5.11.1839

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Neuste Werke der bildenden Kunst in München.

Die eherne Reiterstatue des Churfürsten Maximilian I. von
Thorwaldsen.

Auf einem 18 Fuß hohen, 9 Fuß breiten und 18 Fuß tiefen Postament von grauem Granitmarmor, in Gestalt eines länglichen Würfels mit gewöhnlicher Base und Gesims und einem darauf ruhenden Pfeilerfußgestell, steht die obengenannte Reiterstatue In voller Waffenrüstung, jedoch ohne Kopfbedeckung, mit Brust- und Rückenharnisch, mit ganzen und gegliederten Halbschienen an Arm und Beinen, selbst den Füßen, wie es zu Anfang des 17ten Jahrhunderts noch der Brauch war, sizt er zu Pferde. Das Schwerdt steckt in der Scheide; das Haupt, von genauer Bildnißähnlichkeit, neigt er vom aufrecht gehaltenen Nacken, gegen die linke Seite gekehrt, ein wenig nach vorn; die Rechte, deren Zeigefinger nach einer bestimmten Stelle gebietend hinweist, ist, fast zur wagerechten Höhe gehoben, nach vorn gestreckt; die Linke hält die Zügel und mit ihnen das Roß an, das eben noch mit dem linken Vorderfuß ausgreifen will, während die übrigen Glieder bereits, dem Befehl gehorsam, ruhen. Die Feldherrnbinde liegt von der rechten Schulter nach der linken Hüfte herabhängend über der Brust des Fürsten, aus den Halftern sehen die Pistolen hervor. Das Piedestal hat keine Basreliefs; die beiden schmalen Seiten enthalten in erhabenen, erzgegossenen und vergoldeten lateinischen Buchstaben die Inschriften, 1) die vordere: MAXIMILIAN I. CHVRFÜRST VON BAYERN, und 2) die hintere: ERRICHTET VON LUDWIG I. KÖNIG VON BAYERN AM XII. OCT. MDCCCXXXIX. Das ganze Monument, das auf dem nach der Mitte zu erhöhten, von größtentheils palastähnlichen Gebäuden umgebenen, 80 Schritt breiten und 112 Stritt langen Wittelsbacher Platze steht, an dessen Vorderseite die ansehnliche und belebte vom Hofgarten nach der Glyptothek und nach Nymphenburg führende Brienner Straße vorbeigeht, hat eine Höhe von 36 Fuß und beherrscht die Umgebung vollständig.

Das Modell zur Statue wurde von Thorwaldsen angefangen im Jahr 1832 und kam im Jahr 1836 in München an. Der Erzguß, der mit Ausnahme des Oberkörpers vom Reiter, auf einmal und mit größtmöglicher Vollkommenheit, bewerkstelligt wurde, und wozu 224 Centner Erz verwendet sind, ist unter der Leitung des Inspektors I. Stieglmaier in der königlichen Gießerei in München ausgeführt worden. Auch die Eiselirung geschah unter seiner Aufsicht, wie alles Technische, der Aufrichtung ec. nach seiner Angabe.

Am 28. September 1839 wurde die Statue an ihre jetzige Stelle gebracht und mit eisernen eingegossenen, zum Theil bis unter das Postament reichenden Stangen befestigt, und am 12. Oktober, als an dem Namenstage des verherrlichten Fürsten, unter militärischer Feierlichkeit in Gegenwart des Königs, des Kronprinzen und der übrigen Prinzen des Hauses, so wie einer Anzahl hochgestellter Personen und einer großen Menge Volkes durch den Inspektor Stieglmaier enthüllt, bei welcher Gelegenheit der Minister des Innern, v. Abel, eine Anrede an den König über Seine und Seines erlauchten Vorfahren! Verdienste hielt, von der königlichen Kapelle ein eigens gedichtetes Lied nach der Weise des Walhallaliedes gesungen wurde und sämmtliche in München garnisonirenden Regimenter in Parade bei dem Denkmal vorüberzogen.

