No. 6068 of 10319
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Stuttgart & Tübingen

1.1.1833 [+]

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Omnes
Abstract

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Adonis,
Statue von Thorwaldsen in der Glyptothek Sr.
Majestät des Königs von Bayern.

Der Platz für diese Bildsäule war seit der Eröffnung der Glyptothek zubereitet, aber erst vor wenigen Monaten traf dieselbe in München ein und ist nun als die größte Zierde des Saals der Neuern in der Mitte desselben aufgestellt.

Der Jüngling steht, den rechten Arm auf einen Baumstamm gestützt, über den die Zägerchlamys geworfen ist, in der Rechten einen gesenkten Speer haltend, die Linke in die Hüfte gestemmt. Ein Hase, der an dem Baumstamm hängt, deutet die eben geendigte Jagd an. Der völlig unbekleidete Körper ruht auf dem linken Fuß, denn der rechte ist leicht zurückgezogen und auf die Zehen gestellt. Sein Angesicht ist etwas nach der rechten Seite gesenkt und er scheint in Gedanken verloren. Ueber alle seine Glieder ist die Schönheit blühender Jugend ergriffen; die männliche Kraft des Jagers vereint sich in ihnen mit jener knabenhaften Anmuth, welche dem Liebling der Göttinnen zukommt. Sein Haar ist weich mit einer Binde umschlungen; die schönsten natürlichen Locken quellen unter ihr hervor und umgeben sein Antlitz. Stille Betrachtung, Sehnsucht, ja eine trübe Ahnung drückt sich in den schönen Zügen aus, und die mit einiger Spannung eingebogenen Finger der in die Höhe gestemmten linken Hand scheinen anzudeuten, daß er in tiefster Seele beschäftigt, vielleicht in Erwartung der kommenden Geliebten sey.

An dieser Statue fühlt man, was dazu gehört, daß der Beschauer eines Kunstwerkes recht froh werde. So innerlich und äußerlich vollendet sind nur wenige Werke der neueren Zeit. Wahrheit des Gedankens, Schönheit der Auffassung und die größte Meisterschaft über Natur und Technik sind hier in gleichem Maaße vereinigt. Die höchste Aufgabe der Plastik ist hier gelöst, einen abgeschlossenen Charakter in edelster Schönheit lebenvoll darzustellen.

Wer freilich in diesem Adonis nur einen reizenden Knaben sieht, mag immerhin an den schönen Gliedern seine Blicke weiden, mag die zarte, lebenvolle Ausbildung der Formen bewundern, die in Weichheit, Beweglichkeit und reizender Fülle mit der Natur zu wetteifern scheinen. Er wird nicht danach fragen, warum diese Gestalt ein Adonis sey, und es bleibt ihm gleichgültig, daß der Künstler traf, was uns verständig und passend dünkt.

Zu jenem sinnlichen Zweck wäre freilich Lebendigkeit sinnlicher Auffassung hinreichend gewesen. Aber die Gabe, mit Schärfe des Blicks und lebhafter Empfindung die Natur zu sehen und nachzubilden, macht noch keinen schaffenden Künstler. Du allein, Tochter des Himmels, die du Übersinnliches in schaubare, tastbare, hörbare Formen kleidest, du allein, freie selbstschaffende Phantasie, bist es, die nie Gesehenes hervorruft, mit Empfindung durchdringt, mit Leben durchhaucht und als vollendetes Bild vor uns hinstellt.

Als Thorwaldsen diesen Adonis entwarf, formte er nicht einen schönen Knaben und nannte ihn Adonis; er hatte den Adonis gedacht, im Geiste gesehen, seine Phantasie hatte ihn erzeugt, noch eh’ er den Thon dazu aufbaute.

Daß Adonis als Kind schon von Aphrodite geliebt, seiner Schönheit wegen von Proserpina geraubt, auf Befehl des Zeus ein Drittheil des Jahres der Unterwelt ein zweites Drittheil der Aphrodite verblieb, und das dritte, was ihm eigen gehörte, freiwillig der Aphrodite schenkte; daß er ein Jäger war und in früher Zugend, ein Bild der schnellverwelkenden Schönheit, starb – dies Alles war Thorwaldsen nicht gleichgültig bei dem Entwurf seiner Figur. Seine Gedanken weilten auf diesen Umständen und seine Phantasie bildete ihnen nach.

