Der wundersame König.
Ein wundersamer König
Durchzieht das deutsche Land,
Sein Name wird von Allen
Mit Ehrfurcht nur genannt.
Er ist ein wundersamer,
Hochnord’scher Göttersohn,
Der hat nicht Land und Leute,
Auch keinen goldenen Thron.
Doch neigen sich die Völker
Vor seiner Hoheit Macht,
Wo er erscheint, erblühen
Die Künste über Nacht.
Von den Hrÿmthußen einer,
Durch Ymers Blut genährt,
Hat er der Eiswelt Kälte
Den Rücken zugekehrt.
Schneeweiß in Glanz der Locken,
Von inn[e]rer Gluth erregt,
Hat er nach Musspelt Südwärts
Den mächtigen Schritt bewegt.
Dort aus den Götterhänden
Geht eine Welt hervor
Von hehren Lichtgebilden
So schön, wie nie zuvor
Dies sind die Unterthanen
Das mächt’gen Königs dort,
Die er vom Süden sendet
nach Ost und West und Nord.
In Erz und Stein gebildet,
Unsterblich wie der Gott
Stehn sie, da festgegründet,
Nach seinem Machtgebot.
Ein Dionys-Osiris,
Vom Himmel hergesandt,
Durchzieht er triumphierend
Also das weite Land.
Der Wundersame König,
Daß Reich die ganze Welt,
Hat sich, o hört es, Freunde,
Heut auch zu uns gesellt.
Wir huldigen ihm gerne
Mit Liebe, Lied und Glas
Und opfern ihm in Strömen
Begeisternd heiliges Naß.
Thorvaldsen heißt der König!
Der Name ewig Klingt!
Drum rufet laut: Er lebe!
Daß es zum Himmel dringt!
München am Festmahls-Tage, den 15ten Juli 1841. |
Dr. Rudolph Marggraff (Einer von den Zwanglosen) |
München, den 15 Juli 1841. |
Vom Großen und unerreichbaren, allverehrten und allbewunderten Meister der Kunst, Albert von Thorwaldsen hochachtungsvollst zugeeignet von Dr. Rudolph Marggraff. |
Die
Reiterstatue
des
Churfürsten Maximilian I.
von Bayern
auf dem
Wittelsbacher Platze zu München.
Nebst
einer in Stein gravirten Abbildung der Statue.
München 1840.
Mey und Widmayer’sche Kunsthandlung.
Die Reiterstatue des Churfürsten Maximilian I. von Bayern.
1.Geschichte der Entstehung und Vollendung des Werkes.
König Ludwig I. von Bayern, schon seit längerer Zeit entschlossen, seinem grossen Vorfahren Churfürst Maximilian I., dem Begründer der Grösse des bayer’schen Namens, ein Denkmal zu setzen, welches nicht nur das ruhmvolle Andenken des Gefeierten im Volke erhalten, sondern zugleich auch ein sprechendes Zeugniss von der Höhe der gegenwärtigen Kunst sein sollte, ertheilte im Jahre 1832, während seines Aufenthaltes in Rom, dem Bildhauer Albert Thorwaldsen den Auftrag, Zeichnung und Modell zu einer monumentalen Reiterstatue dieses Fürsten anzufertigen. Die vorgelegten Entwürfe erhielten den Beifall und die Genehmigung des Königs, und bald war der Künstler so weit, um die Ausführung des grossen Modells beginnen zu können. Bey der Modellirung des Kopfes wurde das von Niklas Prucker herrührende Bildniss des Churfürsten in der Schleissheimer Galerie zu Grunde gelegt.
Italienische Fuhrleute brachten am 24. August 1836 auf einem mit Mauleseln bespannten Wagen das fertige kolossale Modell nach der königl. Erzgiesserei in München, und bald darauf liess der Inspector derselben, Johann Baptist Stiglmaier, dem der Guss übertragen worden, mit den ersten Vorarbeiten zur Herstellung der Form beginnen.
