Journal
für
Literatur, Kunst,
Luxus und Mode.
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Januar 1814.
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I.
Kunst.
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I.
Die plastischen Werke Thorwaldsens
des Dänen, in Rom.
(Hierzu das Titelkupfer und Tafel 3.)
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Vorwort des Herausgebers dieser Zeitschrift.
Das sinnreiche Bildwerk Thorwaldsens: Mars, bringt der Welt den Frieden, wählen wir zum Titelkupfer, und weihen es hoffnungsvoll als Wunsch dem Jahre 1814 und unsern verehrten Lesern. Die erhabenen Gesinnungen der verbündeten Monarchen, durch die Kraft des Schwerts unterstützt, werden einen ehrenvollen dauernden Frieden erkämpfen! Friede im Jahr 1814 aber ist der Wunsch Deutschland’s, ist der Wunsch der ganzen cultivirten Welt!
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Den Freunden der bildenden Kunst und des durch diese vorzüglich gebildeten und veredelten Geschmacks sind die bedeutenden Fortschritte nicht unbekannt, die von den beiden Haupt-Repräsentanten aller bildenden Künste, der Malerei und Bildhauerei, seit mehr als 4 Dezennien, bis jetzt gemacht worden sind. Denn obgleich sie nicht alle sich in der Lage befanden, mit eigenen Augen jene Fortschritte vor den Werken der neueren vorzüglichsten Künstler selbst messen und bestimmen zu können, indem, wie die alte Rede sagt, nicht Jedermann vergönnt ist, nach Corinth zu schissen; so haben doch theils die Urtheile sachverständiger und gründlicher Kunstrichter, die von Zeit zu Zeit über die neuesten Erzeugnisse der bildenden Künste abgegeben wurden, theils der überall zu bemerkende Einfluß derselben auf Kunstprodukte von minderer Bedeutung Niemand, der auf höhere Bildung einigen Anspruch macht, entgehen können. So wie tiefsinnige Forschungen streng wissenschaftlicher Köpfe nach und nach in den Kreis des gewöhnlichen Lebens überzugehen, dieses zu erhellen, und ihm zu nützen pflegen; also waren auch die in unseren neueren Kunstwerken des Luxus, in unseren Ameublements, in unseren Geräthschaften und sogar auch in der weiblichen Bekleidung eingeführten reineren und edleren Formen eine Folge des verbesserten Zustandes jener, schon genannten, bildenden Künste. In dem Maß, in welchem das Einfache, wie das Edle der Form, und zweckmäßige Anordnung in der Fülle bei diesen streng gesucht ward, wuchs auch der Geschmack in allem dem, was unsere Wohnungen und uns selbst verschönt. Allmählich verschwand auch hier das Groteske und die Ueberladung; und wenn auch Malerei und Bildhauerei ungleich höhere Zwecke zu verfolgen haben, so muß doch der Einfluß derselben auf die niederen Künste des Geschmacks nie unbemerkt bleiben; denn sie allein sind und waren von jeher die alleinigen strengen Wachter über die Reinheit und das Edle in der Form. Wer also, der sich für diese nur etwas interessirt, wer dürfte wohl die von jenen beiden höheren Künsten gemachten Fortschritte mit Gleichgültigkeit betrachten, besonders, wenn er sich zu den Lesern einer Zeitschrift zählt, welche über die Producte der Kunst, des Luxus und der Mode zu reseriren pflegt, und wenn Berührungen aller Art ihm einige Nachrichten darüber wichtiger machen müssen.
