No. 31
K u n s t – B l a t t
Dienstag, 20. April 1830.
————————————————————————————————————
Denkmal des Herzogs von Leuchtenberg in der St. Michaeliskirche in München.
(Beschluß.)
Dem Bericht über das Monument mögen noch einige Worte über Thorwaldsens Aufenthalt in München folgen. Die Art, wie er empfangen und gefeiert wurde, mußte ihm und der Welt den besten Beweis geben, welcher hohe Ruf ihm vorausgegangen war, und welche allgemeine Verehrung sein Genie, seine Werke und seine Persönlichkeit ihm erworben hatten.
In der Seit von vier Wochen, vom 14. Febr. bis 14. März, die er in München zubrachte, beeiferten sich alle Stände, vom König bis zum einfachsten Privatmann, ihm ihre Achtung zu bezeigen. Die sämmtlichen Künstler der Hauptstadt veranstalteten am 19. Febr. ein Fest für ihn, das durch Anspruchlosigkeit und ungeschminkte Herzlichkeit ein wahres Fest der Freude und geselliger Begeisterung wurde. Den Saal des Paradiesgartens hatten einige der Jüngern unter ihnen mit einem Plafond geschmückt, in welchem um Thorwaldsens Namenszug auf weißem Grunde vier symbolische Gemälde, nach Ideen von Cornelius, angebracht waren: Venus Anadyomene, Pygmalion, Prometheus und die Geburt der Minerva: dazwischen Arabesken und Blumenguirlanden. Das Ganze ward von einem vierzehn Fuß hohen Candelaber erleuchtet, der eine Schaale mit verdeckten Lichtern trug. Eine Tafel von 160 Gedecken lief rings umher, Gesänge erhöhten die fröhliche Stimmung, und nachdem Thorwaldsen die Gesundheit des Königs getrunken hatte, sprach Cornelius ein glückliches Wort: „Schiller sagt: Es soll der Künstler mit dem König gehen, denn beide stehen auf der Menschheit Höhen, darum zunächst unserm Künstlerfürsten und König Thorwaldsen!“ Es war der Ausdruck der Gesinnung, womit die ganze Versammlung den geehrten Gast betrachtete.
Wie der König selbst den Besuch des trefflichen Künstlers ehrte, ward wenige Tage später durch die Nachricht kund, daß er ihm den Auftrag ertheilt habe, für den Wittelsbacher Platz eine kolossale Reiterstatue des großen Churfürsten Maximilians I. zu fertigen, die in der hiesigen Erzgießerei in Bronze gegossen werden soll. Thorwaldsen erfreute sich aufrichtig dieser schönen und großartigen Aufgabe und erklärte sich geneigt, den Helden im Costüm seiner Zeit vorzustellen. In den Reliefs des Sockels sollen die Hauptmomente seines großartigen Wirkens bezeichnet werden. Der Anfang zu dieser Arbeit wird gleich nach der Aufstellung des Monuments des Papstes Pius VII. gemacht werden, welche unmittelbar nach Thorwaldsens Rückkehr in Rom stattfindet.
Als darauf am 4. März sich über 150 Personen aus allen Ständen, hohe Staatsbeamten, der Magistrat, Mitglieder der Akademie der Wissenschaften, der Universität, der Akademie der Künste u. s. w. in dem großen Saal des Odeons zu einem glänzenden und fröhlichen Mittagsmahl mit Thorwaldsen vereinigt hatten, ward die ganze Gesellschaft im Namen Sr. Majestät zum Anblick der Glyptothek eingeladen, welche Thorwaldsen zu Ehren diesen Abend erleuchtet war. Vor der Façade brannte eine dreifache Reihe von Holzpfannen, welche dem Gebäude eine prachtvolle Beleuchtung gab; die Säle mit Cornelius Freskogemälden waren durch hohe Pfeiler erhellt, auf denen verdeckte Lampen brannten und die Säle der alten Skulpturen durch wandelnde Lichter, die jedem einzelnen Werk beliebige Erleuchtung gewährten. Es war ein schöner Anblick, mitten unter der Menge der Beschauer den großen Bildner oft verloren in dem Genuß der Schönheit alter Kunst zu erblicken. Aus der Tiefe des Römersaales tönte ihm von schönen Männerstimmen gesungen, ein von dem Herrn Staatsminister v. Schenk gedichtetes Lied entgegen, das schon die fröhliche Tafel vorher verherrlicht hatte:
Es ward der Kunst ein Tempel aufgerichtet
Hier am dem Isarstrand,
Das Schönste prangt dort, was in Stein gedichtet
Das schöne Griechenland.