Daher diese schwellenden, sinnliche Lust verkündenden Formen, diese Gedanken der Liebe auf dem üppigen Mund und in den schwärmerischen Augen; daher aber auch, in wunderbarer Verbindung mit so knabenhafter Weichlichkeit, das Robuste, Durchgebildete, Männlich-Edle des Körpers, der an Beschwerden und Anstrengung gewöbnt scheint; daher endlich in dem niedergesenkten Angesicht das Trübe, fast Melancholische, welches die Ahnung früher Vergänglichkeit zu verrathen scheint.

Aber gesetzt auch, Thorwaldsen hätte ein solches Individuum im Leben gesehen, so wäre doch nur Gestalt und Charakter, nicht aber der Moment ihm gegeben gewesen, in welchem er es mit dem vollsten Ausdruck seines innersten Seyns vor Augen gestellt.

Dieser Adonis ist weder in träger Ruhe, noch in einer aufgeregten, nach aussen gerichteten Thätigkeit! Sinnend steht er, alles Aeußere unbeachtend; aber in dem ruhenden Körper verkündet sich die ungestörte Bewegung einer harmonisch gebildeten Seele. Daher ist seine Stellung weder gleichgültig und geistlos, noch gezwungen und mit dem Beschauer kokettirend. Man sieht, er steht allein, niemand beachtend, auf nichts Anderes merkend, als auf den Gegenstand seiner Gedanken, er ist nur er selbst und völlig in sich beschlossen. Dagegen vergleiche man die Venus und den Paris von Canova, die ihm gegenüber stehen, wie sie nur für die Außenwelt da sind, nur von der Aufmerksamkeit und Bewunderung leben, die sie mit Bewußtseyn in Anspruch zu nehmen scheinen. Sie sind eitel in Geberden, eitel in der Seele, daher ohne Ruhe und Selbstständigkeit.

Jene Beschlossenheit und innere Lebendigkeit des Ausdrucks aber hat Thorwaldsen allein unter allen Neuern den Griechen abgelernt, die sie nicht aus Beobachtung der zufälligen Natur, sondern vermöge einer geistigen Nothwendigkeit ihren Werken einhauchten. Das Gleichgewicht einer schön entwickelten Seele mit einem schön entwickelten Körper war ein allgemeiner Charakterzug, mit welchem die griechischen Dichter ihre Götter und Heroen ausgestatter hatten; ihm zufolge konnte auch die Bildnerei nur immer den Moment für ihre Darstellungen wählen, worin dieß Gleichgewicht sich vollkommen naturgemäß aussprach, nämlich den ruhigsten, unbefangensten, von aller nur zufälligen Thätigkeit abgeschiedenen.

Sowohl Charakter als Moment der Darstellung also sind Ergebnisse der griechischen Poesie, und der Art, wie Thorwaldsen ihr gefolgt ist. Jene poetische Idee der Adonis wurde zur Kunstidee, als sie sich der Phantasie des Künstlers in dieser Gestalt, in diesem Momente des Ausdrucks darbot; d. h. sie wurde zum anschaulichen Begriff eines menschlichen Individuums nach seiner Gesammtbeziehung auf geistige und irdische Verhältnisse. In ihr waren Seele und Körper des Adonis der Phantasie des Künstlers gegeben.

Freilich hätte weder die griechische Poesie diesen Charakter, noch hätte Thorwaldsens Phantasie diesen Moment auffassen können, wenn nicht die Elemente dazu in der menschlichen Natur vorhanden waren. Alles was geistig und körperlich an diesem Adonis erscheint, gehört der Wirklichkeit an; allein es fand und findet sich vielleicht niemals in der Wirklichkeit zu einem solchen Individuum vereinigt, obgleich dieß unter allen Verhältnissen möglich ist. Darin aber liegt die eigenthümliche Freiheit der Phantasie, daß sie zwar stets aus gegebenen Elementen bildet, dieselben aber mit eigenem Geiste durchdringt und neu gestaltet und belebt; darin noch ganz besonders das Wesen der künstlerischen Phantasie, daß sie diese Elemente nach den Mitteln und Bedürfnissen der besondern Kunstart, der sie geneigt ist, handhabt und verbindet.