Es entstand jetzt die Frage, ob dieses kolossale Werk aus einem Stücke oder das Pferd und der Reiter abgesondert von einander gegossen werden sollten. Die Alten pflegten ihre Erzfiguren aus vielen einzelnen, von einander getrennt gegossenen Stücken zusammen zu setzen, wie unter ändern auch die jüngst durch den König erworbene, aus sieben Stücken bestehende volcentische Gewandfigur in der Glyptothek beweist, und ohne Zweifel ist die hohe Vollendung in der Ausführung der antiken Bronzearbeiten hauptsächlich dem Umstande zuzuschreiben, dass damals der Erfinder des Werkes meistentheils auch persönlich die Anfertigung der Form, so wie den Guss, die Zusammenfügung der einzelnen Stücke und deren Ueberarbeitung selbst leitete, was jetzt in der Regel nicht mehr geschieht. Je grössere Stücke man demnach auf einmal giessen kann, desto eher ist es möglich, die eigenthümlichen Vorzüge des Modells getreu durch den Guss wiederzugeben. Daher entschied man sich dafür, das Pferd sammt einem Theile des Reiters aus einem Stücke, den oberen Theil der Statue aber besonders zu giessen, um die Möglichkeit herzustellen, nach geschehenem Gusse den Kern und das denselben festhaltende Eisengeripp herausnehmen zu können.
In den ersten Tagen des Monats April 1839 kam man mit der Form zum Gusse des Pferdes zu Ende. Es wurden sofort etwa 250 Zentner türkisches Kanonenmetall in den Schmelzofen eingelegt und in der Nacht vom 12. auf den 13. desselben Monats zum Fluss gebracht. An dem zuletzt genannten Tage, Vormittags um 10 Uhr, wurde endlich, als das geschmolzene Erz völlig gar war und den höchsten Grad von Flüssigkeit erreicht hatte, im Beyseyn des Herzogs von Leuchtenberg, mehrerer Generäle und fremder Gesandten, so wie einer grossen Anzahl von Künstlern und Kunstfreunden, durch den k. Inspector Stiglmaier der Zapfen ausgestossen. Das geschmolzene Erz floss ruhig und mit allen Merkmalen einer sicheren und gleichmässigen Vertheilung und Füllung allmälig durch die im Kanal angebrachten zwölf Gussröhren, von welchen zuerst nacheinander vier, alsdann mit einmal acht geöffnet wurden, in die Hohlräume der Form. Die in den letztem enthaltene Luft presste sich, ganz der Ordnung gemäss, durch die zwölf Windpfeifen heraus, so dass an einem vollkommenen Gelingen des Gusses durchaus nicht zu zweifeln war. Innerhalb vier Minuten war die Form bis zum Rande gefüllt. Ein lauter, langer Jubelruf begleitete den glücklichen Erfolg. Von dem eingelegten Metall hatten etwa 100 Zentner als Aufguss gedient, um durch den Druck desselben der in die Form einfliessenden Masse grössere Dichtigkeit zu geben; das übrige ist demnach, mit Ausnahme von etwa 10 bis 15 Zentnern, die sich durch die Hitze verzehrt haben mögen, als aufgenommen in die Form anzusehen.
Wenige Tage nach Beendigung des Gusses begann man die Form von der umhüllenden Erde zu befreien. Als man bis zu dem Kopf des Pferdes gelangt, und das erste Stück der Form hinweggenommen war, stieg der Meister des Gusses in die Tiefe der Grube hinab, wo zuerst das erzene Auge des Thieres wohlgelungen und in den schönsten Regenbogenfarben schimmernd seinem Blick entgegentrat. Von dem Gefühl begeisterter Rührung ergriffen, brach er hier jetzt in die von allen Anwesenden mit freudigem Zuruf begleiteten, freudigen Worte aus: “Dieses Auge wird noch Jahrhunderte lang den Ruhm unseres Königs verkündigen!”
Nach und nach kam so das ganze Werk vollkommen gelungen im reinsten und dichtesten Guss zum Vorschein. Nach Entfernung des Kerns begannen die Ciseleurs ihre Arbeit, und obgleich von jetzt an täglich sechs bis acht Arbeiter zu gleicher Zeit unausgesetzt mit dem Aushämmern und Befeilen des Erzgusses beschäftigt waren, so kamen sie damit dennoch erst um die Mitte Septembers zu Ende. Noch bevor die Figur des Reiters aufgesetzt wurde, wollte man versuchen, wie viele Männer der hohle Bauch des Riesenpferdes zu fassen im Stande wäre. Es verbargen sich in ihm neunzehn Arbeiter, aber bequem hätten noch weitere sieben darin Platz finden können.
