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106. Gutenberg’s Denkmal.
Die Geschichte weist uns zwar, wie der Präsident der Gutenberg-Commission, Dr. Pitschaft, in seiner Festrede bemerkte, daß unter den ehemaligen, sich meistens durch Geist und Herz auszeichnenden Churfürsten von Mainz die Errichtung eines Denkmals für Gutenberg, den Erfinder der Buchdruckerkunst, schon manchmal beherzigt worden war, und unter den, das Churthum so sehr beglückenden Regenten Schöborn, Ostein, Breidenbach und Erthal wurden schon Einleitungen getroffen, diesen Plan in’s Leben zu führen; ausgezeichnete Männer im Staate und in der Wissenschaft, wie Leibnitz, Faber, Steigentesch, Sickingen, Benzel und andere traten selbst schon mit Vorschlägen zu einem öffentlichen Denkmale hervor, — allein man konnte nicht einig werden, nach welchem Maßstabe, in welcher Form es gesetzt werden sollte, — vorherrschend war aber dabei fast allemal der Gedanke: »das weite, humane Europa zu beleidigen, wenn man es nicht daran Antheil nehmen lasse.« Doch diese schönen Wünsche, wie überhaupt der Gedanke an eine großartige Abtragung der allgemeinen, fast 400jährigen Schuld gegen Gutenberg stießen damals, wie auch noch später 1804 unter Napolen, auf unerwartete Hindernisse, so daß erst mit dem Ende des Jahres 1827 diese Idee, mit voraussichtlichem Erfolge, von dem Mainzer Kunst- und Literatur-Vereine wieder kräftig angeregt werden konnte.
Im Jahre 1831 trat auch schon die zur Errichtung eines großen öffentlichen Monumentes bestellte Commission ins Leben. — Hier musste aber auch, wie natürlich, die von den Vorfahren übertragene, von einheimischen wie von fremden Gelehrten, und namentlich von einem gelehrten Neapolitaner ausgesprochene Idee wieder festgehalten werden: »Nicht allein Deutschland, nicht allein Europa, sondern der ganzen Welt gebührt es, dem Mainzer Gutenberg ein Denkmal der Dankbarkeit zu errichten.« Und so erließ denn auch die Errichtungs-Commission im Februar 1832 ihren »Aufruf an die gebildete Welt,« indem sie es für Pflicht hielt, gleichsam im Geiste der ältern wie der neuesten Zeit, die ganze Mitwelt anzurufen, daß sie zur Stiftung eines erhabenen Monumentes für Johann Gutenberg die Hand bieten möge.
Der Aufruf wurde verstanden und die Gegenwart fühlte sich bald durchdrungen von dem Gedanken, daß es endlich an der Zeit sei, daß den Manen Gutenbergs Das werden müsse, was ihm die nähere Nachwelt bis jetzt zu gewähren nicht vermochte! Es ist ihr gelungen! — der jetzigen Generation — und in dem Erfolge selber stiftet sich der Geist des Jahrhunderts eine erfreuliche Urkunde des hohen Standes seiner Cultur. — Aus allen Ländern, von allen Klassen der staatsbürgerlichen Gesellschaft sind Beiträge erfolgt. Alle diese Beförderer fragten nicht erst, welchem Boden diese Kunst entkeimte? wo sie geschaffen, die göttliche, die ihren wohlthätigen Einfluß über die ganze Welt verbreitet, die sich als Trost für den Gebeugten, als Schutzwehr für die Unschuld und als Geißel für jedes Unrecht bewährt, — und so zum reichen Quell des Segens für die leidende Menschheit geworden; sie fragten nicht, wo sie geschaffen, die mächtige, die gewaltiger als das Schwerdt den finstern Geist der Barbarei, des Aber- und Unglaubens bekämpft und ohne Rücksicht auf Clima und Farbe neue, kräftige Bande der Civilisation, der Religion und Liebe, des geselligen rote des Handels-Verkehrs unter den Menschen geknüpft hat — und so gleich einem Engel des Lichtes belebend, schützend und tröstend ihre Fittige über die gesammte Welt ausbreitet; die fort und forthin das einfachste, weit umschlingendste äußere Band zwischen einer schönen Vergangenheit und den Tagen der Gegenwart bildet, die alle Völker der Erde in eine fortlaufende Correspondenz über die Erfahrungen der Vergangenheit, die Vortheile der Gegenwart und die Aufschlüsse der Zukunft setzt, — die den Schwingen der Zeit selbst die Vortheile, die sie auch nur augenblicklich gebracht, bleibend entwindet und vermittelst schnell gefasster Wahrnehmung unter den Menschen und auf der Welt stritt, und so die geflügelte Zeit selber in allen ihren Momenten zur Trägerin der reichsten geistigen und materiellen Hebel gemacht hat! Genug war es für die Beförderer der Monumentssache, daß sie wussten, daß Gutenberg, der ahnete: »daß Gott die deutsche Nation gewürdigt, ein solch herrliches Licht in ihr aufgehen zu lassen« — daß er es war, dessen Geistes Zauberkraft so unzählige Wohlthaten über uns herabgerufen, in ihm der reiche Born entsprungen, aus dessen Quelle sich alle die wunderbaren Segnungen ergossen! mehr zu wissen, bedurfte es für seine werkthätigen Verehrer nicht. Und ihm — dem in Mainz Gebornen — konnte daher auch nur in seiner Vaterstadt zuerst ein öffentliches Monument allgemeiner Anerkennung errichtet werden. Von hier aus — er sagte es selber — ging der Buchdruck in die Welt, hier erfand nicht bloß das Genie, sondern es vollendete auch, und gab mit Bewusstsein der Werthes der Welt die höchste Gabe schneller Mittheilung der Gedanken.
