Rom, den 1. Febr. 1825.
Mehr als je wird gegen die protestantische Gemeinde im Stillen gearbeitet. Schon die Wiederherstellung der Jesuiten war der Vorläufer. Seitdem sich aber mehrere protestantische Höfe, mit mehrerer oder minderer Nachgiebigkeit, zu Concordaten verstanden haben, ist der Muth des hiesigen Hofes so hoch gestiegen, daß Leo XII. geäußert haben soll, er habe diese Höfe nicht nöthig, sondern selbige ihn. Das Bekehren ist hier gegenwärtig sehr an der Tagesordnung. Auch an mich sind sehr ermunternde Anträge mit heißen Versprechungen ergangen. – – –
Der Eröffnung des Anno Santo gingen etliche Edikte voraus. 1) Wurden alle Billiards in der ersten Etage geschlossen. 2) Verbot gegen Verunreinigung der Kirchen, Klöster und ihrer Mauern, den Strafe von 50 Bajocchi, die dem Soldaten zufallen, der den Missethäter fängt. Die Soldaten waren daher immer auf der Jagd, und halb Rom befand sich in den ersten Tagen wegen Befriedigung natürlicher Bedürfnisse in den Gefängnissen. 3) Ein Kleiderbefehl, wodurch den Weibern unanständige, namentlich zu enge Kleider, die gewisse Rundungen erblicken lassen und die Mönchskutten gar zu sehr in Aufruhr setzen, verboten, und dagegen eine gewisse Kleidung für die Kirche vorgeschrieben wird. Dieß Edikt machte besonders ungünstigen Eindruck und reizte zu mancher Anspielung auf frühere Geschichtchen. 4) Eine Anordnung für die Wirthe. Diese sollen keine H – n oder Maitressen in ihren Trattorien (Speisehäusern) essen lassen, sondern sie vielmehr, sobald sie als solche von ihnen erkannt worden sind, zur Thüre hinaus werfen, den 5 Scudi (Laubthaler) Strafe im Vermeidungsfalle. 5) Ein Befehl, wodurch den Juden eine gewisse Auszeichnung vorgeschrieben wurde. Da aber die reichen Juden mit Auswanderung drohten, so ist dieser Befehl nicht vollzogen worden. 6) Ein Befehl über das Läuten der Glocken, worin genau angegeben wurde, wie viel Stunden täglich geläutet werden sollte. Am 23. Dec. 1824 wurden früh drey Stunden und eben so Nachmittags alle Glocken gezogen. Ich lief vor Angst zur Stadt hinaus. Am 24. Dec. war die große Procession zur Eröff[n]ung der heiligen Pforte. Der gewöhnliche Zug bewegte sich über den Petersplatz nach der heiligen Thüre, wo sich nur wenige Ausländer befanden; denn der übrige Vorhof der Peterskirche war vermauert, so, daß das Volk nicht hinzu konnte. Nach einigen Intonationen und vielen Kreuzhieben sollte die Pforte mit dem dritten Hammerschlage fallen; aber sie fiel nicht, sondern blieb fest und unbeweglich. Beynahe kam es zum Gelächter. Endlich fiel sie und der Zug ging über die Trümmer in die Kirche. Hier wurde nun der gewöhnliche Gottesdienst gehalten. Noch vor Beendigung desselben lief ich mit R… auf den Porticus, und sah von da den Zug sich rückwärts in des Papstes Wohnung begeben. Dieser Anblick des langsamen, festlichen Zugs in der Mitte des durch die Soldaten kreuzförmig getheilten Volks war wirklich erhaben. Tags darauf war Benediktion, die einzige, wahrhaft feyerliche Handlung, die ich bis jezt hier gesehen habe. Der Augenblick, wo der Papst in der Loge sich vom Stuhle erhebt und die Arme ausbreitet, als wollte er seine Gemeine wie ein Vater umfassen, zugleich das Volk betend aus die Kniee fällt, indem Kanonen und Trompeten den Segen auch den Entfernten verkünden, ist wirklich ergreifend, und doch ist Alles nur Ferm. Beyden Feyerlichkeiten wohnte das Volk in geringer Zahl bey, und von den wenigen Pilgern ward kaum einer oder der andre bemerkt. In einem großen Hospitale für fremde Pilger waren nicht mehr als ungefähr dreyßig vor einigen Tagen angekommen; in einem andern für fremde Pilgerinnen, dem die Prinzessinnen Ehigi vorstehen, was mit großem Pompe verkündet wurde, eine Einzige. Rom ist daher, statt lebhaft zu seyn, todter als je, denn die Fremden sind fast alle den Carnavals nachgezogen. Die Noth der heiligen Stadt, die von Fremden lebt, ist groß, theils durch die Abreise der leztern, theils dadurch, daß so viele Römer sich auf Besuch eingerichtet und deßhalb Unkosten gemacht hatten, theils weil die Abgaben wegen des größern Aufwands im heiligen Jahre stärker sind. Und so ist denn Alles über das