Denn man sage nur nicht, bei jener innern Thatigkeit sey der Künstler bloß Dichter; er ist vielmehr schon völlig Bildner oder Maler. Je nachdem er in Masse oder durch Farbe sein Gedachtes auszudrücken hat, gestaltet auch schon seine Phantasie jenes geistige Vorbild; er erfindet den materiellen Forderungen seiner Kunst gemäß, und das geistige Bild stellt sich ihm schon völlig in diesen Beziehungen dar. Thorwaldsen dachte diesen Adonis nicht für ein Gemälde, sondern für ein Bildwerk, und zwar auch nicht für ein Relief, sondern für eine runde Figur. Um aber nun diesen poetischen, künstlerischen, ja speziellerweise bildnerischen Gedanken in der rechten Art fassen zu können, dazu war nicht allein poetischer Genius und jene besondere bildnerische Richtung des Talentes nöthig, welche nur Gaben der Natur sind, sondern eine hochgesteigerte Ausbildung dieser Gaben durch fortwährende Schärfung des Urtheils und unablässiges Bemühen, das Wahre und Schöne in Geist und Materie zu erkennen. Die geistige Gabe selbst kann nicht erworben werden, wohl aber die rechte Art und Fertigkeit, sie zu gebrauchen; daher ist sie nicht minder Gegenstand des Studiums und der Lehre, wie die Behandlung des materiellen Stoffes. Der Künstler muß eben sowohl denken als bilden lernen, obgleich er die Anlage zu beidem voraus haben muß.

Zum Denken des Künstlers ist aber ein Empfinden und ein Wissen nöthig. Ein Empfinden – denn ohne das Feuer der Begeisterung, das sich zu der Thätigkeit seiner Phantasie gesellt und ihr die Kraft verleiht, dem Gedanken jene innere Vollendung zu geben, ohne die Liebe zum Edlen und Schönen theilt er seinem Werke weder äußerliche Schönheit, noch Adel, noch den Hauch lebendiger Bewegungen mit. – Ein Wissen, denn er muß die Gesetze und geistige Bedeutsamkeit der menschlichen Gestaltung durchdrungen, sich in die geheimnißvollen Tiefen der schaffenden Natur versenkt und aus der Bestimmung jedes Theils das Maaß seiner Schönheit erkannt haben, um den schönen Gedanken durch ein wahrhaft schönes Bild in seiner Phantasie versinnlichen zu können.

Als Thorwaldsen Hand anlegte, seine bildnerische Idee nun äußerlich am Stoffe darzustellen, ward sie endlich zum Kunstwerk. Hier begann die Technische Thätigkeit, das eigentliche Bilden des Künstlers, und dazu war ihm, ausser dem Denken, Empfinden und Wissen, auch ein Können nöthig. Auge und Hand müssen durch lange Uebung vorbereitet seyn, um nicht nur den Erscheinungen der Natur nachzukommen, sondern sie frei nach dem Bilde der Phantasie zu gestalten und den poetischen Gedanken ihnen einzuhauchen. Darum ist dieser letzte Bildungsprozeß des Kunstwerks, obwohl lang und mühevoll, doch keineswegs ein nur äußerlicher gewesen. Nicht bloß eine Arbeit der Hand, sondern ein fortwährendes Schaffen der Phantasie nach der unabänderlich festgehaltenen Idee, ein anhaltendes Bestreben, die körperliche Gestalt in allen ihren Theilen jenem poetischen Charakter entsprechend zu formen und ihr denselben als die ihr eigenthümliche Seele völlig einzuprägen.

