2.1.1824

Afsender

Heinrich Eduard Schmieder

Afsendersted

Voigtsberg

Afsenderinfo

Spor af rødt laksegl med “S”-initial.

Modtager

Bertel Thorvaldsen

Modtagersted

Rom

Modtagerinfo

Al Illmo Sigre / il Signore Cavalliere Thorwaldson / Roma.

Dateringsbegrundelse

Dateringen fremgår af brevet.

Resumé

Kommentarerne til dette brev er under udarbejdelse.

Dokument

Verehrter Freund.

Ich maaße mir, indem ich Sie so anrede, zuviel an, wenn man darunter nichts als die höfliche Begrüßungsformel sich denket, mit der man Briefe zu beginnen pfleget: aber ich will damit etwas anderes sagen, ich wünsche damit ganz das auszudrücken, was mein Herz für Sie fühlt. Ich wünsche, daß Sie diesen ganzen Brief, der unter jeden andere Gesichtspunct Ihnen als eine anmaaßende Zudringlichkeit erscheinen müßte, als den Erguß einer innigen Liebe ansehen und als solchen aufnehmen.

Daß ich wie alle Welt Ihre Werke bewundern und Gottes Herrlichkeit in den großen Gaben, welche er in Ihnen unserm Jahrhundert geschenkt hat, verehre, wissen Sie und ich habe mehrmals die Gelegenheit mit Freuden benutzt, es Ihnen selbst zu sagen: aber daß ich mit inniger und immer sich erneuender unauslöschlicher Liebe Ihrer Person zugethan bin, daß mir es bis diese Stunde täglich am Herzen liegt und eine wahre Sorge ist, Sie auch glücklich zu wissen, das habe ich Ihnen bisher weder beweisen noch sagen können. Ich muß es Ihnen jetzt sagen, daß mich – selbst in dieser weiten Entfernung der Gedanke beunruhiget, daß Sie, die Sie so viele durch den Genius, der in Ihnen ist erfreuen, nicht wahres Glück und Frieden haben mögen. Ich fühle, daß Sie in der Tiefe Ihrer Seele durch eine große Leere, ein unbefriedigtes Verlangen und geheime Bangigkeit leiden und daß die schönsten Stunden des innen Empfangens der herrlichsten Schöpfungen für Sie nur ein vorübergehender Trost aber keinen Befriedigung sind.

Was Ihnen fehlt, kann Ihnen nur Gott geben, aber ich weiß durch das Zeugniß unverwerflicher Zeugen und durch eignen Erfahrung, wodurch und wie Sie es von Gott erlangen können. Lassen Sie Christum nicht nur als Bild sondern als Geist in Ihr Herz eingehen, und bitten Sie Gott um Frieden und um Erleuchtung. Sie finden vielleicht seltsam, daß ich Ihnen noch dazu mit so zuversichtliche Sprache, so etwas rathe, was unmöglich scheint: Ich soll mir, ohne Glauben zu haben, durch Glauben helfen. Aber es sind doch in Ihnen die Wurzeln, aus denen der Glaube erwächset: Sehnsucht nach Frieden der Seele und der innern Zeuge der Wahrheit. Geben Sie nur der Eingebung Ihres Herzens Raum: die Sehnsucht versucht: der Geist der Wahrheit im Innern bezeuget und bewähret es, wenn sie das Rechte getroffen hat, und so folgt der Glaube.

Nur der Schulwitz und die Eitelkeit, womit die christliche Kirche angefällt ist und dem, der sie von außen ansieht, noch mehr zu seyn scheint, als sie es wirklich ist, konnte Ihrem so tiefen und reichen Geiste den heiligen Gehalt des Christenthums vertragen und verdächtig machen und dadurch Ihren Herzen die einzige Quelle des Heiles entziehen: Gewohnheit hat Sie vielleicht hernach, wie Sie selbst genauer mit der Schrift bekannt wurde, gefesselt. Ich fühle es lebhaft, wie Christus Paulus und Johannes als Bilder großer Individualitäten Ihnen klar vor Augen stehen. Nehmen Sie dieselben als wahre Wesen und Geister, als Lehrer und Führer der Wahrheit und folgen Sie Ihren nach. Es ist doch am Ende wieder das Ansehn von Menschen, was uns von dem Ansehn dieser höchsten Zeugen der Wahrheit abwendet: und wie elend sind jene Menschen, die uns von diesen großen Lichtern abwenden! Christus zeugt von dem, was er gesehn und gehört hat, und stirbt für sein Zeugniß und stehet von den Todten auf, um nicht wieder zu sterben. Jene lästern, da sie nichts von wissen, und leben als Unreine, als Sünder, und sterben wie das tief auf dem Felde, ohne Hoffnung und ohne Gott.

Ich bitte Gott inbrünstig, daß er Ihren Geist von dem Irrthum, der Sie drückt und unselig macht, zu der heilsamen und lebendigen Erkenntniß seiner Wahrheit führt, und Sie, theurer verehrter Mann, zu der Heimath der Seelen und zu den Wohnungen des Friedens bringe, zu denen Ihnen in dem Glauben in Christo schon hienieden der Schlüssel gegeben ist. Die ewige Gnade sey und bleibe bey Ihnen.
Mit wahrer Ergebenheit

Voigtsberg in Sachsen
den 2ten. Januar 1824.
der Ihrige
Schmieder.

Arkivplacering

m9 1824, nr. 1

Sidst opdateret 10.05.2011