Anno Santo übel zu sprechen. Welcher Abstand zwischen dem jetzigen und dem Jahre 1400, wo mehrere Millionen Pilger in Rom waren! Noch im Jahre 1750 starben daselbst 15,000 Pilger! Vor Anfang des heiligen Jahres sind alle Kirchen, deren ungeheure Anzahl Du kennst, ausgepuzt und frisch angestrichen worden. Man ist dabey mitunter barbarisch zu Werke gegangen. Zur Unterhaltung haben wir Madam Garnerin hier gehabt. Sie fleg auf dem Monte Pincio auf und fiel bey Aqua Cetosa mit dem Fallschirme nieder. Hier sah ich alles bester, als an Deiner Seite in Paris. Der Zulauf des Volks war stark und die schönsten Weiber von der Welt waren zu sehen. Vor einigen Tagen wurde ein Corporal in der Nähe des Colisseums von seinen Soldaten ermordet. Die Ermordung des Engländers Hunt und seiner Gattin bey Pästum wirst Du wohl schon in den Zeitungen gelesen haben. Auch hier wird ein Engländer vermißt. Bey Frosinone haben 14 Gensd’armes ein hitziges Gefecht mit 30 Räubern gehabt, deren Führer und 4 Mann auf dem Platze blieben. Die Gensd’armes haben sich brav benommen, da aber die Negierung das Gefecht wie eine Völkerschlacht ankündigte, so wurde darüber gelächelt. Auf der Piazza del Popolo ist der Springbrunnen dem Monte Pincio gegen über fertig und mit einem vierschrötigen Neptun geschmückt worden. Unser (der Ketzer) alter Gottesacker bey dem Monte Testaccio ist jezt neu aufgepuzt, und der Graben darum ausgestochen und gemauert worden. Dabey ist man auf ein Stück der alten Via Ostiensis, auf eine alte Kloake und auf ein Stück Mosaik gestoßen. Bis gegen die Mitte des Novembers war das Wetter fast immer veränderlich, nachher aber ging es in schönes über. Immer heitrer, blauer Himmel und die schönsten Abende, die man sich um diese Jahreszeit wünschen kann! Am Tage vor Epiphanias gegen Abend sezte der Wind nach Nord über, zu Epiphanias aber hüllte sich die ganze Campagna in einen weißen Mantel, und selbst in Rom blieb der Schnee auf den Dächern liegen, jedoch nur wenige Tage, und seitdem haben wir wieder das prächtigste Wetter. Ich gehe oft gegen Abend nach St. Pietro di Montorio, um mich an dem Sonnenuntergange zu ergötzen. Wenn die dunkelblauen Sabiner-Gebirge und dahinter die ganze beschneiete Kette der Abruzzen im Rosenlichte der scheidenden Sonne glänzen, dann denke ich an Dich, wünsche Dich an meine Seite, mit dem ich oftmals von demselben Standpunkte aus das majestätische Schauspiel angestaunt habe. Von deutschen Künstlern ist zu allgemeinem Leidwesen Reinhardt *) aus Gera, wohl der erste der jetzigen Landschaftsmaler, gestorben. Er hatte die Luftröhrenschwindsucht. Der Arzt des Grafen Esterhazy, der jezt hier ist, soll durch Anwendung der Hahnemannischen Methode das Uebel verschlimmert haben. In der Villa Massimi ist unser Schnorr mit der Decke fertig geworden. Man muß staunen über das kühne Talent des jungen Mannes. **) Mehrere deutsche Künstler haben hier eine Ausstellung veranstaltet.
(Der Beschluß folgt.)
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Rom, Mitte Febr. 1825.
Von den Kunstwerken in der Ausstellung unsrer Landsleute nenne ich Dir folgende, die mir vorzüglich gefallen haben: Reinhold, 3 Landschaften. Eine, mit dem barmherzigen Samaritaner, sprach mich vorzüglich an. Koch, 3 Landschaften, die Scheideck, eine griechische Landschaft und Olebano. Diesem leztern gebührt die Palme. Senff, ein Blumenstück. Oppenheim, Susanne im Bade. Schnorr, 2 Cartons zu den Frescogemälden in der Villa Massimi, die den deutschen Künstlern Schnorr, Overbeck, Veith, und, nach dessen Abtritt, Koch übergeben sind. Heß, Thorwaldsens Portrait, eines Titians würdig. Unter den Bildhauerarbeiten: In Marmor, ein griechischer Kopf von Hermann. Wolf, Thorwaldsen. In Gyps: Pettrich, la pescatrice. Lieblich und voller Leben (s. das Kunstblatt Nr. 5. 1825). Belisar, der um Almosen bettelt, Basrelief. Wettstreit des Apollo und des Pan, Basrelief, welches Thorwaldsen seiner würdig erklärt hat. Hermann, Theseus, der seine Waffen unter dem Steine hervorzieht, Basrelief. Wagner, Bacchantinnen, Basrelief. Thürmer hatte zwey Hefte seiner Vues d’Athenes zur Schau ausgelegt. (S. Kunstblatt Nr. 19. 1825.)
