Hochwohlgeborner, Hochzuverehrender Herr Ritter!
Seit meiner Abreise aus Rom ist nun bereits 1/4 Jahr verflossen so langsam bin ich bis hierher gereist. Es wäre dies eine genugsam lange Zeit, um ein oder das andere Gleichgültige, was einem so im Leben begegnet, wenigstens so weit aus dem Gedächtniß zu verliehren, daß man sich nicht jeden Augenblick daran erinnert. Wenn ich nun die Tiefe des Eindrucks den meine Reise nach Italien, und insonderheit mein Aufenthalt in Rom auf mich machte, recht ermessen will, so kann ich es nicht besser, als an dem Gedenken zustande, in welchem ich mich zeither befand, und noch befinde. Es ist mir oft noch gar nicht möglich aus meinem Träumereien zu erwachen, und darüber gewiß zu werden daß ich nicht mehr in Rom bin; so häufig ich auch zeither auf meiner Reise und jetzt hier durch Beschäftigungen aller Art zerstreut worden bin, es ist doch noch nichts vermögend gewesen, das von der glücklichsten Zeit meines Lebens in mir zurückgebliebene liebe Schattenbild aus meiner Erinnerung zu rauben. Klar und deutlich steht noch jetzt all das Herrliche und Vortreffliche, welches ich in Rom sah vor meinen Augen.
Wenn ich noch so alle die einzelnen von Ew: Hochwohlgeboren erhaltenen Beweise von liebevoller Herablassung, und wahrhaft auserordentlicher Gefälligkeit, welche Sie, wie bekannt von jeher jedem angehenden Kunstjünger erweisen so recht bedenke, so muß ich mir erröthend gestehen, daß ich ein unverdientes namenloses Glück genoß, und eben daher weil ich so wenig eine Ursache auffinden kann, aus welcher ich es einigermassen verdient hätte, mein Schicksal preißen und Gott dafür danken.
Es werden die, die einst in späterer Zeit wenn einmal, was die Vorsehung noch lange, sehr lange verhüten wolle, auch Sie nicht mehr unter den Lebendigen sind, zu ihrer Ausbildung nach Rom reisen, und die liebevolle Behandlung eines so ausserordentlichen Mannes nicht mehr geniesen können, wohl am besten schätzen, was davon verlohren gegangen sei; ich der ich mich jetzt wegen der Entfernung von Ew. Hochwohlgeboren bereits im Zustande der Entbehrung befinde, fühle dieselbe schon im vollen Maase, und darf nicht davon denken, daß (wie mir es doch so ziemlich gewiß ist) sie ewig dauern soll.
Unendlich hoher Genuß war es mir schon, in Ihren Studien herumwandeln, und an den in denselben befindlichen, genialen unübertrefflichen Werken meine Augen weiden, meine Kenntniß bereichern, und beobachten zu können, was ein Mann mit den glücklichsten Geistesgaben schon von der Natur ausgerüstet, wenn dieselben durch angestrengten Fleiß und aufmerksame Beobachtungen noch die vollkommenster Ausbildung erhalten haben, auserordentliches hervor zu bringen im Stande ist. Aber noch unendlich mehr beglückte es mich Ihren ganz unschätzbaren persönlichen Umgang geniesen zu können; es ist ach! so gar selden daß ein Mann mit den auserordentlichsten Geistesgaben auch eben so auserordentliche des Herzens verbindet, und wegen diesen vereinigten hohen Eigenschaften sich nicht allein durch seine Werke, sondern auch durch seinen Umgang seinen Mitmenschen so unbeschreiblich nützlich macht. Sollte mir es denn also verargt werden können wenn ich hier, was ich so lebhaft fühle ausspreche? es wäre mir alzu schwer darüber ganz zu schweigen.
Die von Ew. Hochwohlgeboren erhaltenen mir so sehr werthen Kupferstiche habe ich zeither auf meiner Reise sehr oft den Neugierigen zeigen müßen, und damit bei den Beschauern grosses Vergnügen erregt, bin auch häufig darum beneidet worden; es ist mir immer und immer ein neuer grosser Genuß sie noch einmal, und noch einmal durchzusehen, und mich dabei an die herrlichen Originale selbst zu erinnern. Oft will es mir noch gar nicht in den Kopf, daß sie wirklich mein gehören; sie sind und bleiben für mich von unbeschreiblichem Werth und Nutzen, und ich halte darauf wie auf Gold, denn so etwas bekömmt man nicht wieder. Da ich den Anblick der herrlichen Originale jetzt entbehren muß, so sind mir diese Kupferstiche zugleich auch der bestmöglichste Schadenersatz für diese Entbehrung.
Indem ich mich nun zu irgend einer ähnlichen Gegengabe viel zu gering und unvermögend fühle, bleibt mir zumal für jetzt nichts übrig, als die nochmahliche Abstattung meines innigsten heisesten Dankes, und die Darlegung des sehnlichsten Wunsches, daß einmal für mich Gelegenheit kommen möge, Ew Hochwohlgeboren wenigstens einiger massen gegengefällig sein zu können. O, wie gerne wäre ich das! und sollte es auch mit den größten Aufopferungen nur geschehen können.
Am Schluße meines Briefes wage ich nun noch zu Ew. Hochwohlgeboren die gehorsamste Bitte, mir fernerhin dasselbe geneichte Wohlwollen zu schenken, welches mich in Rom immer so unaussprechlich beglückte. Mit der ausgezeichnesten Hochachtung und Ehrerbietung verharre ich jederzeit
Ew. Hochwohlgeboren
ganz gehorsamster Diener
Götze
Berlin den 1 Juni 1824.