München d. 25 Nfebr 1830
Theuerste innigstverehrte Gräfin!
O seyn Sie so gnädig und verzeihen Sie mich, daß ich mir die Freiheit nehme, an Sie zu schreiben, – ich hoffe recht herzlich, daß Sie es nicht übel nehmen möchten, da Sie sich meines gewiß erinnern werden! Erinnern Sie sich eines gewissen taubstummen Itzig Blank u[n]d Teuschend, welche Sie damals in Leipzig mit Wohlthaten gütig überhäuft hatten. Ich habe [die] Ehre, Itzig Blunk zu seyn, der, dieses Schreiben an Sie unbescheiden mengt! Ach, ich vergesse Sie nie nie! Sie sind mir heilig! O seyn Sie so gütig u beglücken Sie mich mit Antwort! Ich hatte die taubstummene Anstalt ungefähr im Jahr 1821 verlassen u ging nach Dresden, um mich der Malerey zu widmen, worin ich ziemlich glücklich Fortschritte gemacht hatte (in Portrait= u Genre=Malerey) u blieb 2 Jahr in Dresden. Indeß erinnerte ich mich Ihrer u hatte Lust, Sie verehrte Gräfin zu besuchen, da Ihr Landgut Schmochlitz nicht weit von Dresden liegt. Ich that ein Reise dahin u sah auch Ihr Gut, ich erstaunte, als man mir sagte, daß Sie schon lange nicht mehr dort wohnen u abgereiset wären u daß Ihr Gut ankauft wäre. Ich kehrte traurig wieder nach Dresden zurück u später reiset ich nach Braunschweig heim. Unser Teuscher wurde geschickter Taubstummenlehrer. In Hanover erfuhr ich, daß Sie in Rom in einem Kloster wären. Ich glaubte dies nicht. Dann reiset ich nach Hamburg u verdiente Geld durch Portraitmalen u war ziemlich glücklich u besuchte dabei auch Kopenhagen. Nach einem Jahre kehrte ich heim zurück u blieb 1 Jahr beim Vater. Dann reiset ich, da ich zu Hause (in Braunschweig) kein Brod wegen zu viele Lackfabriken fand) nach Frankfurt a M. u verdiente ziemlich Geld, allein man denkt mehr an Handel als an Malerey, so fand ich nicht viel Glück u verließ die Stadt u reisete nach Munchen u blieb 2½ Jahr hier u denke aber in 3 Wochen abzureisen da ich auch nicht viel verdienen finde, weil es zuviel Maler giebt (500 Maler hier! u ich bin hier Fremdling u habe kein Gönner! Ich lebe vom Malen u hatte seit 3 Jahr nie vom Vater Geld bekommen, weil er nicht im Stande ist, mich zu nähren, da er viele Kinder hat u es schlechter Handel ist,
Theuerste Gräfin! Trotz mehrere Leiden u Noth denke ich an Sie innigsten mit Liebe u Verehrung! Seit 4 Wochen war ich am kalten Fieber krank 5 Wochen lang gewesen, diese Krankheit hatte mich so arm gemacht, daß ich nicht weiß, woher ich Geld nehmen soll. Doch vertraue ich auf Gott, der verläßt Menschen nie! Vor kurzer Zeit besuchte ich den hiesigen Kunstverein u war hoch überascht, als ich auf die Subsgribtion des Hr. Schlachtmaler Adam Ihren Namen fand. Der Aufwärter sagte daß Sie in Rom seyn! Ich wollte selbst lieber Hrn Adam fragen allein seit 3 Monaten ist er nach Meklenburg abgereiset.
O verehrte Gönnerin! Seyn Sie so gütig u nehmen Sie es nicht übel, daß ich eine grosse Bitte an Sie gnädigste Gräfin habe. Jetzt bin ich arm, ohne meine Schuld, sondern Krankheit u wenig Verdienst hatten so weit gebracht, ich schäme mich sehr, eine solche Bitte anzutragen, allen meinen bitter Lage zusagt mich, Sie um eine Unterstützung zu bitten. Sie haben unendlich edles großmuthiges Herz, Sie haben mich in meiner Kindheit gütigst mit Wohlthaten überhäuft, so hoffe ich auf Ihre Güte u Barmherzigkeit zu bauen, daß ich mit Muth in die Welt auftreten möchte. O ich hatte noch keine Bitte gethan, aber Sie sind meine 2te. Mutter in meiner Kindheit gewesen, so seyn Sie noch meine gütigste Mutter! Ich mißbrauche jede Güte nie nie! Ich versicher[e] Ihnen daß ich Fortschritte in der Malerey gemacht hatte, allein ich hab keine Muth, damit zu zeigen, da es mir an Geld fehlt. Theuerste Gräfin! Hier ist der Ritter Thorwaldsen, welcher hier glänzendst bewillkommt war. Ich benutze dies u lasse den Brief durch ihn nach Rom an Sie schicken, da ich hoffe, daß er den Brief an Sie richtig abgeben wird. In 3 Wochen reise ich nach Braunschweig ab, aus Noth u sehne mich nach Ihrer Antwort u Ihrer Güte. O schenken Sie mir Unterstützung, damit ich meinem Vater nicht zur Last fallen möchte. Ich wohne bei I.P. Blunk am Kohlmarkt in Braunschweig, o verehrteste Gräfin u Mutter seyn Sie nicht böse u beglücken Sie mich bald mit Ihrer Güte u Großmuth
Ihren
Wie geht es Ihrer liebenswürdigen Commtesse Tochter ? |
ergebensten Sie ewig liebender verehrenden J. Blunk Pittore |