Worauf es bei jenem Wissen und diesem Können im Einzelnen ankomme, lehrt abermals eine Vergleichung von Thorwaldsens Werk mit den beiden erwähnten Statuen von Canova. Die Formen und Verhältnisse des Adonis sind einfach, edel, überaus bestimmt, und dennoch von der größten Zartheit; die des Paris und der Venus weichlich, unbestimmt, besonders am ersteren hängend und schlaff. Jenen edlen Bau des Körpers hat Thorwaldsen an den Werken der Griechen gesehen; die Griechen aber sahen ihn in der Natur, und Thorwaldsen hat, was er bei ihnen fand, ohne Zweifel an der Natur geprüft. Er erkannte das Gesetzmäßig-Schöne der menschlichen Gestalt und bildete es hier, gemäß den geistigen Beziehungen, welche in dem von der Idee gegebenen Charakter angedeutet waren. Während wir in dem Paris einen der Antike wenig angemessene[n] Gedanken, aufgetragen auf die Formen eines gewöhnlichen Modells, erkennen, zeigt uns Thorwaldsens Werk den völlig mythischen Charakter des griechischen Adonis, in der ihm eigenthümlichen, nicht in einer willkührlicherborgten Schönheit. Denn hat auch Thorwaldsen, wie nicht zu zweifeln ist, bei der Ausführung ein lebendes Modell, vielleicht sogar mehrere, vor Augen gehaht, so hat er doch keineswegs seine Idee durch sie bestimmen lassen. Sie verschafften ihm nur die äussere Sicherheit, was er gedacht, auch völlig naturgemäß darzustellen. Aus jener Sicherheit des Gedankens aber entsprang die Einfachheit der Formen, welche dieß Werk denen des Alterthums so ähnlich macht.

Darin aber besteht überhaupt die Meisterschaft des Künstlers, daß er an der Gestalt, die er den Gesetzen der Natur gemäß bildet, seinen Gedanken völlig hervortreten läßt; daß er nicht von der Natur beherrscht wird, sondern sie selbst durch seine Phantasie beherrscht und dennoch auch die höchste sinnliche Wahrheit und Lebendigkeit erreicht.

Zu dieser sinnlichen Wahrheit und Lebendigkeit des Werkes aber kann allerdings nur die tiefste Kenntniß der Natur, die innigste Vertrautheit mit der Bildung, Bewegung und geistigen Beziehung jedes Theils der menschlichen Gestalt verhelfen; dazu ist ferner der reinste Sinn, die zarteste Empfindung, das feinste Auge für Verhältnis, Wirkung, kurz für jede Art sinnlicher und geistiger Schönheit nöthig; dazu endlich gehört eine technische Geschicklichkeit, die jedes Zugs der Hand, jedes Meißelstrichs vollkommen sicher ist. Thorwaldsen hat diese Figur selbst mit dem Meißel vollendet, eine Gunst, die er wenigen seiner Werke erwiesen hat. Aber man erkennt auch die Hand des Meisters bis in die feinsten Züge; dieses lebenvolle Schwellen der Muskeln, diese Zartheit ihrer Verbindungen, diesen Reiz der Formen bei so viel Einfalt der Linien erinnere ich mich an keinem andern seiner Werke gesehen zu haben. Haupthaar und Gewand, ja selbst der Baumstamm und sein Attribut sind mit der größten Kunst und Naturwahrheit gearbeitet. Mit leichten Zügen ist der Name des Meisters an dem Baumstamm angeschrieben. Dieß Werk ist ganz von ihm, ein völliges Abbild seines Geistes und seiner Kunst.

Und fragen wir nun: was war die erste Bedingung, damit dieß Werk entstehen konnte? der bildnerische Gedanke? oder die meisterhafte Nachbildung der Natur? – Ohne allen Zweifel werden wir antworten: der Gedanke! denn, noch einmal sey es wiederholt, ohne den Gedanken würde diese Gestalt nicht diese Formen, nicht diesen Ausdruck, nicht diesen Charakter erhalten haben. Ohne ihn hätte Thorwaldsen diese Schönheit gar nicht erkannt, noch weniger den inneren Verhältnissen ihres Daseyns so durch und durch zu empfinden, so lebendig darzustellen vermocht. Man vergleiche nur diese ideale und doch so lebenvolle Gestalt mit dem Hirtenknaben desselben Meisters. In diesem folgte er ganz der Natur; sein Gedanke war nur das, was er in der Wirklichkeit schon ausgesprochen und für die Nachbildung dargeboten fand. Deshalb erkennen wir in dieser Figur auch völlig das Modell, während im Adonis die verkörperte, mit sichtbarer, lebenvoller Schönheit bekleidete Idee uns entgegentritt. – Oder nehmen wir an, Thorwaldsen hätte zum Behuf dieses Werk’s irgend einen Jägerburschen treu nach der Natur modellirt, würden wir nicht über den Künstler spotten, der uns ein zufällig Gesehenes für ein geistig Erzeugtes, eine alltägliche Erscheinung als Repräsentant eines mythischen Gedankens böte? Die flüchtigste Skizze in Thon, die leichteste Federzeichnung, die uns den wahren Charakter, den richtigen Ausdruck vergegenwärtigte, würde uns mehr werth seyn, als eine noch so fleißig und lebenvoll gearbeitete Modellfigur, mit deren Original die Natur vielleicht körperlich und geistig etwas ganz anderes gewollt als der künstlerische Gedanke verlangt.