In der Folgereihe der Kunstunternehmungen des Königs von Bayern nimmt dieses Denkmal eine sehr bedeutende Stelle ein. Zwar an Umfang fast die kleinste der von ihm der Kunst gestellten Aufgaben, ist sie doch durch Plan, Auffassung und Ausführung so groß, daß beinah alle höheren, in diesem Gebiet angeregten Interessen davon berührt werden.

Die Frage, ob dem ligistischen Helden des dreißigjährigen Kriegs ein öffentliches Denkmal in der Hauptstadt Bayerns gebühre, konnte vom allgemeinen historischen, nicht nur vom katholischen Standpunkt aus, bejaht werden. Betrachtet man Maximilians hervorragende Eigenschaften, als Lehnsmann, Fürst oder Feldherr, so kann man nicht umhin, ihn an Gesinnung groß und an Gaden reich zu finden, größer und reicher, als die nachfolgenden Geschlechter, und es war ein inhaltvolles Wort, welches der König bei der Enthüllung des Denkmals aussprach, daß er “eine fast zweihundertjährige Schuld löse.”

Bei den übrigen durch den König errichteten Kunstdenkmalen sehen wir fast durchgängig einen breitangelegten Plan, an dessen Ausführung mehr oder weniger alle Künste Theil haben; hier dagegen steht die Skulptur allein; noch mehr, sie begnügt sich mit der Darstellung der Persönlichkeit, deren Verherrlichung es gilt. Wie wenig auch im Allgemeinen eine solche Beschränkung bei Errichtung. von Denkmalen ausgezeichneter Männer gut zu heißen seyn dürfte, bei einem Fürsten und Feldherrn, wo die Wirksamkeit so innig mit der bloßen Erscheinung verwebt ist, wird sic stets an der rechten Stelle seyn. Zwar ist Marimilian Repräsentant einer bestimmten allgemeinen Richtung, der Träger einer in die Geschichte eingreifenden Gesinnung, sein geistiger Arm reicht unendlich viel weiter als sein leiblicher, und reichlich bieten Motive für monumentale Unternehmungen bei ihm sich dar. Das aber erscheint am Plan des vorliegenden Kunstwerks als Aeußerung richtigen Gefühls, und muß mit Dank und Anerkennung hervorgehoben werden, daß eine Darstellung gewählt wurde, die sich auf Eigenschaften bezieht, der gerechter Sinn, auf welcher Seite er sich auch äußere, die volle Zustimmung nicht versagen kann, und die keine andere Gemüthsbewegung, als die der Theilnahme und Bewunderung hervorruft. So war der Plan, den Fürsten als Feldherrn hinzustellen, und damit an jene Eigenschaften zu erinnern, die dem Gegner Achtung, dem Freunde Verehrung abgewinnen, unbedenklich der glücklichste. Reliefs am Postament wurden von diesem Standpunkt aus unzulässig, da sie entweder als Bezeichnung der Regententugenden von dem Sinne der obern Darstellung sich entfernt, oder da sie bei weiterer Ausführung der Feldherrntalente, in Verbindung mit Thaten, Antipathien geweckt haben würden, an denen das Leben ohnedies keinen Mangel hat, und die wenigstens die Kunst nicht mehren und nähren soll. Es ist also Maximilian der Feldherr, der scharfblickende und ernstgebietende Ordner und Lenker der Schlachten, den wir im Schmuck der Waffen hoch zu Rosse vor uns sehen.

