Kunstnachrichten und neueste Literatur von Rom.
Rom den 1. Jul.1803
“Drey Künstler sind jezt in Rom beschäftigt, kolossale Standbilder Bonaparte’s zu verfertigen. Canova hat vor Kurzem das Modell der seinigen ausgestellt, das 15 römische Palmen hoch ist, und den Helden in nackter Gestalt, eine geflügelte Viktorie auf einer Kugel in der Rechten haltend, darstellt. Ein französischer Pensionair, Namens Calamare, hat sein Modell schon etwas früher verfertiget. Der erste Consul erscheint hier gleichfalls großentheils nackt; er hat einen Mantel um Scbulter und Hüften geschlagen, der Kopf ist mit einem griechischen Helm bekleidet; die rechte Hand hält einen Oelzweig. Der Künstler hat nach seiner Aussage den Helden unter dem Bilde eines Achill vorstellen wollen, obgleich man in der Natur selbst davon nichts sieht. Eine dritte gleichfalls kolossale Bildsäule verfertigt der Bildhauer Massimiliano. In dieser wird Bonaparte seinem Titel gemäß in Consularischer Tracht erscheint. Von diesen verschiedenen Arbeiten werde ich Ihnen in Kurzem einen ausführlicheren Bericht geben, so wie von der Figur des Jason, die neulich ein junger dänischer Künstler, Namens Thorwaldsen verfertigt hat, und die derselbe jezt für den in England wohnenden reichen Holländer Hope in Marmor ausführt. Hope’s Benehmen gegen den jungen Künstler bey dieser Gelegenheit ist so edelmüthig gewesen, daß ich mir das Vergnügen nicht versagen kann, es Ihnen mitzutheilen.
Der Künstler hatte sechs Jahre lang als Pensionair der Copenhagener Akademie in Rom gelebt, und war im Begriff in sein Vaterland zurückzureisen, mit der trüben Aussicht, vielleicht nie ein großes Kunstwerk, woran er sein Talent zeigen könnte, in Marmor auszuführen. Er wünschte also vor seiner Abreise wenigstens in einer modellirten Figur über Lebensgröße zu zeigen, was er als Künstler zu leisten vermöchte. Seine Figur, welche einen Jason, der mit dem goldenen Fließ siegreich zurückkehrt, vorstellte, fand den allgemeinsten Beyfall, und verdiente ihn. Man hatte in neuern Zeiten kein Werk in so reinem und großem Stile gesehen. Indessen brachte dieser ungeteilte Beyfall dem Künstler nur Ehre und weiter nichts zu wege; und er war im Begriffe sein Thonmodell, wie er schon mit einigen früheren gethan hatte, wieder zusammen zu werfen, und sich zur Abreise zu rüsten, als glücklicherweise seine reiche Landsmännin, die edelgesinnte Friederike Brun, der das Schicksal des Künstlers und seines Werks gleich nahe-ging, ihm den Antrag that, das Modell auf ihre Kosten in Gyps zu Formen, und so wenigstens das Werk vor der gänzlichen Zerstörung zu bewahren, bis vielleicht im seinem Vaterlande ein vermögender Kunstliebhaber sich entschlösse, die Statue in Marmor ausführen zu lassen! aber die deshalb gemachten versuche schlugen fehl; als zufältig Hope, der sich gerade in Rom befand, kurz vor seiner Abreise von der Statue des Künstler hörte und sich in das Studium desselben führen ließ. In seiner Erwartung übertreffen, machte er auf der Stelle dem Künstler die Bestellung des Jason in Marmor, und als dieser, der nichts mehr wünschte, als die Gelegenheit, seine Statue in Marmor auszuführen, und während der Arbeit leben zu können, den äußerst geringen Preist von 600 Zecchinen forderte, erwiederte Hope, er sehe ein, daß dies kein Preiß für ein solches Werk sey, und erbot sich dem Künstler noch 200 Zecchinen über seine Forderung zu geben. So geht nun auch dies Werk, daß der neueren Kunst Ehre macht, zu so vielen andern Kunstschätzen nach England; aber der Künstler, der in seinem Vaterlande unerkannt qenöthigt gewesen wäre, durch Arbeiten unter seiner Sphäre kümmerlich seinen Unterhalt zu erwerben, hat nun doch wenigstens die Aussicht, länger und vielleicht für immer in Rom zu bleiben, und unter begünstigenden Umständen vielleicht dereinst Glück und Ruhm mit dem vergötterten Canova zu theilen. Ueberbaupt hat seit einiger Zeit die Bildnerey einen neuen Schwung bekommen, der vortheilhafte Folgen für sie haben muß, wenn nicht der unselige Krieg aufs Neue ihre Thätigkeit stört. ‒ Mylord Bristol, liegt in Albane tödtlich krank; er fuhr trotz seines hohen Alters noch immer fort als Jüngling zu leben; nun hat ihn ein ganzes Heer von Uebeln auf einmal angegriffen. Seinen Tod würden eine Menge Künstler aller Art, denen seine Kunstlaunen immer zu thun gaben, zu bedauren haben. ‒ In diesen Tagen ist eine neue Ausgabe von Venuti’s Roma antica bey Montagnani erschienen, zu welcher Filippo Visconti, der Bruder des Pariser Visconti, mehrere Zusäze, Berichtigungen und Noten