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Ich kann diesen Brief über Ihr Geschlecht nicht endigen, ohne Ihnen einige zarte Verse mitzutheilen, die von weiblicher Hand entworfen sind.
Das liebliche Gedicht: Modern Greece, a Poem. London, Murray, 1817, ist wahrscheinlich von Mistress Hemann aus Northwales, die gleichfalls Verfasserin des Gedichts: The restoration of the works of Art to Italy, seyn wird. In diesem sagt sie von der mediceischen Venus:
There thou, fair offspring of immortal mind,
Love’s radiant Goddess , Idol of mankind,
Once the bright object of devotion’s vow,
Shalt claim from taste a kindred worship now,
Oh! who can tell, what beams of heavenly light
Flash’d o’er the Scultors intellectual sight,
How many a glimpse , revealed to him alone,
Made brighter beings, nobler worlds, his own;
Ere like some vision, sent the earth to bless
Burst into life, thy pomp of loveliness.
In ihrem letzten Gedichte beschreibt Mistrefs Hemann Lord Elgin’s Marbles, die nun in Gypsabgüssen fast in allen Hauptstädten Europas sind.
Ich sprach mit Thorwaldsen über Byron‘s Anathema in dem 2ten Canto von Childe Harold. Er billigte es. Für das Studium hätte ein Gypsabgufs dasselbe gethan, sagte er, und der Zauber, den das Kunstwerk von dem Standpunct erregte, wohin der Künstler es stellte, sei durch Lord Elgin zerstört. — Hören Sie indefs die Engländerinn. Die Dichterinn beschreibt das Parthenon, beschreibt noch die Göttinn selbst. Gedenken Sie ihrer Verse, wenn Sie in Ihrem Berlin oder in St. Petersburg den Abdruck, oder in London einst dieses Kunstwerk selbst sehen:
But oh! what words the vision may pourtray,
The form of Sanctitude that guards thy shrine?
There stands thy Goddefs, robed in war’s array,
Supremely glorious, awfully divine!
With Spear and Helm she stands, and flowing crest
And sculptured Aegis, to perfection wrought,
And on each heavenly Lineament impressed
Calmly sublime, the Majesty of thought;
The pure Intelligence, the chaste repose,
All that a Poet’s dream around Minerva throws.
Und von Lord Elgins Marmor selbst sagt sie:
Mark on the storied Frieze the graceful train
The Holy festivals triumphant Throng,
In fair profession, to Minerva‘s fane,
With .many a sacred symbol move along.
There every shade of bright existence trace,
The fire of youth, the dignity of age,
The matrons calm austerity of grace,
The ardent warrior, the benignant Sage,
The nymphs light symmetry, the Chiefs proud mien,
Each ray of beauty caught and mingled in the scene.
Die talentvolle Dichterin hat dieser Tage ein Gedicht auf den grossen schottischen Helden Wallace herausgegeben.
Nachschrift.
Sie äusserten, ich möchte Ihnen die Zeilen mittheilen; welche ich über Thorwaldsen in die Hamburger Zeitung einrücken liess. Sie sind dem Gegenstände dieser Briefe fremd, aber ich schliesse sie an da ich Sie eben mit der lieblichen Sängerinn der Bildhauerkunst bekannt gemacht habe. Ich hatte Thorwaldsen den Namen des Herrn Jasper eines meiner Collegen in Schleswig aufgeschrieben (da uns Advocaten vor Allen die Ehre des Vaterlandes am Herzen liegen soll), der ihm in Schleswigs Hauptstadt ein ähnliches Fest einrichtete, wie wir in Altona veranstaltet, und bei welchem ich die Gefühle meiner Mitbürger in folgendem Trinkspruch auszudrücken gesucht hatte:
Demjenigen unter uns, der hier nach 28jähriger Abwesenheit den heiligen Boden des Vaterlandes, mit Lorbeeren, mit Ruhm gekrönt, wieder betritt; der hingeht, die Burg unserer Könige, uns und unseren spätesten Enkeln zur Freude und zum Stolz, mit Meisterstücken, der Kunst zu zieren; den wir eben so lieb gewinnen, als wir ihn. bewunderten; dessen Ruf laut gefeiert durch alle gebildete Länder der ganzen Erde fliegt, und dessen Name nicht bloss in den Jahrbüchern dieses Landes, sondern in der Geschichte des menschlichen Geschlechts ewig dauern wird.