Bei der Darstellung selbst begegnen wir zuerst der schwierigen Frage von allgemein künstlerischer Bedeutung nach dem Moment der Auffassung. Welches Ereigniß aus einem langen, thätigen Leben, und wieder, welcher Augenblick dieses Ereignisses soll gewählt werden? In welchem Theile spricht das Ganze sich aus? Ein Botaniker würde antworten: im Saamenkorn liegt die ganze Pflanze, es ist ihre That und ihr (idealer) Inhalt. Des Feldherrn That ist die Schlacht; ihr (idealer) Inhalt das Commandowort. Hiemit haben wir den Moment der Auffassung. Im Angesichte der Heerschaaren, im Beginn der Schlacht schreibt der Lenker derselben beiden ihren Gang vor: in der erhoben gestreckten Rechten liegt die Entscheidung, in seiner Hand der Sieg. Nur der Anfangs- oder der Endpunkt der Bewegung gehören der bildenden Kunst, wie nur der ausholende Arm (in der Darstellung) den Schlag bezeichnet, obschon jener, um diesen zu vollführen, eine Viertelkreislinie und mehr beschreiben muß. Darin liegt auch die Erklärung der Stellung des Pferdes. Nicht im vollen Trabe, wie das des Gatta Melatta in Padua, nicht ansprengend wie das von August dem Starken in Dresden, die beide (mit allen verwandten Darstellungen) beunruhigen, sondern angehalten im Lauf, im Moment des Uebergangs aus der Bewegung in die Ruhe ist es aufgefaßt, so daß Reiter und Roß gleichmäßig zwischen Ruhe und Bewegung mitten inne stehen, nur mit dem Unterschiede, daß leztre beim Roß, weil sie bei ihm selbst statt fand, aufhören muß, während sie beim Reiter, weil sie außer ihm erfolgt, eben erst beginnen soll. In diesem feinen Spiel der Gegensätze, das in allem Detail sich wiederholt, in diesem Streifen an die Schranken, ohne sie zu berühren, liegt das Geheimniß richtiger Auffassung und lebendiger Darstellung, einer der größten Reize des gegenwärtigen Kunstwerks.

Betrachten wir nun die Ausführung der in bezeichneter Weise aufgefaßten Aufgabe! Eine der vielfach in unsern Tagen aufgeworfenen Fragen ist die nach der Wahl des Kostümes. Unsere aus der Schule antiker Kunst hervorgegangenen Bildhauer sträuben sich bei Darstellungen aus neuer Zeit gegen das Kostüme derselben. Ungerecht wäre es, dieser Weigerung einen andern Grund als den Widerwillen eines gebildeten Geschmacks gegen allerhand Thorheiten und Häßlichkeiten unterzulegen; allein dessen ungeachtet darf sie nicht auf unbedingten Erfolg Anspruch machen: die Kunst hat höhere Aufgaben, als die der formalen Schönheit (wie schon monumentale Bildwerke, überhaupt statt eines Apollo, Alcibiades, einer Venus oder Phryne beweisen), und es liegt – Michel Angelo hat es gezeigt – in ihrer Gewalt, jede derartige Anforderung durch größere Leistungen zum Schweigen zu bringen. Thorwaldsen stellt seinen Helden in der Rüstung des 17ten Jahrhunderts dar. Es wird Niemanden einfallen, dieselbe mit ihrem bis über den Leib herabgehenden, glatten Brustharnisch, mit der armadillartigen Bekleidung der Oberarme und Schenkel, so wie den Halbschienen ec. für die Skulptur besonders günstig zu halten. Und doch, wen stört sie, an dieser Statue? ja wer möchte sie gegen die Alexanders oder Cäsars, oder gegen sonst ein antikes oder ideales Kleid vertauschen? Man fühlt auf der Stelle, daß der Gestalt, die wir vor uns haben, wie sie sizt und sich bewegt, ja sogar dem durchfurchten Kriegerantlitz, der gewählte Waffenschmuck durch einen dreißigjährigen Gebrauch ganz eigen, ja so mit ihm verwachsen ist, daß ihn ablösen so viel heißen wurde, als den Mann skalpiren. Selbst das gehört zur Vollendung des Eindrucks, daß kein Mantel, der sammt seinen malerischen Massen und dem Reiz des Gefältes hier doch nur eine unnütze Zuthat, eine dem sogenannten Geschmack gemachte Konzession seyn würde, über die Schultern fällt. Es liegt eine ergreifende Gewalt in dieser mit der Würde und Bedeutung der dargestellten Person scheinbar sehr kontrastirenden, nur den Kriegsmann bezeichnenden Einfachheit; allein wir dürfen uns dadurch nicht irre und zu der Vorstellung führen lassen, als ob sie allein diese Wirkung hervorbrächte; sie ist nur die Begleiterin anderer künstlerischer Kräfte, die überall von wesentlichem Belang sind. Ohne die nur in der Aufgabe selbst begründete, durch keine äußere oder Nebenbeziehung geleitete Wahl der Motive, ohne die durchgreifende Wahrheit und Unmittelbarkeit einer jeden Bewegung der Arme und Hände ec. sowohl, wie der des Körpers und vornehmlich des leise nach vornen abwärts gesenkten Kopfes auf dem streitrechten Halse; ohne die durch das edelste Maß der Theile und ein sich ausgleichendes Wechselverhältniß der Bewegungen erreichte Harmonie; ohne die dadurch erlangte Schönheit aller Linien, die überall, wo sie sich vom Mittelpunkt entfernen, wieder zum Ganzen sich schließen, kurz ohne Wahrheit und Schönheit im höhern Sinne würde auch die höchste Einfachheit nur wenig helfen.

