerung stören. Wir wollen ihr nichts tun, aber sie, denke ich, einpacken lassen und wegstellen. Was Du dabei über die Klarheit der lieben Mutter sagt, ist ebenso wahr als schön.