Da der Kammerherr v. Staffeldt, der Director von Schleswig, in dem schönen Toast, den er dem Künstler widmete, zu verrathen schien, er glaube ihn auf unserer Insel Island geboren, so zeichnete ich für den Correspondenten die wenigen Notizen auf, welche ich theils von Thorwaldsen selbst, theils von seinen Freunden, den Professoren Lund und Kruse, erfahren hatte, oder die mir aus meiner Lectüre erinnerlich waren. Dies sind sie :
Albert Thorwaldsen ist, von isländischen Eltern abstammend, in Copenhagen gebohren. Der Tag und das Jahr seiner Geburt sind ihm und seinen Freunden nicht bekannt. Er ist gegen 50 Jahr alt. Der Staat liess ihn auf der Künstler-Academie in Copenhagen erziehen. Bei jeder Preisbewerbung war er der Sieger. Deshalb ward er auf Staatskosten nach Rom- gesandt, wohin er mit einem über Algier und Tunis nach Livorno gehenden Kriegsschiffe gelangte. In Rom litt er Jahre lang am Heimweh; er lernte die deutsche und erst später die italienische Sprache, und halte nichts geleistet, wie die Stunde der Rückhehr herannahete. Da ermannte sich die Kraft seines Geistes, und er schuf seinen Jason, der seitdem die Welt mit dem Ruhm seines Namens erfüllte, und Könige und Fürsten in seine Werkstatt rief. Rom, ward sein Wohnort, die ganze Erde sein Vaterland, Er aber verbleibt dennoch auf ewige Zeilen der Stolz und die Ehre seiner Heimath. Lange wurde er Canova gleich geschätzt. Lange liiefs es, Canova, der die Hebe schuf, sey grösser in weiblichen, Thorwaldsen aber in männlichen Umrissen. Dann setzten die Fremden ihn zuerst über Canova. Kephalides und mehrere Deutsche, vorzüglich von Hagen, die in den letzten Jahren Reisebeschreibungen herausgaben, haben nun fast nur eine Stimme darüber, dass Thorwaldsen der erste Künstler unserer Zeit ist. Seine drei Grazien übertreffen alles, welches man von der Anmuth sah und ahnete. Seine Allegorie auf Tag und Nacht, sein Mercur, sind das Entzücken der Kunstkenner. Der Herzog von Auguslenburg hat die Grazien und den Mercur gekauft. Sollten die Kunstschätze von Livorno zu Schiffe oder zu Lande auf hier kommen, wie würde der Herzog von Augustenburg Hamburg und Altona verpflichten, wenn er uns ihren Anblick für einige Zeit schenkte. Thorwaldsen’s Einzug des Alexander in Babylon ist für den Grafen Sommariva in Mayland in Basrelief ausgearbeitet, und ist auch auf Verwendung des Erbprinzen Christian, heisst es, zu 17000 Species von dem Könige von Dänemark für das Schloss Christiansburg gekauft.
Thorwaldsen ist unvermählt. Sein Gesicht gleicht dem Kopf einer Statue; aber es dämmert unendlich viel Geist aus seinen Gesichtszügen hervor, der, so wie seine Herzlichkeit und sein kindliches Wesen, ihm alle Menschen gewinnt, und ganz passen obige Verse jener Engländerin auf den Schöpfer der Grazien, welche dem Schöpfer der mediceischen Venus gesungen wurden.