Ich höre, daß ein Deutscher Plinius histor. natur. bearbeitet. Diesem die Nachricht, daß sich in Florenz in der Ricardiana ein alter, undenuzter Cod. des Plinius mit wichtigen Varianten befindet. Ferner besizt der Buchhändler Petrucci allhier die Arbeiten des Prof. Padoani zu Forli über Plinius als literarischen Nachlaß. Dieser Mann hat sein ganzes Leben an diese Arbeit verwendet, starb aber in dem Augenblicke, als er zur Herausgabe schreiten wollte. – Die Blattern sind in Rom. – In den Thermen des Caracalla läßt ein Graf Veli aus Vicenza Ausgrabungen machen, man entdeckt schöne Mosaik und Bruchstücke von Säulen. – Thorwaldsens Jason ist bald fertig, so wie sein Adonis und der General Petowsky. Eine Hirtin, welche einem Lamme zu saufen gibt, ist noch unvollendet, verräth aber schon, daß Thorwaldsen auch in Grazie mit Canova wetteifern kann. Papst Pius VII., im Sessel den Segen ertheilend, ist erst im Modelle fertig. Eben so ist Christus mit den zwölf Aposteln fertig modellirt. Der Alexanderzug rückt vorwärts. In einem, für Poggio imperiale bestimmten, Basrelief hat der unsterbliche Meister Christus vorgestellt, wie er den Jüngern erscheint und Petrus die Heerde übergibt. In dieser Arbeit ist die Würde der Apostel und der Charakter eines Jeden trefflich behauptet. Den Preis über alle seine neueren Arbeiten trägt aber ein Basrelief davon, welches überaus zart gedacht ist. Du erblickst einen Korb mit Amoretten, aus welchem oben einer derselben heraus zu schlüpfen sucht. Neben dem Korbe steht ein Mädchen und ein Knabe in neugieriger Betrachtung. Psyche sizt dabey und streckt einen Amoretto, den sie mit der rechten Hand an den Flügeln gefaßt hat, einer Jungfrau entgegen, welche die Arme sehnsuchtsvoll nach ihm ausbreitet. Dieser folgt eine Mutter, welche einen Kleinen fest an ihre Brust schließt und mit Inbrunst küßt. Nächst dieser trägt eine Schwangere (ihre Bürde verräth das Gewand nur leise) einen Amoretto verdrießlich an den Flügeln fort. Vor ihr sizt ein durch die Liebe nicht begünstigter, übel gelaunter Mann, dem ein solcher kleiner Vogel auf der Schulter sizt. Das Ganze schließt ein der Gruppe zugewandter, bejahrter Mann, der vergebens die Arme ausstreckt, um einen entfliehenden Amoretto zu erhaschen. Könntest Du dieses sinnige Werk sehen! Denn sehen muß man es, um es ganz aufzufassen und zu verstehen, wozu auch die beste Beschreibung nicht verhelfen würde. Thorwaldsens Werke werden in einem Kupferwerke erscheinen. – Ich habe endlich Paganini gehört. Soll ich Dir meine Meinung offen sagen? Er ist ein großer Charlatan, der ungeheuere Kunststücke auf der Violine macht, sonst aber ohne allen Ausdruck spielt. Die Italiener vergöttern ihn natürlicher Weise. – Bewahre mich der Himmel vor einer italienischen Frau! Was eine italienische Wirthschaft bedeuten will, das sehe ich täglich in der Familie, wo ich seit einiger Zeit wohne und esse. Diese Familie gilt für eine der besten und die Töchter für gar wohlerzogen. Ich kann Dich aber versichern, daß selten 4 ganze Tassen auf dem Tische stehen, obgleich unserer 16 Personen sind, 6 Kostgänger und 10 aus der Familie; 3 Töchter und 2 Mägde werden mit nichts fertig. Das Küchenregiment wechselt unter den jungen Damen, von denen jede mit Schrecken dem Moment entgegen siebt, wenn an sie die Reihe kommt. Den ganzen Tag singen, Possen treiben, Federball spielen, das ist ihre Beschäftigung. Unter solchen Mädchen stehe ich gar griesgrämlich da. Von Außen hat eine solche Wirthschaft ein ehrbares Ansehen. Die Mädchen kommen die ganze Woche nicht ans dem Hause, gehen Sonntags in die Messe, fahren mit den Eltern Nachmittags ein paar Mal auf dem Corso auf und ab, und dann geht’s wieder nach Hause. Aber das ist eben das Uebel; denn wie solche Mädchen unter die Haube kommen, geht für sie das freye Leben an.
Caro.