Zu diesen Nachrichten über die, seit des unsterblichen Winkelmann’s und unseres Raphael Mengs verdienstvollem Wirken, im steten Fortschreiten begriffene bildende Kunst dürfte nun unstreitig auch diejenige gehören, welche die Werke eines Künstlers berührt, der, zwar im kalten Norden geboren, doch eine seltene Warme des schöpferischen Genius in einer schönen Reihe von Erzeugnissen während seines Aufenthaltes in Italien entwickelt und auf eine, seinen Landes – und Zeitgenossen unstreitig sehr rühmliche, Weise dargethan hat, daß der plastische Sinn in hoher Vortrefflichkeit eben sowohl im kalten Norden, als in dem wärmeren Süden entstehen könne. Dieser Künstler ist Albert Thorwaldsen, der Däne, von dem bis jetzt in mehreren Zeitschriften, besonders in des trefflichen, leider zu früh verstorbenen, Fernow’s Römischen Studien oft die Rede gewesen ist. Durch diese ward der größte Theil seiner Werke, von seinem Jason an bis zu seinem Mars dem Publicum rühmlich bekannt. Da jedoch diese Werke fast alle bisher noch in den Arbeitssälen des Künstlers blieben, und nur wenige (die unbedeutenderen) davon sich aus denselben nach unserem Norden zu entfernten, so war es sicher der Wunsch mehrerer Freunde der plastischen Kunst, diese wenigstens durch einige getreue Abbildungen genauer kennen zu lernen. Man wird sich noch aus Fernow’s Urtheilen erinnern, wie, in Hinsicht auf strengen, den Antiken in der Bildhauerei nah zu stellenden Styl, Canova’s, des gepriesensten und verdientesten Plastikers unserer Zeit, Arbeiten mit denen von Thorwaldsen, zum Vortheil des Letzteren, in Vergleich gestellt worden sind. Natürlich mußte dieser Vergleich bei der hohen Vortrefflichkeit Canova’s, als Künstler, der, von Winkelmann geleitet und begeistert, mit dem Studium der Natur besonders das der Antike, vorzüglich in Hinsicht aus die Behandlung des Marmors verbindend, die Bildhauerei der Neueren wiederum dem Wege zuzuführen versuchte, auf dem sie ehemals sich so herrlich zeigte, jenen schon bemerkten Wunsch noch höher spannen. Von dem jungen, bisher mehr durch Lobpreisungen, als durch seine Werke selbst unter uns bekannten Künstler, der mit dem älteren, allgemein durch seine Schöpfungen schon langst verehrten, glücklich gerungen haben sollte, wollte man wenigstens etwas sehen, was jene Lobpreisungen näher zu begründen im Stande wäre.
Diesem Wunsche ist nunmehr der verdienstvolle Künstler selbst entgegen gekommen, indem unter seiner Aussicht ein Heft bekannt gemacht worden ist, in welchem alle seine bedeutendere Arbeiten durch treue Abbildungen von drei geschickten Zeichnern bekannt gemacht wurden. Dieses Heft erschien im Jahre 1811 und führt folgenden Titel: Le statue e li bassirilievi inventati e scolpiti in Marmo dal Cavaliere Alberto Thorwaldsen scultore danese disegnati ed incisi dai Riepenhausen e da Ferdinando Mori, Roma 1811. Auf 31 Blättern in Med. Fol. sind eben so viele der bedeutenderen Arbeiten des Künstlers dargestellt, mit Angabe der Bedeutung und der Höhe, übrigens ohne erläuternden Text. Die in ihm enthaltenen Darstellungen, denen ich nach genauerer in Rom selbst, bei oftmals wiederholter Ansicht geschöpfter Kenntniß, einige Bemerkungen beifügen werde, sind folgende:
Erstes Blatt. Jason, halb en face, von Mori gestochen (Taf. 3). Die Abbildung desselben im Stich ist ziemlich genügend ausgefallen, nur wäre zu wünschen gewesen, daß der Schatten im rechten Arm etwas besser behandelt seyn möchte. Indeß ist doch das Ganze hinreichend, von diesem Meisterwerke eine richtige Idee zu ertheilen. Unstreitig nimmt diese Statue in der gesammten neueren Sculptur nicht bloß den ersten Platz ein, sondern sie schließt sich auch unmittelbar an das Vorzüglichere an, was, unter den Antiken, von der erhabenen Kunst der alten griechischen Meister bis auf unsere Zeiten gekommen ist. Während des ganzen Zeitlaufs der, in den letzt verflossenen vier