Mein hochverehrter Freund!
Es waere eben kein Wunder, wenn die vielen Tausend zudringlichen Leute, welche sich theils aus wahrem Enthusiasmus theils aus verzeihlicher Neugierde in der alma città di Roma an Sie gedraengt haben, Ihrem Gedaechtnisse ganz oder zum groessern Theile entschwunden waeren. Dennoch hege ich die stille Hoffnung, dass Sie sich meiner erinnern werden, wenn ich mir erlaube, Sie an den Winter 1836/37 zu gemahnen, wo ich nicht nur bei Kolb und Catel, sondern sogar manch unvergessliches Mal in meiner Wohnung trinità de’ Monti casa di Poussino das Glück hatte, Sie bei mir zu sehen, wo wir die Sonnabende in gemüthlicher Regelmässigkeit mit kaltem Punsch und glühender Musik feierten, wo der Doctor Franck und ich uns redliche Mühe gaben, Ihnen die göttlichen Symphonieen des Meister Beethoven vierhaendig ans Herz zu legen, wo die deutschen Maler Folz, Elsasser, Tischbein, Haushofer, der junge Kestner, Benz et caeteri dem edeln vierstimmigen Gesange huldigten, wo ich eifrig beflissen war, allerhand auf meinen Reisen in drei Welttheilen eroberte National Lieder den wohlwollenden Zuhörern auszukramen, und wo keiner von allen seinen Cigarrendampf mit so unverkennbaren Zeichen gemüthlicher Theilnahme an unsrer Musik in die Lüfte blies, als eben Vater Thorwaldsen!
Mir wenigstens bleibt es eine der schönsten Erinnerungen meines Lebens, und deshalb habe ich die schoene Gelegenheit nicht unbenutzt vorübergehn lassen wollen, Ihnen durch Herrn Delhoff jene Zeit und meine aufrichtige Verehrung für Sie noch einmal zurückzurufen.
Dasselbe Motiv macht mich so dreist, Ihnen zwei Hefte Lindbladscher Lieder, welche ich aus dem Schwedischen übersetzt habe, zu übersenden. Mögen Ih[n]en die anspruchlosen naïv-kernigen Weisen gefallen!
Und nun lege ich Ihnen zwei aufrichtige Wünsche vor, deren Erfüllung mich recht glücklich machen würde.
Zuerst den kleineren. Herr Delhoff hat mir eine Paste gezeigt von der Medaille, welche Ihnen zu Ehren in Kjøb[e]nhavn von Christensen modellirt worden, und welche ausser dem Verdienste der bewundernswürdigsten Feinheit der unschätzbaren Vorzug hat, Ihr liebes Bild auf eine bisher unerreichte Art treu und geistreich wiederzugeben. Ihnen wird es vielleicht möglich sein, Ihrem herzlichst ergebnen Verehrer gelegentlich zu einer so beneidenswerthen Paste zu verhelfen, die gewiss von Niemandem mehr in Ehren gehalten werden würde als von mir.
Und nun den grössern Wunsch. Wenn Sie, würdigster Gönner, Ihrem Vorsatze gemäss, noch einmal eine Reise nach der göttlichen Roma machen, wenn Sie, wie ich hoffe, alsdann Ihren Weg über Berlin nehmen, wo sich Tausende danach sehnen, den grossen Meister von Angesicht kennen zu lernen, – sollten Sie es alsdann nicht zweckmässig finden, Ihre Reise mit dem Dampfboote über Stettin zu dirigiren, und sollten Sie Ihrem ergebensten Freunde und Diener wohl die herzliche Bitte abschlagen können, sein Haus zu dem Ihrigen zu machen, und ihn dadurch recht innerlich glücklich zu machen ? Gewiss, wenn Sie über Stettin reisen, so machen Sie mir die Freude, es mir vorher schreiben zu lassen, damit ich Ihnen entgegen kommen kann. Nicht wahr, liebes Väterchen ?
Der Himmel nehme Sie in seinen heiligen Schutz und erhalte Sie noch in ungetrübter Leibes- und Geister-Frische noch lange und glückliche Jahre zur Freude aller Wohlgesinnten und
Stettin den 25 Junius 1840. | Ihres herzlichst ergebnen C.A. Dohrn. |