Schiedsrichterliches Urtheil
des alten Vater Zeus
in Sachen
Stuttgart, Mainz & Consorten
wider
R i t t e r T h o r w a l d s e n.
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München den 19. Juli 1841.
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Zeus — Juno: Mercur: Mainz, Stuttgart, Kopenhagen, Amerika, München, Rom, |
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Richter. Gerichtsbote. Kläger. |
Mercur.
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Verzeihe, hoher Meister, daß ich jetzo, Auf wenig Augenblicke nur geneigtes Gehör zu schenken mir von Dir erbitte; Du wunderst dich vielleicht den Götterboten In voller Galla nicht, wie sich’s gebührte, Vor Dir zu sehen; — des bösen Klimas Schuld, Das an der Alpen Gletscherbrüsten sauget. Es weh’n hier nicht Hesperiens warme Lüfte, Nicht der Orangen wollustschwangre Düfte, Und einen Gott selbst muß in München frieren, Will er nicht, so wie ich, im Pelz herummarschiren! Genug davon; jetzt zu dem Zweck der Sendung, Zu welcher ich von Zeus erkoren wurde. Es hat sich in der Welt ein Streit entsponnen, Der wohl, wenn er nicht bald entschieden wird, In seinen Folgen schlimm sich enden könnte. Von fernen Ländern, fernen Städten kamen Heut diese sonderbaren Leute an, Die Du im Kreise hier vor Dir erblickest. Schon vor der Thür’ begannen sie zu hadern, In wilden Zornesflammen zu entbrennen, Und nur mit Mühe wehrt’ ich ihrem Streite, Der in die That fast ausgeartet wäre. Sie wollen alle nur dasselbe eine, Dieß eine aber bist Du selbst; und zwar Verlangt ein jeder einzelne für sich, Als unbestritten klares Eigenthum Allein den großen Meister zu besitzen! – Der Vater Zeus hört’ diesen gräulichen Tumult, Und sprach zu mir gewendet schnell: „Es ist heut unser Herz voll Lieb’ und Huld, „Und weil den Streit wir kennen klar und hell, ,,Woll’n wir vor unsern Richterstuhl ihn ziehen, „Und ihn entscheiden nach dem Götter-Recht; „Für das Verdienst soll’n Lorbeerhaine blühen, „Den Schuld’gen aber geht’s, wir schwörens, schlecht! ,,Nun mache fort, und eil’ uns anzumelden, „Daß bald wir vor uns seh’n des Tages Helden!” Die Sendung ward vollbracht in größter Schnelle Und wir sind — hoher Meister — jetzt zur Stelle. Die Klager tragen nun die Sache vor, Und Zeus schenkt ihnen sein gerechtes Ohr! |
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Mainz — Guttenberg.
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Dort, wo der gelbe jugendliche Main Vermählt sich mit dem alten Vater Rhein, Mit ihm vereint nur deutsches Land umspühlt: Dort, wo einst ich die starren Ketten sprengte, Ein neues Licht der Welt, der neugebornen schenkte, Die des Jahrhunderts finstrer Geist gefangen hielt, Dort steh’ ich jetzt, von meiner Vaterstadt gespendet, Durch Deinen schöpferischen Genius vollendet, Ein Denkmal für die fernen Enkel da, Ein Denkmal aller Zeiten, fern und nah! – Und darum eben nennt Dich Mainz den Seinen, Will Dich als Bürger fester sich vereinen, Und das mit Recht! – – Ist’s nun nicht schlecht, Daß andre Dich uns streitig machen wollen, Daß sie mit Hypothesen unsern vollen Juristischen Besitz zu schmälern suchen? Und noch auf uns als Egoisten fluchen?? — Mir ward der Rede Gabe leider nicht zu Theil, Doch drucken — drucken kann ich noch zu unserm Heil! Drum hab’ ich unser Recht ganz unverblümt Gedruckt — wie’s für den Guttenberg sich ziemt! |
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Stuttgart — Schiller.
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Ich bin der Schiller aus dem Schwabenland, Von Stuttgarts Bürgern bin ich hergesandt; Das Recht, das wir gewonnen, zu verfechten, Mit jenen gift’gen Reidern streng zu rechten: Gefahrlich ist’s, den Leu zu wecken; Verderblich ist des Tigers Zahn, Jedoch der schrecklichste der Schrecken Das ist der Mensch in seinem Wahn! Und dieser Wahn will’s uns nicht gönnen, Daß vorzugsweise wir Dich Bürger nennen: — Wer ist nun würdig diesen Streit zu schlichten, Wer wagt es Rittersmann oder Knapp’ Zu tauchen in diesen Schlund hinab? Ich meine Du allein seist hier der beste Richter, Des Künstlers Phantasie entscheidet für den Dichter Entscheidet für mein theures Schwabenland: Denn wo das Strenge mit dem Zarten, Wo Starkes sich und Mildes paarten, Da giebt es einen guten Klang! Und dieser gute Klang verschwindet in dem Leben nie, Weil er den Geist nur, nicht die Körper bindet, Er ist der Anklang reiner Harmonie, Den Poesie in unsrer Brust begründet! |
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Kopenhagen — Christian IV.