Jahrhunderten wiedergebornen Bildhauerei, ist kein an Gedanken und Ausführung gleich vortreffliches Werk entstanden und selbst unter den Antiken, besonders denen, die auf römischem Boden ihr Daseyn erhielten, sind sehr viele, mit denen die Vergleichung sehr zu ihrem Nachtheil ausfallen dürfte. Darüber war und ist unter den Kunstverständigen in Nom nur Eine Stimme, dazu bietet die Vergleichung mit den alten und neueren Kunstschätzen in Rom wie in ganz Italien, die beste Gelegenheit dar. Der heroisch-edle, das natürlich-menschliche, dem Göttlichen nah verwandte Ideals darstellende Styl ist in ihr auf eine Art gegeben worden, die in unserer Zeit unsere volle Bewunderung verdient und in jedem künftigen Zeitalter, dem sie erhalten werden wird, selbst bei mehreren ähnlich vortrefflichen Arbeiten, immer das reinste Vergnügen verschaffen und den Sinn für strenge Kunst beleben wird. Das Problem, ob es für unsere Zeiten überhaupt noch möglich sey, ein, dem griechischen Kunstgenius gemäßes, und alle Forderungen in dieser Hinsicht befriedigendes, Werk zu schaffen, findet man in dem Thorwaldsenschen Jason auf das überraschendste gelößt. Nichts Rationelles, was besonders in den Sculpturarbeiten der neueren Zeit, entweder den Italiener oder den Franzosen oder den Deutschen und andere Nordlander gewöhnlich zu verrathen pflegt, laßt sich an diesem Werke bemerken. Aus classischem Boden ist es mehr noch aus wahrhaft classisch gebildetem Geiste hervorgegangen, und befriedigt die meisten, wo nicht alle die Forderungen, die ein in dem Beschauen und der Kritik der alten Meisterwerke der Kunst geübtes Auge nur machen dürfte. Schon bei dem ersten Anblick die ganze Haltung dieses Jasons, wie imposant, wie kräftig und einnehmend zugleich! Mit Charakterkraft, wie sie dem Führer der Argo geziemt, unter den Bedingungen der, bei Werken der schönen Kunst unerläßlichen Schönheitssinn tritt der Sohn des Aësons vor und auf, wahrscheinlich in dem Augenblick dargestellt, wo er, nach der Rückkehr aus Colchis (denn dieses bezeichnet deutlich das bedeutungsvoll vorgehaltene Widderflies) seinem alten Vater sich naht. Welch ein herrlicher zur Rache und Wiederverjüngung des von Pelias gestürzten schwachen Greises sich nähernder Sohn! Sein kräftiger Körper ist der deutlichste Beweis der vielen, von dem Verfolger seines Vaters ihm aufgelegten, aber glücklich von ihm beendigten Arbeiten und überstandenen Gefahren, ganz der Angabe der alten Mythe gemäß! Weise Entschlossenheit und lieblicher Heldensinn spricht aus seinem Antlitz. An den stolzerhobenen Nacken schließt sich die breite und hochgewölbte Heroenbrust, auf der die Würde des Mannes thront, und diese ruht auf einem gleich herrlichen Körper, wie das Capital auf dem Schaft einer ehrwürdigen dorischen Säule; die nervige Rechte halt hoch emporgehoben den Speer, und die Bewegung des Unterkörpers ist die des plötzlichen Anhaltens im sichern Schritte. Schon so, in Masse gesehen, muß und wird diese Statue die Wünsche und Erwartungen des Freundes der Kunst nicht unbefriedigt lassen; indeß werden auch die strenger untersuchenden Kunstrichter mit Vergnügen bemerken, daß ihren Förde, rungen überall entsprochen worden sey. Die reinste, in jedem Theile mit höchster Schärfe beobachtete Proportion oder das richtigste Ebenmaß der Verhältnisse im Heroenideal macht schon allein ein nicht genug zu schätzendes Verdienst dieser Statue aus, indem, in Hinsicht auf diese Eigenschaft nicht leicht nur Eine der Statuen der neueren Sculptur der gegenwärtigen gleich gestellt werden kann. Der denkende Künstler, der diese, nur mit der Kraft eines höheren Genius zu lösende, Ausgabe kennt, wird dieses Verdienst allein am besten zu würdigen verstehen; denn nicht durch künstliche Messung, sondern lediglich durch eine von langem Studium gebildete, das Wahre fest und sicher ergreifende Phantasie läßt sich dieses vollkommen und