Neapel den 26 December 1818.
Ich bin Jhnen meine lieben Freunde, herzlichen Dank schuldig für Jhren lieben Brief vom 17ten xbr und erwiedre ihn zuerst durch Glükwünsche zum Jahrswechsel, und durch Bitten um Fortdauer Jhrer Freundschaft.
Mit Miss Mellish bin ich in Rustigkeit. Sie billigt die Große des Bildes Der Peniß machte sie zwar Anfangs stützen, doch da sie weiter keine Einwendungen dagegen bei der Approbation der Maaße ein Paar Tage darauf, gemacht hat, so glaube ich in diesem Stillschweigen eine unbedingte Einwilligung zu finden. Zu viel Ehre für meine Frau, daß Sie ihr Bildniß in Jhr Gemählde aufnehmen wollen, so kommt sie per Contrebande durch Jhren Pinsel in die Unsterblichkeit.
Für Jhren Umriß von dem für Koller bestimmten Gemälde bin ich Jhnen recht sehr verbunden. Die Anordnung, die man allein daraus beurtheilen kann, gefällt mir recht sehr. Alles wird auf den Ausdruk ankommen, und besonders auf denjenigen den Sie dem Coriolan geben wollen. Es sind da mehrere Momente in der Handlung. Mich dünkt derjenige worin Coriolan mit sich selbst kämpft, und in seinem Gesichtd [sic] bereits die vorwaltende Neigung zum Nachgeben verräth, sey pregnanteste, weil er in dem Begleitem [sic] des Helden, der größere Abwechselung in den Gemüthsbewegungen motiviert. So etwas von dem Ausdrücke den Thorwaldsen seinem Achill geliehen hat, als Priam vor ihm um den Leichnam des Patroclus fleht, würde ich wohl in dem Coriolan zu sehen wünschen.
Es ist mir höchst unangenehm zu hören daß ein Artikel in der A. Z. Lärm in Rom macht durch Bemerkungen u bey dort lebenden Künstler. Es müssen deren aber mehrere seyn. Eine habe ich gelesen in dem Blatte vom 3te December. Dieser kann nicht derjenige seyn, von dem Sie reden, und von dem auch andere Berichte aus Rom Meldung thun; denn er enthält nur sehr allgemeine Anzeigen, und solche Beurtheilungen von den dortigen Künstlern die keinen beleidigen können. Dagegen heißt es nach anderen Briefen, daß in dem bewußten Artikel besonders Schader, der Mahler, schlecht wegkommen u.s.v. Jch vermuthe daß die artistische Beilage des Morgenblatts den anzüglichen Artikel enthalte. Jch bitte Sie bei dieser Gelegenheit, wo Sie können zu erklären, daß ich durchaus in keiner Berührung mit irgend einem periodischen Blatte stehe, und durchaus über lebende Künstler mir kein gedruktes, oder zu druckendes Urtheil erlaube.
Vogels Schiksal ist höchst traurig. Was seine und das Fräuleins Klein Bekehrung anbetrift, so kann ich dazu nichts weiter sagen als Prosit für die Zukunft!
Was Kestners Schrift anlangt, so bleibe ich bei meiner alten Meynung. Dem Genie ist kein Bahn vorzuschreiben. Das Talent thut zu seiner Bildung am besten Natur und die Antiken zusammen zu studieren, und dieser mit der Grosheit aufzufassen, worin sie die Alten und die classischen Mahler unter den Neueren gesehen haben. ‒ Vor allen Dingen aber hüte man sich vor Einseitigkeit im Geschmak, und vor Manier.
Den Ezechiel von Raphael habe ich in Paris gesehen, und bin ganz mit Jhnen gleicher Meinung über seinen Werth.
Vor ein Paar Tagen war ich in Pompeji ‒ Jetzt sind nur 20 Arbeiter bei dem Ausgraben beschäftigt. Sie nehmen die Direkzion von dem foro ab nach dem Amphytheater, und sind in eine Straaße [sic] gerathen, worin blos Privatgebäude, größtentheils Boutiquen befindlich sind. Man findet hier Gerätschaften, Wandgemählde, Mosaikboden u. d. gl. denen aber der Reiz der Neuheit abgeht, da wir bereits so vieles der Art haben. Ueberhaupt dürffen die zwei drittheile der Stadt die noch auszugraben sind schwerlich dem neuen Drittheile das schon aufgedekt ist, an Jnteresse gleichkommen, denn das Theater, das Amphitheater, das forum die Tempel, kurz! die offentlichen Gebäude liegen offen dar.
Ein Fuchs der sich von den Jägern in seine Grube rettet, hat an einem andern Orte der Stadt Gelegenheit zur Entdeckung von ein Paar Kammer gegeben, worin sich eine Statue des Apollo im Begriff den Bogen abzuschießen, gefunden haben soll. Jch habe sie noch nicht gesehen. Sie soll aber schön seyn.
Unsere Studien nehmen an Reichthum und schöner Anordnung der darin aufgestellten Kunstsachen täglich zu: Die bronzerne Statuen sind von den Marmornen getrennt, und füllen einen eigenen Saal. Was an Marmore aus der Farnesischen Sammlung noch nicht aufgestellt war, hat nun auch seine Platz erhalten.
Pitkow hat sich endlich verheirathet. Er soll eine allerliebste Landschaft die Ansicht von dem Tempel des Heracles in Pompeji herab gemacht haben. Catel arbeitet fleißig an der Aussicht des Golfo von Neapel aus meinem Fenster, für General Koller Auf dem Vorgrund ist das ganze Leben von Neapel mit einer Menge von Figuren in den verschiedensten Bewegungen. Koller ist noch immer in Modena, und wird wahrscheinlich in Begleitung des Kaisers wieder hieher kommen. Sagen Sie dies der Fr. v. Humbold und zugleich meine Hofnunge daß ihr Gemahl im Frühjahr hieher mit ihr zugleich kommen würde.
Der Chemiker Davy wird hier erwartet um neue Versuche mit dem Aufrollen der Herculanischen Manuscripts anzustellen. ‒ Dem liebenswürdigen und geliebten Baron Stakelberg recht viel herzliche Empfehlungen von meiner Frau u mir. Die letzte grüßt auch Sie angelegentlichst. Jch bin mit Liebe und Hochachtung
Ganz der Jhrigen. FWB Ramdohr