Endlich ist der allgemeine Wunsch nicht nur der Künstler allein, sondern der sämmtlich gebildeten Einwohner von München in Erfüllung gegangen. Der in dem ganzen kultivirten Europa hochverehrte Bildner Ritter von Thorwaldsen ist hier, und sein in seiner Einfachheit wohl getroffenes Bild ist nebst dem berühmten Schinkel und Rauch aus Berlin in allen Kunsthandlungen ausgestellt. Bereits hat Er von verdienten b. Künstlern begleitet mehrere Kunstanstalten allhier mit seinem Besuche und Beifall beehrt, welch letzterer von einem erfahrnen ruhigen Denker ausgesprochen um desto ehrenvoller ist. Die Künstler von München sahen es als ihren eigenen, und als einen Triumph der Kunst selbst an, daß derselbe Freitags Abends von ihnen im Paradiesgarten mit allem Prachtaufwande veranstaltetes Banquet angenommen, und sie alle dabei mit seiner Gegenwart erfreut hat. ‒ Dieser viereckichte der Länge nach mit Seitenzimmern, und oben mit einer Tribune versehene Saal wurde durch gemeinschaft-Zusammenwirkung oben in einen roth und weiß dekorirten Plavond verwandelt. Die mit geschmackvollen Arabesken verzierte Kuppel stellte in 4 mythologischen Bildern die göttliche Abkunft der Bildhauerkunst vor, nämlich das höchste des Menschen, den Gedanken, und die Schönheit, womit der Gedanke ausgeführt wird. ‒ Da springt mit Hülfe Vulkans Minerva die Göttinn aller Künste, und Wissenschaften zu Schutz und Trutz bewaffnet aus dem Gehirne Jupiters des Erstens der Götter hervor. ‒ Gleich daneben beschenkt Minerva, den Schmetterling auf ihren Finger haltend, den von Prometheus aufrechtgebildeten Menschen mit der Unsterblichkeit: denn die Sonne leuchtet, der Donner rollt, und die Morgenröthe schimmert; allein der Mensch sieht, und spricht, und sein Antlitz regiert die Erde. ‒ Da steigt Venus von Tritonen umgeben auf einer Muschel aus dem Schaume des Meeres hervor ‒ und auf einem andern Bilde schenkt sie auf Pygmalions Bitte dem von ihm auf das innigste geliebten Bilde in Cypern das Leben. Diese Kuppel wurde auf die nämliche Weise, wie seiner Zeit der Götter-Plavond vom Cornelius in der Glypthothek, von einem unsichtbaren Feuer aus der Schaale eines kunstreichen Kandelabres beleuchtet. ‒ Als Thorwaldsen an dem mit Pechpfannen beleuchteten, und bis in das Innere des Saales mit lebendigen grünen Festons verzierten Paradies-Garten anlangte, wurde er von einer Deputation der Künstler in die Mitte genommen, und oben mit einem Lebehoch, und einem Rundgesange empfangen. ‒ Der Mann welcher mit eben so viel Ehrerbiethung, Haltung und Würde vor den Fürsten zu stehen, als Er mit der zuvorkommensten Herzlichkeit mit den übrigen Menschen umzugehen versteht, mischte sich mit freundschaftlichen Gesprächen unter seine Kunstgenossen, welche Ihn bewillkommt hatten. ‒ Dann setzte man sich an die schön beleuchtete, und geschmackvoll bediente Tafel von 160 Couverts, von sanften Harfen-Tönen begleitet, ‒ bis endlich Thorwaldsen aufstand, und eben so in größter Ehrerbiethung als mit dem lautesten Jubel die Toast auf den großmüthigsten Beschützer der Künste auf unsern König Ludwig ausbrachte. Heil unserm Könige ertönte es hierauf und ergriff alle Herzen mit einer erbebenden Empfindung ‒ worauf erst die Toast auf Thorwaldsen selbst unter Trompeten, und Pauken ausgebracht, und mit einem Gesange begleitet wurde.
Zweimal wollte der Hochgefeierte sich entfernen, und eben so oft wurde Er von seinen dankbaren Kunstgenossen (denen er sich in Rom nicht selten als ein wahrer Freund bewiesen hatte), wieder zurückgeholt. Erst gegen 3 Uhr morgens trennte sich die Gesellschaft, welche ihres Meisters Worte nie vergessen wird, ‒ wenn auch Jeder seinem Ideale folgt, nichts anders als die Wahrheit, und die Natur, und die Natur, und die Wahrheit vor den Augen zu haben: denn wirklich, so ist es; das Wort und das Beispiel eines großen Meisters dient dazu, die Werke hoffnungsvoller Künstler der Vollkommenheit immer näher zu bringen, und die Veredlung des Menschengeschlechtes ist der Zweck des Ganzen.
Anton Baumgartner.