Was die Ausführung insbesondere betrifft, so sind Formen und Verhältnisse mit Bedacht gewählt und nach einem großen Maßstab gemessen. Als die Statue noch im Gießhaus stand, kamen die Beine des Pferdes Jedermann zu lang vor; nun an ihrer weit über unser Auge hinaufgerückten Stelle, wo die Linien des Unterleibs so viel von ihrer Länge abschneiden, haben sie gerade das erforderliche Maß. So muß der Bildhauer in die Zukunft hineinarbeiten, um später der Gegenwart zu genügen. Die Ausarbeitung aller Theile, vornehmlich des sehr edel gestalteten Rosses, ist bewunderungswürdig, und bei aller Detaillirung auf die Wirkung in die Ferne wohl berechnet. Ganz besonders schön ist das Angesicht des Fürsten, mit seinen überschatteten Augen, den gebietenden Lippen, der ernsten durchackerten Stirn, der kräftigen Römernase und dem leicht herabwallenden Haar.

Es kann nicht fehlen, daß nicht auch Wünsche und Bemerkungen entgegengesezter Art laut werden sollten; es sey mir erlaubt, am Schluß meines Berichtes einiger zu gedenken, die mir öfter von einsichtigen Männern gemacht worden. Der Kopf des Thieres erscheint Vielen zu kurz; eben so der Schweif, der – wäre er voller und länger, das edle Aussehen des Thieres noch erhöhen würde. Auch am Postament wünscht man eine kleine Veränderung, die leicht zu bewerkstelligen wäre, eine Abflachung der Platte, auf der das Roß aufsteht, nach allen vier Seiten, damit die gegenwärtig durch den Contour derselben verdeckten Hufe sichtbar werden möchten.

Abbildungen von Kunstwerth sind bisher im Kunsthandel noch nicht erschienen. Dagegen ist eine verkleinerte Nachbildung von 15” Höhe (30” mit dem Postament) in der Erzgießerei geformt worden, davon Abgüsse in Gyps und Erz zu haben sind.

(Fortsetzung folgt.)

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Generel kommentar

Dette er en trykt tekst fra det tyske kunsttidsskrift Kunst-Blatt, op. cit. Kun de passager af teksten, der vedrører Thorvaldsen, citeres her.

Thiele

Ikke omtalt hos Thiele.

Andre referencer

Personer

Værker

A128 Hest, august 1833, inv.nr. A128

Sidst opdateret 29.08.2017