geliefert hat. Ein vor einiger Zeit unter dem Titel: Storia de´solenni Possesi de´ Sonni Pontefici, detti anticamente processi o processioni, dopo la loro Coronazione, dalla Basilica Vaticana alla Lateranense etc Roma 1802 presso il Lazzarini, in 4. erschienenes Werk, dessen Merk. Francesco Cancellerie heißt, verdient wegen vieler seltener historischer Nachrichten über Sitten und Kostume der vorigen Jahrbunderte, und wegen der Vollständigkeit, womit der Verf. seinen Gegenstand, für dessen Bearbeitung ihm alle Archive, öffentliche und Privatbibliotheken offenstanden, abgehandelt hat, die Aufmerksamkeit des Geschichtforschers; man bindet darin den Ursprung vieler zum Tbeil sonderbarer Gebräuche, die noch jezt unter den Ceremonien des heiligen Stuhls üblich sind. — Zoega, der wohl vor der Hand Rom nicht verlassen wird, ist jezt mit der Herausgabe eines Verzeichnisses aller Coptiscben Handschriften beschäftigt, die sich in der Bibibliothek des Cardinals Borgia befinden. Dieser Gelehrte hat sich seit Verschiedenen Jahren mit Nachforschungen über die Topographie des alten Rom beschäftigt; das Resultat derselben wird wegen der vielen Aufklärungen, die er über diesen Gegenstand zu geben im Stand ist, dereinst den Altertumsforschern ein wichtiges und erfreuliches Geschenk seyn. — In Ostia werden die Nachgrabungen immer fortgesetzt. Seit kurzem hat man auf der Stelle zu graben angefangen, wo die alte Stadt lag, und bereits die Grundlagen einiger alten Wohnhäuser und Tempel gefunden, deren []lane man durch den von der Elginschen Expedition aus Griechenland zurückgekehrten Architekten Balästra aufnehmen läßt, ehe sie wieder zugeschüttet werden; man hoft durch diese Aufdeckung der alten Stadt manchen neuen Aufschluß über die Bauart und häuslichen Einrichtungen der Alten zu erhalten. Von Kunstwerken ist bis jezt nichts Vorzügliches gefunden worden. Vor etwa vierzehn Tagen hat man auch angefangen, den Triumphbogen des Septimius Severus, der am Fuße des Kapitol halb in der Erde verschüttet steht, aufgraben zu lassen, und zu diesem Behuf sind 50 Galerensklaven von Civitavecchia und Ostia hieher gebracht worden. Dies ist seit drey Jahrhunderten schon zu verschiedenenmalen geschehen, aber man hat die Gruben immer wieder zugeworfen, jezt aber soll der aufgeworfene Plaz umher frey bleiben und wie bey der Colonna Trajana mit einer Mauer und Brustwehr eingefaßt werden. Aehnliche Aufgrabungen wird man auch noch bey einigen andern Ruinen vornehmen, besonders, wie man sagt, bey den nahe dabey stehenden drey Säulen vom Tempel des Jupiter Tonans, die über Zweydrittel ihrer Höhe unter der Erde stehen; auch die Pyramide des Sestius wird von den seit vielen Jahren darauf wuchernden Gesträuchen, deren Wurzeln die Quadern derselben auseinander zu sprengen anfiengen, gereinigt. Es scheint, daß der Abate Fea und Canova sich des alten Roms mit vereintem Eifer annehmen wollen. Man hofft, daß der Papst auch den schlafenden Faun, der ehemals in der Sammlung des barbarinischen Palastes stand, und jezt dem Bildhauer Paccetti zugehört, für das Museum kaufen werde. Er war bereits an einen Engländer verhandelt, darf aber nun, dem neuen Edikte gemäß, nicht ausgeführt werden. Auf Canova’s Veranstaltung werden jezt die vier Winkel in dem achtseitigen Sertile di Belvedere, welche in diagonaler Richtung correspondiren, vorn und auf beiden Seiten bis auf einen Durchgang zugemauert. Da auf diese Weise das Licht jezt nur von oben auf die Statuen fallen kann, so gewinnt dadurch die Beleuchtung derselben. Man hat deshalb auch eine Translokation mit den Statuen dieser Nischen vorgenommen, und die minder wichtigen in die beiden offenbleibenden Seitennischen gestellt. So steht jezt in der Nische, wo sonst Apollo stand, der Perseus von Canova; diesem gegenüber in der Diagonalrichtung, wo ehemals Herkules mit dem Telephus stand, hat Apollo seinen Plaz erhalten; die Gruppe der Venus mit dem Kupido hat der Gruppe des Laokoon Plaz gemacht, und dieser schräg gegenüber in der vierten Winkelnische steht der Gyps des sogenannten Antinous oder Perseus oder wie sonst die Antiquare ihn getauft haben, welcher vorhin dem Laokoon gegenüber stand. Mit der Gemäldesammlung, welche sonst auf die lange Gallerie der Kandelaber und Vasen folgte, hat man jezt die im Vatikan aufs neue bewohnbar gemachten päpstlichen Zimmer dekorirt, und in den Zimmern, welche sie bisher einnehmen, sollen künftig die Antiquitäten aufgestellt werden, welche man durch die Nachgrabungen zu Ostia oder sonst irgendwo finden wird. Soviel fur diesmal.
Fernow.