durchaus richtige Ebenmaß erringen. Es ist das Grundgebäude aller Vortrefflichkeit, dessen Aufführung bei weitem schwieriger ist, als Uneingeweihte und selbst viele Künstler es sich denken mögen. In ihm liegt die Basis von des Polyklets berühmten Canon, mit dem allein die strenge Kunst und der wahre Styl bestehen kann. Sodann die bestimmteste und richtigste Darstellung der gesammten Muskelbewegung; deren nothwendige Lage und Antagonismus, nebst ihrer vollkommensten Harmonie durch den ganzen Körper bei den verschiedenen Bewegungen der einzelnen Theile. Hier, in der Sculptur, bei einem durchaus nackten und von allen Seiten zu beschauenden und umgreifbaren Körper wird dem wahren Kenner des nackten und bewegten Menschenkörpers, der die Muskellehre in ihrem ganzen Umfange kennt, sich jeder Fehler um so mehr entdecken, je mehr jener Körper Muskeln zu zeigen nöthig hat. Leichter läßt sich der Mangel dieser Kenntniß in dem Künstler bei weniger thatigen oder weniger kraftigen Gestalten, am leichtesten aber in der Malerei verstecken. Selbst der große Kenner des Nackten, Michael Angelo, wie so manche Mängel in dieser Hinsicht durch Uebertreibung, in seinem geprießensten Statuen sogar, hat er sich nicht zu Schulden kommen lassen; und wie weit sind auch ein Giovanne von Bologna und ein della Porta von diesem Ziel der Vortrefflichkeit zurück geblieben! Mit allem Rechte vermag aber Thorwaldsen seinen Jason auch hier Allem, was die neuere Sculptur Gutes erzeugte, gegenüber zu stellen. Die tiefste Kenntniß, wie die zweckmäßigste Anwendung derselben, eine Weisheit der Anordnung und Behandlung, wie sie sich nur an den besseren Antiken offenbart, zeigt sich überall an seinem großen Werke. Dazu endlich noch seine, den Bedingungen der Schönheit allerwarts huldigende Mäßigung, die, indem sie die ganze Fülle seiner Kenntniß der Muskularbewegung nicht verhüllt, doch keinen Muskel auf Unkosten der anderen zu sehr hervortreten läßt. So ward es ihm aber auch möglich, ein Werk zu schaffen, das überall ein wahres, herrliches Leben in den Formen zeigt, die, weil sie die zweckmäßigsten sind, auch das allgemeine Wohlgefallen zu erregen vermögen.
Zweites Blatt. Auf diesem ist Jason von der Rükkenseite aus vorgestellt; indeß ist diese Ansicht weder glücklich genommen, noch so zart und treu, wie das Werk es verlangte, von dem Kupferstecher ausgeführt worden, dem überhaupt die Schattirungen nur selten gelingen wollen.
Drittes Blatt. Ein, 5 römische Palmen breites und 11 römische Palmen langes Basrelief, die Zurückgabe der Briseis an die Herolde des Agamemnon vorstellend, nach der bekannten Stelle in Homer’s Ilias G. 1, V. 345.
Jener sprach’s; und Patroklos, dem lieben Freunde
gehorchend,
Führte aus dem Zelt, und gab des Briseis rosige Tochter
Jenen dahin; und sie kehrten zurück zu den Schiffen
Achaia’s.
Ungern gieng mit ihnen das Mägdelein. Aber Achilleus
Weinend setzte sich schnell, abwärts von den Freunden
gesondert. —
Fünf Figuren, alle im edlen Styl der Antike gehalten und von trefflicher Ausführung, bilden das Basrelief. Wohl aber hätte Achilles selbst in einer etwas ruhigern Stellung, an der die vielen, zu gewaltsamen Winkel, besonders in den Extremitäten nicht ganz gefallen wollen, dargestellt werden sollen. Homer schildert ja nur den Tiefgekränkten.
Viertes Blatt. Ganymedes, eine 6 Palmen hohe Statue. Obgleich die Abbildung manche Incorrectheiten in der Zeichnung (denn der linke Schenkel ist nicht treu genug und zu mager dargestellt) hat, so blickt doch die hohe Lieblichkeit und der schöne Styl der Statue noch durch. Der Künstler laßt die ganze Schwere des Körpers auf die nicht unterstützte Seite fallen. Dieß hat hie und da einigen Anstoß gefunden. Indeß herrscht überall viel Grazie in der Statue, die in der linken aufgehobenen Hand eine Trinkschaale halt, indem ein Peribolaion vom Arm herabhängt, hinter dem Adler niedersinkend.