Nur wo der Künstler keinen eigenen Gedanken hat, darf er sich begnügen, das Modell nachzubilden; dann aber ist sein Werk auch nur die Hälfte von dem, was das Kunstwerk seyn kann. Ja, ich behaupte, daß ohne allen leitenden Gedanken er die Natur weder richtig noch in ihrer vollen Schönheit zu fassen vermag. Denn um zu erkennen, was in ihr gegeben ist, muß er wenigstens ihre eigenen Gedanken, d. h. die, welche sie in ihren Geschöpfen ausgeprägt hat, erforscht und sie deutlich gemacht haben. Und selbst diese nur aus der Natur erborgten Gedanken müssen erst gewissermaßen sein geistiges Eigenthum geworden seyn, eh’ er es unternehmen kann, Bildnisse des Gesehenen darzustellen. – Ohne edle Gedanken wird er in der Natur nicht das Edle vom Gemeinen unterscheiden lernen, ohne Einsicht in die Wahrheit wird ihm die Bedeutung des Schönen verschlossen bleiben, und seine Nachbildung wird eben so leicht in grelle Effektmacherei, als in Gelecktheit und widerliche Glätte sich verirren.

Die Veranlassung, über diesen Gegenstand zu sprechen, lag in Thorwaldsens Werk. Gewiß gibt es nur wenige neuere Kunstwerke, worin die ächte Begeisterung des Genius mit der größten Meisterschaft über Natur und Technik zu Hervorbringung eines so vollkommenen Ganzen zusammengewirkt hat. Diese Statue darf als ein Wahrzeichen gelten, an welchem sich die widerstreitenden Ansichten unserer Zeit vereinigen könnten. Es thut mir Noth, zu warnen vor diesem Zwiespalt und seinen drohenden Folgen. Die Einen suchen das Heil der Kunst nur im Gedanken und in der Poesie, die Andern nur in der Wirklichkeit. Die erstern achten zu wenig auf Natur und Technik, und erreichen deshalb nicht immer den wahren, geschweige den schönen Ausdruck ihrer Gedanken; es fehlt ihnen die sinnliche Anmuth, welche den ersten Blick des Beschauers fesselt und dem geistigen Inhalt Eingang verschafft. Die zweiten verzichten gewissermaßen auf die höhere Schöpferkraft, und finden es bequemer, das Zufällige der Natur in reizender Aeußerlichkeit aufzufassen, ohne zu fragen, was denn die Kunst wäre, wenn sie kein anderes Verdienst hatte als ein, doch keineswegs historisch treuer, nur oberflächlich reizender Spiegel der Wirklichkeit zu seyn? Gilt es bei diesen, den höheren Anforderungen der Poesie und Religion zu entsprechen, so zeigt sich dann gewöhnlich, daß Wissenschaft und Technik allein niemals hinreichende Vorbereitungen für die Phantasie sind, alles, was in jenen verborgen liege, zur Anschauung zu bringen. Die Erfahrung hat schon gelehrt und wird noch weiter lehren, daß auf diesem Wege die Kunst, wenn sie es wirklich zu einem kräftigen Naturalismus bringt, sich doch nicht weiter erhebt als zu jener derben Virtuosität, welche die Caracci erreichten. Die Geister Rafaels und der Alten aber können nur durch Poesie, mit ernstem und tiefem Naturstudium vereint, wieder heraufgerufen werden.

S.

General Comment

Dette er en trykt tekst fra det tyske kunsttidsskrift Kunst-Blatt, op. cit. Kun de passager af teksten, der vedrører Thorvaldsen, citeres her.

Other references

  • Kunst-Blatt gebildete Stände, No. 1, 1833, pp. 1-4.
Subjects
Thorvaldsen and Canova · Thorvaldsen as a Marble Carver
Persons
Antonio Canova · Bertel Thorvaldsen
Works
Last updated 11.08.2017 Print