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Muß ich erst an das Heimathland Dich mahnen, An Kopenhagens wasserreichen Strand , An’s Vaterhaus, an Deiner Seele erstes Ahnen, Das Dich in Christen-Bernikow Sträd’ fand. An Deiner Kindheit unschuldvolle Spiele, Und an des Jünglings feurige Gefühle: Muß ich erst alles dieß heraufbeschwören, Um zu beweisen, daß Du uns nur angehörst? O nein! Du wirst auf Deines Königs Stimme hören, Und zeigen, daß Du seine Wünsche ehrst! |
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Amerikanische Freistaaten.
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Ueber das Weltmeer Bin ich gekommen, Hab’ von Poseidon Vorspann genommen, Welcher nun auch schon, Von Albion belehrt, So wie die Welt jetzt Mit Dampfkraft fährt. Aber Dein Ahnherr Vor vierhundert Jahren Kam mit dem Ruder Zu uns gefahren; Und doch erreichte Er unser Land, Wo eine Welt er Voll Wunder fand. Dich nun, den Künstler, Den freien Mann, Zieht jene Welt doch Voll Wunder an: Ja Du gehörst nur, Den freien Landen, Wo man Gedanken Nicht schmiedet in Banden; Wo man den Werth der Freiheit erkennet, Wo man’s: „Das freie Amerika” nennet! |
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München — Maximilian I.
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Hier, wo aus der grauen Vorzeit Tagen Der Wittelsbacher starke Burgen ragen, Der Wittelsbacher, die mit steter Treue Die Kunst beschützt in ihrer höher’n Weihe; Hier, wo mein großer Enkel jetzo waltet, Und eine neue Aera für die Kunst gestaltet; Hier, wo, beseelt durch seinen hohen Sinn, Die Schaaren strömen zum Altare hin, Auf dem der reinere Geschmack der neuen Zeit Geläutert wahrer Schönheit Opfer weiht; Hier ist’s, wo eines großen Künstlers Ruhm Geehrt wird als ein unvergänglich Heiligthum: Hier — Meister — hänge in den heil’gen Hallen Die Kränze auf, die Deine Stirn umwallen! |
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Roma.
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Der alten Roma unsterbliche Geister Begrüßen durch mich Dich, unsterblicher Meister Dem klassischen Boden der sieben Hügel Schenkten die Götter unendliche Gunst, Drückten ihm auf der Jahrtausende Siegel, Er ist die Heimath des Nestors der Kunst; Er ist’s, den die Musen geweihet, Wo in Apollos feurigstem Glanz Frei der göttliche Lorbeer gedeihet. Und sich verschlingt zum üppigen Kranz: Der Deine Schläfe strahlend umwindet, Fest Dich der ewigen Roma verbindet! |
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Juno.
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Was woll’n die Menschen in dieser Sache Mit ihrer Rede konfusem Sinn, Fürchten sie nicht meine glühende Rache, Wissen sie nicht, daß ich Juno bin? Wissen sie nicht, daß Du all’ meine Söhne Mit der Wahrheit durchdringenden Macht Nachgebildet in strahlender Schöne, Wie’s noch kein Sterblicher jemals vollbracht? Wissen sie nicht, daß ich Mutter bin? Daß ich das Rechte, das Gute beschirme, Doch auf die Frevler auch Unheil thürme? — Nein, Du kannst nicht der Erde gehören, Näher stehst Du des Himmels Thron, Ich will’s beim Styx, dem furchtbaren, schwören Du bist des — Olympus unsterblicher Sohn |
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Zeus.
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Stille! Ruhe! — Der Götter Vater, Zeus, er spricht. Nur er entscheidet hier als oberstes Gericht! Was habt ihr in des Unverstandes Zweifeln Für dummes Zeug geschwätzt, Als würdet ihr von sieben tausend Teufeln Des Egoismus abgehetzt. Und selber sie, Frau Juno, steht jetzt wie begossen, Weil sie zum Theil auch bei dem Ziel vorbeigeschossen. Ihr meint in euerm Dünkel, dieser Mann Gehöre einem Land, und einer Stadt nur an? Ein Sohn der Sterblichkeit, der dann in seinem Thun Auch Sterbliches verriethe? — So wisset nun: „Ich bin sein Vater, ich hab’ ihn geboren, Die Pallas aus dem Kopf’, doch ihn aus meiner Brust, Zu hohen Dingen hatt’ ich ihn erkoren, Und schützte ihn mit hoher Vaterlust! Daher strahlt er in ew’ger Jugend Glänze Ein Jüngling noch im vollen Silberhaar, Daher war ihm der Weg, um nach dem Kranze „Unsterblichkeit” zu ringen, sonnenklar! Daher der Phantasie so starke Schwingen Die ihn getragen durch das ganze Leben hin, Daher der Musen Gunst, die ihn umschlingen Als Bruder mit dem reinsten Schwestersinn! Daher das Feuer, das er nicht erst brauchte Zu stehlen, wie’s Prometheus einstens that, Das ich ihm selbst in seinen Busen hauchte, Das ihn zum Höchsten stets beseelet hat. Nein, dieser Mann gehört nicht einem Lande, Nicht einer Stadt allein gehört er an. Denn er umfaßt mit seines Geistes Bande Die ganze Welt, nur ihr, der Welt, gehört er an!” |
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