Inzwischen hatten bereits auf dem Wittelsbacher Platze in München die Vorbereitungen zur Grundlegung und Errichtung des steinernen Fussgestells nach dem Entwürfe des Herrn Geheimen-Oberbauraths von Klenze, durch den Steinmetzmeister Höllriegel ihren Anfang genommen. Dasselbe besteht aus 66 Stücken eines vaterländischen, feinpolirten, hellgrauen Granitmarmors aus Neubeuern, hat die Gestalt eines länglichen Würfels mit Base, Gesims und Plinthe, ist 17 Schuh 3 Zoll und 6 Linien hoch, 16 Schuh lang und 8 Schuh breit, und nach dem ausdrücklichen Willen des Königs in passender Weise mit nichts anderem geschmückt, als mit zweien, mittelst bronzener Buchstaben an den Schmalseiten angebrachten Inschriften, wovon die an der Vorderseite lautet:
Maximilian I. Churfürst von Bayern.
und die an der Rückseite:
Errichtet von Ludwig I. Koenig von Bayern XII. October MDCCCXXXIX.
Am 27. September wurde die vollendete Statue, in ein weisses Tuch gehüllt, auf einem mit zehn Pferden bespannten und mit Kränzen und Fähnlein geschmückten Rollwagen aus der Erzgiesserei nach dem Wittelsbacher Platz gebracht, um auf ihrem Postament aufgestellt zu werden. Die Aufrichtung des kolossalen, über 225 Zentner wiegenden Werkes ging mit Hülfe eines einfachen Hebezuges leicht und trefflich von Statten. Die ganze Last desselben ruht nur auf drei Beinen des Pferdes, die Befestigung aber ist mit der grössten Vorsicht und Sicherheit bewerkstelligt worden, indem man von den dreien, auf der Plinthe aufliegenden Hufen lange und schwere eiserne Schrauben durch das ganze steinerne Fussgestell herablaufen liess, die unterhalb durch starke Klammern festgehalten werden.
2. Enthüllung des Denkmals.
Schon am Vorabende des 12. Oktobers, des Maximilianstages, an welchem die Enthüllung des Denkmals stattfinden sollte, sah man viele Leute nach dem Wittelsbacher Platze wallfahrten, wo, in fast unheimlicher Stille, das Denkmal in ein weisses mit blauen Verzierungen geschmücktes Tuch gehüllt stand. Vom frühen Morgen des folgenden Tages an war die ganze Stadt in Bewegung. Die Landwehr der Hauptstadt versammelte sich auf dem Maximilians-Platze, die gesammte Garnison aber in der neuen und geräumigen Ludwigsstrasse, deren Prachtgebäude zu diesem Schauspiel die würdigste und schönste Umrahmung darboten. Nachdem der König, in Begleitung der Prinzen des königlichen Hauses und des grossen militairischen Gefolges, Linientruppen und Landwehr gemustert hatte, begab sich Derselbe auf den Wittelsbacher Platz, wo in der Nähe des Monuments die königlichen Ministerien und übrigen Behörden sowie die Magistrate der Stadt zu seinem Empfange bereit standen. Als der König vom Pferde gestiegen war und das Zeichen zum Anfänge der feierlichen Handlung gegeben hatte, hielt der Minister des Innern, Herr von Abel eine Anrede an Denselben, der wir nachfolgende, für Sinn, Bedeutung und Kunstwerth des Denkmals vorzüglich bezeichnende und schöne Stellen entlehnen.