Und ein Olymp von Göttern und Heroen
Füllt herrlich dort den Raum,
Und reiche Zier umschimmert rings die Hohen
Wie Gold der Berge Saum.
Da kommt aus Rom ein stiller Mann gezogen
Ein Däne groß und gut,
Sein Auge klar, wie heitrer Himmelsbogen,
Sein Wesen milde Glut.
Und wie der Mann dem Tempel naht, so regen
Die Marmorbilder sich,
Und treten ihm belebt, verklärt, entgegen
Und sprechen feierlich:
„Heil und willkommen Dir im Kreis der Alten!
„Du folgtest unserm Ruf.
„Wir ehren auch die heiligen Gestalten,
„Die deine Hand erschuf.
„Die uns gebildet, waren große Meister,
„Doch größer nicht als Du,
„Bewundernd nicken die verwandten Geister
„Dir Brudergrüße zu.
„Heil Ihm, der diesen Tempel uns errichtet,
„Dem König, der hier thront,
„Den, weil er groß wie Hellas denkt und dichtet,
„Auch Hellas Kunst belohnt.“ –
So tönt ihr Gruß. Wir stehen an den Stufen
Des Tempels im Verein,
Und stimmen in das Heil, das jene rufen,
Mit vollem Jubel ein.
Im Kunstverein ward eine Ausstellung kleinerer Oelgemälde von hiesigen Künstlern veranstaltet, die kürzlich gefertigt oder auch seit mehreren Jahren schon in Privatbesitz übergegangen waren, um Thorvaldsen eine größere, wenn auch keineswegs vollständige Uebersicht über diesen Kreis der hiesigen Kunstleistungen zu verschaffen.
Mit welcher anspruchslosen Herrlichkeit der Gefeierte alle diese Ehrenbezeigungen aufnahm, und wie er durch seine liebenswürdige Offenheit alle Herzen gewann, bedarf ich für diejenigen, die ihn kennen, nicht weiter anzudeuten. Aber wer ihn sah, begriff wohl, daß, wenn er dem König bei Tafel zur Seite saß, oder auf dem Hofball mit der Königin die Polonaise eröffnen durfte, solche Ehrenbezeigungen nicht blos dem hohen Statsmann und Ordensritter, sondern hauptsächlich dem Künstler und dem Menschen galten. Jeder Tag seines Aufenthaltes war ein Fest für die, welche ihn in ihrem vereinten Kreise empfangen konnten, und die Wärme und Unbefangenheit, womit er jedem Wohlwollenden entgegen kam, ist gewiß nicht ohne vielfältige Anerkennung und fruchtbare Wirkung geblieben.
Zum Schluß mögen noch zwei Sonetten hier stehen, welche der zeitige Rector der Universität, Hofrath Thirsch, für einen Abend gedichtet hatte, an welchem er Thorwaldsen mit einem zahlreichen Kreis von Freunden in dem geschmückten Saal seiner Bibliothek zu einem fröhlichen Abendessen vereinigte. Sie wurden dem Gast in einem Exemplar seines Buches über die Epoche der bildenden Kunst unter den Griechen überreicht:
1
Wohl sprach der ernsterhabene Geist der Alten
In stiller Klarheit aus Metal und Stein,
Doch drang das Wort nicht in die Herzen ein,
Und unbegriffen ragten die Gestalten.
Da schwang der deutsche Genius aus den kalten
Nordlanden sich in ihren Zauberhain
Berührte sie und lies den schönen Reihn
Der Huldinnen hellenisch sich entfalten.
Die Wolke hob vor dem entflorten Blicke.
Der Jünger sich empor auf seinen Ruf
Und gab das Licht der neuen Kunst zurück.
Doch hat er nur in Worte sich enthüllet
Noch war des Schicksals Ordnung nicht erfüllet,
Er fehlte noch, der gleich den Alten schuf.
2.
Da öffnet sich der heil’ge Norden wieder,
Hochdonnernd auf Islandes Wolkenthron
Entsandte Thor aus seinem Wald den Sohn,
Des Hekla Flamm’ ihm strömend durch die Glieder.
Urkräftig zog er nach Hesperien nieder,
Rang um der größten Meister Siegerlohn,
Bis Trug und Wahn der Afterkunst entfloh’n
Auf eitler Mattheit täuschendem Gefieder.
Sey uns gegrüßt! Du hast den Hort gefunden
Der seit Apollodor verborgen lag,
Und die Natur den Alterthum verbunden.
Den Winckelmann durch Dämmerlicht gewahret,
Du hast im Werk ihn glänzend offenbaret
Der reinen Plastik ätherhellen Tag!