Mehrere Nationen — die Schweizer, die Pohlen — haben Thorwaldsen zum Schiedsrichter für die Aufstellung ihrer National-Denkmäler gewählt. Er ist Ritter mehrerer Orden. Es ist eine Medaille in Rom auf ihn geschlagen, auf welcher sein Gesicht äüsserst ähnlich abgebildet ist. Es arbeiten 15 Menschen in seiner Werkstatt; aber er ist mit Arbeiten für sein ganzes Leben überhäuft Er leidet an Brustschmerzen, und lebt jetzt zunächst seinem Könige und seinem Vaterlande, die Königsburg der Dänen mit Denkmälern der Kunst zu zieren. Man nennt unter diesen die Candelaber, welche im Original in dem atheniensischen Tempel des Jupiter standen und welche Thorwaldsen nach der Beschreibung des Pansanias aufs neue ausführte. Auf der Künstler-Akademie in Copenhagen ist ihm eine Wohnung bereitet. Diejenigen, die sich wundern, dass von einem Manne, der fast in 23 Jahren seinen Fuss nicht aus seiner römischen Werkstatt gesetzt hat, mit diesem Lobe gesprochen wird, bedenken nicht, dass auf den wenigen Blättern der Weltgeschichte, auf welchen die Namen und Werke derjenigen bezeichnet sind, die durch andere Verdienste um die Menschen und die durch Geist und Talente Unsterblichkeit erlangten , wenige aufgeführt wurden, die den Namen Phidias und Praxiteles,verwandt sind, und diejenigen, die sich wundern, dafs den Namen der Gesetzgeber, der Vaterlandsretter im Kriege und der Heroen der Wissenschaft und den Männern des. kühnen Wortes für die Weisheit und für das Recht und- die Freiheit die Namen der Künstler angereiht sind, vergessen jenen Zuruf von Schiller:
Im Fleiss kann Dich die Biene meistern,
In der Geschicklichkeit ein Wurm Dein Lehrer seyn;
Dein Wissen theilest Du mit vorgezog‘nen Geistern:
Die Kunst, o Mensch! hast Du allein.
Thorwaldsen hofft im Frühjahr nach Rom zurückzukehren, und hat versprochen, dann einige Zeit in Altona und Hamburg zu verweilen. Er überbringt von der Herzogin von Devonshire ihrem Sohne, dem Gesandten, Herrn Forster, in Copenhagen, eines der vorzüglichsten Denkmäler der Typographie, welches die Herzogin von Devonshire in Italien veranstaltet hat. Es besteht in einer Prachtausgabe der Reise des Horaz, zu welcher die Herzogin die Kosten hergab, und in welcher alle Gegenden von den ersten Künstlern Italiens in Kupfer gestochen sind, durch welche Horaz reisete. Thorwaldsen’s Kunstschöpfungen werden jetzt in Frankfurt am Main in Kupfer gestochen. Er selbst ist mit dieser Arbeit zufrieden. In der Sammlung der patriotischen Gesellschaft in Hamburg ist ein Abdruck davon, so wie solcher bei den Kunsthändlern in Hamburg zu haben seyn wird.
In unserer Hauptstadt selbst wurde ihm bei seiner Ankunft den 16ten October 1819 ein glänzendes Fest von 200 Theilnehmern veranstaltet, bei welcher Gelegenheit Oehlenschläger mit vieler Beredsamkeit gesprochen hat, und der sittlich und wissenschaftlich hochgebildete Staatsminister und Greis v. Schimmelmann folgenden Trinkspruch ausbrachte: “Den Grazien von Thorwaldsen und folglich allen dänischen, Jungfrauen”, und unser Rahbeck “Möge Minervens Oehlzweig, der Musen Lorbeer, und die Kosen der Grazien sich immer für Wissenschaft und Künste freundlich umschlingen.” Was sich in unserer Hauptstadt durch Geistesbildung und Talente auszeichnet, war grösstentheils bei dem Feste.
Indefs mit dem, was wir Bewohner der dänischen Staaten in Hinsicht unseres berühmten Landsmannes thun, ehren wir nur unsere Nation selbst, nicht ihn; jedoch ist es eine Ehre für Thorwaldsen, dass, wie neulich bei dem Abschiede eines fremden Gesandten von den übrigen in Copenhagen anwesenden fremden Gesandten ein grosses Fest veranstaltet, und Thorwaldsen dazu geladen war, diese Stellvertreter aller gekrönten Häupter, aller grofsen Nationen der ganzen gebildeten Welt, _Thorwaldsen: zum Präsidenten ihres Festes einstimmig ernannten.
In Island werden viele Geschlechtsregister mit Sorgfalt gehalten. Diese haben einen Gelehrten auf die Entdeckung geführt, dass ein kleiner König in den isländischen Thälern, Oluf Höskuldsen (im 25sten Gliede der Vorfahr von Thorwaldsen) sich im l0ten Jahrhundert schon durch seine Vorliebe für die Bildhauerei ausgezeichnet; und ich höre jetzt, dass der Toast, den der Kammerherr v. Staffeld in Schleswig dem Thorwaldsen brachte, den ich missverstanden habe, die poetische Idee hat ausdrücken sollen, Island, als das Stammland. von Thorwaldsen, (den höchsten Norden) Griechenland in der Kunst entgegenzusetzen.