“Ein Denkmal”, sagte er unter anderm, “soll sich unsern Blicken enthüllen, an welchem die Würde des Gegenstandes mit dem Adel der Kunstform in der vollendetsten Harmonie sich vermählet hat: ein wahrhaft königliches Denkmal, welches Eure Majestät mit königlichem Sinn und mit königlicher Freigebigkeit einem der grössten Fürsten aus dem erlauchten Hause der Wittelsbacher durch einen der grössten Meister plastischer Kunst haben bilden lassen. Maximilian I., Maximilian der Bayer, Maximilian der Teutsche ist es, den — herrlich, herrschend und gebietend, wie er in der Zeit erschienen, — diess Denkmal den bewundernden Augen darstellt. Und wahrlich! Ein würdigerer Gegenstand war wohl für solche Darstellung nicht aufzufinden, als der Fürst, der in 52jähriger Regierung und in grösser, schwerer Zeit der Hort und der Stolz seines Landes und eine Zierde seiner Zeit gewesen, der mit geringen Mitteln einen Riesenkampf gegen die grössten Männer seiner Zeit ruhmvoll bestanden, weil er — mit ausserordentlichen Geistesgaben, unerschütterlicher Charakterfestigkeit und allen grossen Herrschereigenschaften in seltenem Maasse ausgestattet — immer nur Eines, und dieses Eine mit der ganzen Kraft seiner grossen Seele gewollt und angestrebt; weil ihm frühe klar geworden, dass Geist und Muth Alles geben und nehmen, und dass nur durch sie die Welt einst von Fingals Halle bis nach Babylon einer einzigen Stadt unterthan geworden, und weil er wohl erkannt, dass in dem Getümmel drängender Begebenheiten und hereinbrechender Umwälzungen, Kühnheit und physische Kraft der Dränger weniger zu fürchten sind, als die Schwäche und Verblendung derer, die sich selbst aufgeben und vergessen. Was aber Maximilian I. gewollt und angestrebt hat, es war nur Edles und Grosses.” Und weiterhin: “So wird denn dieses Denkmal fortan grosse Lehren, grosse Eigenschaften und grosse Erinnerungen verkörpern, und es wird durch dasselbe und in demselben Maximilian I. täglich zu seinen erlauchten Nachkommen und zu seinem geliebten Volke sprechen. Doch damit ist des Denkmals tiefere Bedeutung noch nicht erschöpft. Diess Denkmal wird für und für den Namen und den Ruhm Maximilians I. mit dem Namen und dem Ruhme Eurer Königlichen Majestät untrennbar verknüpfen. Sein Anblick wird in dieser Doppelbedeutung jedes Bayern Brust auch noch in der fernsten Zukunft mit stolzem Hochgefühle erfüllen, und an demselben werden späte Enkel noch das Andenken zweier erlauchten Wittelsbacher segnen, die als Fürsten und Menschen gleich gross, gleich edel und gleich erhaben gewesen sind.”
Unmittelbar nach Beendigung dieser Anrede erwiederte der König: “Es ist eine alte Schuld Bayerns, eine fast zweihundertjährige, die heute abgetragen wird”
Jetzt liess, auf einen Wink des Königs, Stiglmaier der bewährte Meister des Gusses, die Hülle, welche das Monument bis dahin noch verdeckt hatte, mit einem Zuge rasch niedersinken, und als nun das erzene Standbild, von der hellsten Mittagssonne beschienen, in seiner ganzen Schönheit vor den Augen der Menge sich entfaltete, konnte diese einen unwillkührlichen Ausruf des Staunens und der Verwunderung nicht unterdrücken, während Paucken und Trompeten schmetterten und aus der Ferne der Donner des Geschützes sich vernehmen liess. Ein zahlreiches Sängerchor trug sodann unter Begleitung der Instrumente ein zu diesem Zweck durch den ehemaligen Hofmusik-Intendanten, Freyherrn von Poysl, verfasstes Gedicht nach der bekannten Melodie des Walhallaliedes vor, worauf der König wieder zu Pferde stieg, um sich nach dem Odeonplatze zu verfügen. Die Truppen der Garnison und Landwehr zogen hier bey ihm vorüber, und salutirten sodann vor dem enthüllten Monument, bey welchem sie weiterhin mit klingendem Spiele vorbeimarschirten.
Damit endigte diese auf eine ebenso einfache als würdige Weise begangene Feier.