Fünftes Blatt. Apollo, eine, 6 römische Palmen hohe Statue, mit der Lyra in der Linken, dem Plektrum in der Rechten und an einem Baumsturz stehend. Sehr vorzüglich in dem Charakter des Musagetes.
Sechstes Blatt. Bacchus, eine, 6 römische Palmen hohe Statue, mit dem Thyrsusstabe in der Linken und einer Trinkschaale in der hochaufgehobenen Rechten. Von ganz vorzüglichem Verdienst.
Siebentes Blatt. Venus, eine, ebenfalls 6 römische Palmen hohe Statue. Sie halt in der Rechten den Apfel der Eris, und stützt sich mit der Linken auf einen Baumstamm. Von vorzüglicher Anmuth und herrlich ausgeführt.
Achtes Blatt. Psyche, eine, 6 römische Palmen hohe Statue. Besser und vortheilhafter für die Darstellung dieses schönen Kunstwerks wäre es gewesen, wenn der Kupferstecher den, besonders unter der Brust höchst widersinnig angegebenen Schatten ganz gespart und dagegen auf den Umriß mehr Fleiß verwendet hätte, der viel Plumpes hat.
Neuntes Blatt. Ein liebliches Gruppe, 6 römische Palmen hoch, Amor und Psyche, ebenfalls viele Mängel in dem Stich enthaltend, und die anmuthige Lieblichkeit der beiden Statuen fast gar nicht wiedergebend.
Zehntes Blatt. Dieses, nebst den drei folgenden stellt, von den Herrn Riepenhausen treu und fein gezeichnet, vier schöne, zu einem Taufstein gehörige Basreliefs dar, an denen die Composition, wie die Ausführung, gleich zu loben ist. Das erste zeigt in zwei Figuren die Taufe Christi durch Johannes; das zweite die Madonna mit dem Christuskinde auf dem Schoose und den kleinen Johannes vor ihr stehend; das dritte, Christus, wie er die Kinder aufnimmt; das vierte, eine Glorie von drei Genien.
Vierzehntes Blatt. Ein, 7 3/4- römische Palmen langes und 3 Palmen, 4 Unz. langes Basrelief, den auf der Lyra spielenden Apollo mit den, um die drei Grazien tanzenden, neun Musen vorstellend. — Eben so meisterhaft und ganz im Styl der Antike componirt, als lieblich und fleißig ausgeführt! In ihm sollte der Verein der Anmuth mit den Künsten ausgedrückt werden. Links sitzt, entfernt von der tanzenden Gruppe, Apollo Musagetes, ein herrlicher Gott! In der Mitte der mit ihren Attributen tanzenden Musen stehen auf einem erhabenen Felsenstück die Musen umschlungen. Der pyramidalische Anblick des Ganzen gewährt eine treffliche Wirkung, indem Alles leicht und schön aus einander geht, was bei Basreliefs, die viele Figuren enthalten, so selten der Fall ist. Nur wünscht man der einzigen Thalia eine etwas gefälligere Form. Die Hrn. Riepenhausen haben den Stich dieses Blattes besorgt.
Fünfzehntes Blatt. Hebe, eine, 7 römische Palmen hohe Statue. Auch in dieser bietet der Kupferstich viel Verfehltes dar; die Contours sind viel zu hart, und selbst das Zarte in den Verhältnissen ist nicht dargestellt worden. Mehr Weib, als Jungfrau, erscheint Hebe in diesem Blatte, und obgleich Canova’s bekannte Hebe in Hinsicht auf Lieblichkeit und Zartheit Manches vor dem Thorwaldsenschen voraus hat, so ist doch die Arbeit dieses Letzteren ein Wesen, das man nach diesem Umriß keineswegs schätzen dürfte.