3. Nähere Betrachtung der Statue.
Werfen wir jetzt noch einen Blick auf das in seiner ganzen Herrlichkeit vor uns enthüllte Denkmal, so ist es vor allem nicht nur das schöne Verhältniss des Piedestals zum Reiter, sondern auch das des gesammten Werks überhaupt zu dem Platze und dessen Umgebungen, was wir bewundern müssen: eine Erscheinung, die wir theils dem Architecten, welcher das Piedestal anordnete, theils dem Meister der Statue selbst zuzuschreiben haben, der, wie man glauben möchte, bey dem Aufbau des Modells die Wirkung des fertigen Ganzen an Ort und Stelle lebendig vor Augen gehabt hat.*) Der Platz ist etwa 80 Schritt breit und 112 Schritt lang; die Höhe der Reiterstatue vom Fusse des Pferdes bis zum Scheitel des Reiters beträgt 17 ½ bayer. Schuh, die Höhe des ganzen Monumentes etwa 35 Schuh; der Reiter würde, wenn er aufgerichtet stünde, 13 ½ Schuh messen. Die Reitergestalt ist wie das Pferd hohl, und es beträgt die Metalldicke ½ Zoll. An der untern Seite des Sattelgurtes sind folgende Worte zu lesen:
Gezeichnet und modellirt von Albert von Thorwaldsen. Gegossen 1839 von Joh. Bapt. Stiglmaier aus türkischen Kanonen von bei Navarin in den Grund gebohrten Schiffen.
Der Churfürst ist als Feldherr dargestellt, wie er, sitzend auf hohem Ross, den rechten Arm mit vorgestrecktem Zeigefinger wie zum Befehl des Aufbruchs gegen den Feind erhebt, während die Linke das mit dem rechten Fuss bereits vorgeschrittene Thier mit dem Zügel einhält. Der linke Vorderfuss des Pferdes ist erhoben und in einer Bewegung, die das Verlangen weiter vorwärts auszuschreiten deutlich kund giebt. Auch der wehende, mässig lange Schweif des Thieres ist mächtig und in fast horizontaler Lage mit dem Rückenkreuz in die Höhe gezogen, wodurch die schönen Formen der Hinterschenkel dem Anblick frei gegeben sind.
Des Churfürsten Kleidung ist die ritterliche Feldtracht des deutschen Mittelalters. Er erscheint vollständig gewappnet, mit Brust- und Rückenharnisch, mit Halbschienen an Armen und Beinen und mit übergehängter Feldbinde, das lange Schwert an der Seite, die Pistolen im Sattelgurt steckend, in dessen Verzierungen ebenfalls jene Zeit wiedergegeben ist. Seine Brust schmückt der Orden des goldenen Vliesses; das unbedeckte Haupt zeigt lang herabfallendes, schlichtes Haar eine mächtig hohe, etwas gefurchte Stirn, eine kräftig geformte Adlernase und ernste männliche Züge, in welchen sich der unerschütterlich feste, entschiedene Charakter und der kriegerische Sinn des Fürsten bedeutungsvoll aussprechen. Gleich der Kleidung trägt auch das Haupt, nach Bildung und Ausdruck, das Gepräge seines Zeitalters, und fast unwillkührlich fühlen wir uns beim Anblick desselben an die ähnlichen Physiognomieen Wallensteins, Tillys, Gustav Adolphs und so mancher anderer Helden damaliger Zeit erinnert. Auch in dieser Beziehung ist mithin das Werk als ein sprechendes Denkmal jener Zeit anzusehen. Keine am Piedestal etwa angebrachte, symbolische oder historische Reliefdarstellung würde uns beredter, als diese würdige und lebendig bezeichnete Gestalt selbst, verkündigen, was sie und die Handlung, in der sie begriffen ist, zu bedeuten haben. Darum hat der königliche Stifter dieses Denkmals jeden Schmuck von dem Fussgestell entfernt gehalten, um den mächtigen Eindruck der Persönlichkeit des ordnenden und gebietenden Feldherrn ungetheilt und darum auch um so ergreifender und überzeugender wirken zu lassen. Auch giebt uns diese einfach würdige und streng im Character der Zeit gehaltene Darstellung des Churfürsten den offenbaren Beweis, dass die monumentale Sculptur unter den Händen des ächten Künstlers keiner Entstellung oder Verhüllung des nationalen Zeitkostüms bedarf, um den Anforderungen der Schönheit und charakteristischen Wahrheit zugleich zu entsprechen.