Sechzehntes Blatt. Basrelief zu einem, im Großen auszuführenden Fronton an einem großen, öffentlichen Regierungs-Gebäude in Kopenhagen, von gehaltreicher Erfindung und trefflicher Zusammenstellung. Jupiter sitzt in der Mitte als Herrscher auf seinem Throne, rechts Minerva mit dem Oelzweig in der Hand und der Aegide zu ihren Füßen; links Nemesis mit dem Rade, beide auf den Stufen des Throns sitzend. Auf der rechten Seite in der Ecke liegt Oceanus, auf Delphinen und dem Meere ruhend; links, gegenüber liegt die Erde mit einem Füllhorn im Arm und einer Ziege zu ihren Füßen. Besser sind hier die Umrisse von Mori gegeben worden; nur ist der Kopf des Jupiter verfehlt und zu tief in die Schultern eingeschoben.
Siebzehntes Blatt nebst den drei folgenden enthält herrliche Basreliefs in Medaillons, 6 römische Palmen, 8 ½ Unzen im Durchmesser für das königliche Schloß in Kopenhagen. Auf dem ersten ist Herkules vorgestellt, wie er von der, vor ihm stehenden Hebe die Schaale der Unsterblichkeit empfängt. Es ist der Herakles Anapauomenos, ganz, wie es scheint, zur Auflösung des Problems von dem berühmten Torso (gegenwärtig in Paris, ehemals im Vatikan) gearbeitet. Er sitzt auf einem Felsenstück; in der linken Hand die Keule, in der rechten, deren Einbogen sich auf den höher hinaufgezogenen Schenkel (so wie es der Torso auch angiebt), stützt, die Schaale haltend, in die Hebe, eine äußerst liebliche Figur, den Nektar ausgießt. Das zweite Blatt giebt uns den sitzenden Aeskulap mit Hygiea, welche die Schlange am Stabe des Gottes der Heilung tränkt. Das folgende Blatt stellt die Erschaffung und Belebung des Menschen durch Prometheus und Minerva vor. Schön ist die alte sinnreiche Idee vom Aussetzen des Papilions auf des werdenden Menschen Kopf, durch Minerva hier wiederholt worden. Das letzte Blatt zeigt uns Jupiter sitzend und Nemesis vor ihm stehend, eine Rolle ablesend. Sinnreich ist der Act der höchsten Richter-Entscheidung hier vorgetragen. Nur fällt es auf, daß Jupiter, gegen den nothwendigen Ernst seiner Würde, den rechten Arm, der die Blitze halt, etwas sehr ungenirt hinter den Rücken seines Stuhls zurückgeschoben hat. Diese vier Medaillons sind von den Hrn. Riepenhausen treu und gefällig wiedergegeben worden.
Ein und zwanzigstes Blatt. Adonis, eine, 8 röm. Palmen, 4 Unzen hohe Statue. Im großen, herrlichen Styl und würdig, dem berühmten Meleager (jetzt in Paris) gegenüber gestellt zu werden. Kraft und Lieblichkeit der Jugendformen des, von Aphroditen so sehr geliebten, Jünglings sind hier schön geeint. Gut von Mori wiedergegeben.
Zwei und zwanzigstes Blatt. Hektor, den Paris mit Vorwürfen demüthigend, ein Basrelief, nach den Worten der Ilias Ges. 6. V. 321.
Ihn im Gemach dort fand er, die stattlichen Waffen
durchforschend,
Panzer und Schild, und glättend das Horn des
krummen Geschosses.
Aber Helena saß, die Argeierin, unter den Weibern
Aemsig, den Mägden umher anmuthige Werke ge-
bietend.
Hektor schalt ihn erblickend, und rief die beschämenden
Worte —
In diesem Basrelief sitzt Paris auf einem etwas neumodischen Stuhle, mit ziemlich niedergeschlagenem Gesichte, und Helena stickend ihm zur Seite. Hektor, dessen Anstand und Haltung nicht gefallen will und französirend theatralisch ist, steht mit zürnendem Blick vor ihm. Nicht ganz scheint der Sinn des Homerischen Bildes in dieser Darstellung gefaßt, und dieses Basrelief hat unter allen Arbeiten Thorwaldsens sicher den wenigsten Werth. Uebrigens ist es von den Hrn. Riepenhausen gut gestochen.
Drei und zwanzigstes Blatt. Die Geburt der Venus, ein Basrelief. Klein und im Ganzen unbedeutend, das hier aufgenommen zu werden nicht verdiente.
Vier und zwanzigstes Blatt. Amor, von einer Biene verwundet und seinen Schmerz seiner Mutter klagend, nach Anakreon, ein Basrelief. Von höchster Lieblichkeit in Composition und Ausführung und gut von Mori wiedergegeben.
Fünf und zwanzigstes Blatt. Merkur, der den eben gebornen Bacchus zur Saugamme tragt, ein Basrelief. Ebenfalls sehr schon componirt und treu gestochen.
Sechs und zwanzigstes Blatt. Ein, auf einem Löwen reitender Amorino, der Löwenhändiger, ein Basrelief; von Mori gestochen.
Sieben und zwanzigstes Blatt. Amor mit dem Schmetterling in der erhobenen linken und den Pfeil in der rechten Hand, auf einem Baumstamm sitzend; eine Statue 6 ½ röm. Palmen hoch, von Mori gut gestochen. Eine treffliche, des Ruhms des Meisters nicht unwürdige Arbeit. Es ist der große griechische Eros, in lieblicher Jünglingsform mit großen Flügeln, wie die alten campanischen Vasen sie zeigen.
Acht und zwanzigstes Blatt. Bacchus, der dem Amor zu trinken reicht, Basrelief; 2 römische Palmen 5 Unzen hoch, und 3 Palmen 3 Unz. lang. Schöne Nachbildung der Antike.
Neun und zwanzigstes Blatt. Eine Caritas, 3 röm. Palmen hoch und 2 breit. Von vielem Verdienst, in zärtlichem Ausdruck.
Dreißigstes Blatt. Amor und Psyche, ein Basrelief; 3 röm. Palmen hoch und 5 röm Palmen lang. Ein, nach Apulejus componirtes , sehr liebliches Gruppo, von den Hrn. Riepenhausen sehr gut wieder gegeben.
Ein und dreißigstes Blatt. Mars, eine, II röm. Palmen 3 Unz. hohe Statue (Taf. 3.) An Höhe übertrifft diese Statue den Jason noch um 3 Zoll, an Werth kommt sie ihm in vieler Hinsicht ziemlich gleich; sie gehört aber zu den letzteren Arbeiten des Künstlers, Alles was in Rücksicht aus grandiosen Styl und kenntnißvolle Behandlung des Nackten an dem Jason gerühmt wird, gilt auch von diesem Mars, der aber nur dann gerig gewürdigt werden kann, wenn man erwagt, daß der Künstler hier Zucht den zum Kampfe ausschreitenden, sondern vielmehr den, zum Frieden geneigten Kriegsgott hier hat vorstellen wellen. Deshalb halt er umgekehrt den gewaltigen Speer, stebt sein Helm zu seinen Füßen, hangt das Schwert am Baumstamm, an dessen Fuß sich 2 Taubchen schnäbeln, faßt er in seiner Linken den Oelzweig, des Friedens Symbol, und blickt er freundlich zur Erde herab. Der allgemeinen Stimme der Künstler und Kunstkenner zu Folge, gebort auch diese Statue, obgleich sie dem Jason noch den Vorzug vor ihr zugestehen, zu dem Vortrefflichsten, was die neuere Kunst hervorgebracht hat Sie bezeugt aber zugleich, wie der Genius des dänischen Künstlers sich vorzüglich im heroischen, der Antike entweder ganz nahkommenden oder fast gleichzustellenden Styl in ausgezeichneter, bis auf ihn nie noch erreichter Vortrefflichkeit bewahre; daß er hierin selbst dem großen Canova bei weitem überlegen sey; während daß im anmuthigen und gefalligen Styl, an Mädchens – und Jünglings-Gestalten vorzüglich wahrnehmbar, er bloß in den Verhaltnissen und der Composition des Ganzen mit diesem neueren Meister in Competenz gestellt werden dürfe, indem dieser in Rücksicht auf die Behandlung des Marmors in Detail noch Vieles vor ihm zum Voraus hat. Hierin ist Canova’s Verdienst dem der alten griechischen Meister, an den schönsten uns noch erhaltenen Antiken erkennbar, zur Zeit allein noch gleich zu stellen. Indeß laßt sich von einem Thorwaldsen auch in diesem Stücke, bei seinem rastlosen Streben nach Vollkommenheit, noch viel erwarten.
F. Sickler.