Kenner sagen, dass am Pferde der kleine Kopf und die Hinterschenkel nebst Schweif der arabischen, der etwas stark geformte Rumpf und die Füsse einer anderen Race angehören, und sie haben diess als einen Fehler gegen die Consequenz, die in der Durchbildung eines Kunstwerks herrschen solle, vorzüglich desshalb getadelt, weil das Pferd dadurch aufhören würde, ein deutsches Pferd zu seyn, wie doch der Churfürst, allem Vermuthen nach, geritten haben möchte. In dieser Beziehung dürfte man jedoch vielleicht fragen, wo der Bildner ein untrügliches Muster für ein deutsches Pferd damaliger Zeit hätte hernehmen sollen, da doch unsere heutige deutsche Race kaum für eine ursprünglich reine noch gelten kann. Der Künstler sah sich mithin schon durch die äussere Nothwendigkeit veranlasst, aus seiner Phantasie heraus sich ein neues Thiergebilde zu erschaffen, und er that diess mit künstlerischem Bewusstsein, indem er, an die Gesetze antiker Plastik sich haltend, die vereinzelt in der Natur Vorgefundenen schönen und charakteristischen Formen zu einem organisch lebendigen, vollendeten Ganzen zu vereinigen wusste. So haben wir ein Thier vor unseren Augen, welches allerdings weder rein der arabischen Race, noch auch rein der deutschen, wie sie damals war, angehören mag, bey allem dem aber dennoch ein charakteristisch schönes, mit innerer Nothwendigkeit in sich vollendetes Kunstgebilde darbietet. Indem jedoch der Künstler den Kumpf des Pferdes nicht gerade nach der Musterform eines arabischen Vollblutthieres, sondern in der Art gestaltete, wie vor zwei Jahrhunderten die deutsche Race etwa gebildet sein mochte, ohne doch damit ins Unschöne und Widersprechende zu verfallen, ist derselbe zugleich der individuellen Formenbildung deutscher Racepferde, soweit es die Forderung der Schönheit nur irgend gestattete, treu geblieben. Mehr war unter den obwaltenden Umständen kaum zu leisten, wenn man auch zugeben muss, dass in einzelnen Kleinigkeiten, wie etwa in der Bildung und Hebung des Schweifes, eine Benutzung anderer Motive zur Steigerung des harmonischen Eindruckes beigetragen haben würde.
Die Stimme der Kritik aber schweigt gern, wo, wie in diesem erzenen Bildwerke, die Vollendung und Selbstständigkeit der Kunst so deutlich und vernehmlich spricht. Ein wirkliches Missverhältniss der Formen ist an der Bildung des Thieres nicht wahrzunehmen, so wenig dieselbe im Ganzen auch einer besonderen natürlichen Race entsprechen mag. Und mit welcher Sorgfalt und feinfühlenden Wahrheit ist nicht das Ganze in allen seinen Theilen, bis zu den geringfügigsten Einzelnheiten herab, plastisch durchgebildet; wie weich sind nicht die organischen Formen und Gliederungen des Körpers; wie lebendig erweisst sich nicht das Muskelspiel in den auftretenden und gehobenen Beinen; und wie natürlich anmuthig ist nicht die Biegung des Nackens und die Bewegung des etwas eingezogenen Kopfes wiedergegeben. Offenbar ist es die Wirkung der plötzlich eingehaltenen Bewegung, welche dem Thiere noch durch alle Glieder zuckt!
Die Bedenken der Kenner betreffen nur einzelne unwesentliche Erscheinungen am Pferde, nicht aber den Reiter, gegen welchen Niemand etwas auszusetzen hat, es müssten denn diejenigen sein, welche nicht begreifen können, dass die Entblössung dieses Hauptes dazu gehört, um es in seiner ganzen Würde und Bedeutsamkeit erscheinen zu lassen. Die gerade und doch leichte Haltung der ganzen Figur, die ernsten Züge, der fast düstre, aber dennoch lebhafte und scharfe Blick, die ruhige Bewegung des kräftig ausgestreckten Arms, und die Sicherheit, mit welcher der Reiter fest im Sattel sitzt, alles vereinigt sich, um den ruhigen und befriedigenden Eindruck hervorzubringen, wie er der Persönlichkeit des Feldherrn in dem Augenblick der Handlung angemessen war. Uebrigens bietet diese Statue von allen Seiten den befriedigendsten Anblick dar; die Verhältnisse und Linien sind überall von einer gleich schönen und gleich harmonischen Wirkung, und in dieser Gesammtvollendung der Anlage und plastischen Gestaltung ist es daher auch vorzugsweise zu suchen, wenn das Ganze das Gepräge der vollendetsten Anmuth und Schönheit an sich trägt. —
München, im Januar 1840. |
Dr. Rud. Marggraff. |