Gutenbergs Vaterstadt hatte daher auch, bei der Bethätigung des öffentlichen allgemeinen Dankes, die größte Pflicht zu üben, und hat es redlich gethan! und nach ihr war es Deutschland, welches im Vergleich zu allen übrigen Ländern am treuesten das Werk fördern half.
Thorwaldson in Rom übernahm die Bildung des Modelles und dachte großmüthig genug, jede Zahlung dafür abzulehnen; der Guß der colossalen erzenen Statue wurde dem artistisch ausgezeichneten Crozatier in Paris übertragen. Den vereinigten Bemühungen beider Künstler verdankt Deutschland das schöne Monument, welches wir, mit Ausnahme des Piedestals, unsern Lesern in einer Abbildung vorlegen. Die Vorderseite des untern Theils des Monumentes trägt die Inschrift:
JOHANNEM GENSFLEISCH
DE GUTENBERG.
PATRICIUM MOGUNTINUM.
AERE PER TOTAM EUROPAM COLLATO.
POSUERUNT CIVES
MDCCCXXXVII.
zu Deutsch:
Johann Gensfleisch
zum Gutenberg,
Patricier in Mainz.
Von den in ganz Europa gesammelten Beiträgen
haben ihm die Bürger von Mainz dies Denkmal errichtet.
1837.
Auf der Rückseite steht in derselben Schrift:
Artem quae Graecos latuit
Latuitque Latinos.
Germani sollers extudit ingenium.
Nunc quidquid veteres sapiunt
sapiuntque recentes.
Non sibi sed populis omnibus
Id sapiunt.
In wörtlicher Uebersetzung:
Die Kunst, welche den Griechen verborgen blieb
und verborgen blieb den Römern,
brachte eines Deutschen erfinderischer Geist an das Licht.
Alles, was die Alten und Neuen erdacht haben und wissen,
haben sie jetzt nicht mehr für sich, sondern für alle Völker,
erdacht.
Die beiden trefflich ausgeführten Reliefs, wovon die Abbild. in einer der nächsten Nummern dieses Blattes folgen, machen das Anwenden der beweglichen Buchstaben bis zur Hervorbringung der Druckschriften anschaulich.
Die drei Tage des 14., 15. und 16. August des laufenden Jahres 1837 waren die Tage der Einweihung des Denkmales. Wir übergehen hier dieses eben so glanzvolle als ungewöhnliche Fest, und benutzen den uns noch zu Gebote stehenden Raum zu einer kurzen Biographie Gutenbergs, welche wir im Auszuge aus Stückredt Programm des Gutenbergsfestes mittheilen.
In der alten Stadt Mainz am Rheine wohnte in der letzten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein edler Patricier, Friele (Friedrich) Gensfleisch, dessen Sohn bestimmt war, durch Erfindung der Buchdruckerkunst einer der berühmtesten Männer Deutschlands und einer der größten Wohlthäter der Menschheit zu werden. Der Stamm der Gensfleische war edel; doch nicht minder edel war das Blut, das von mütterlicher Seite in den Adern des Erfinders der Buchdruckerkunst floß. Ilse zum Gutenberge war die letzte Erbin des alten Geschlechts der Gutenberge, weshalb denn auch die beiden, aus ihrer Ehe entsprossenen Söhne neben dem väterlichen, auch noch häufiger den mütterlichen Geschlechtsnamen führten; so war denn der vollständige Name unseres Helden: Johann (Hans, Hanne) Gensfleisch zum Gutenberg. Weder Geburts- noch Sterbejahr desselben sind mit Sicherheit bekannt. Aus mühsamen Forschungen ergab sich, daß Gutenbergs Geburt zwischen die Jahre 1393 und 1400, sein Tod aber zwischen den 4. Novbr. 1476 und den 24. Febr. 1468 fällt, so daß er mindestens ein Alter von 67 Jahren erreicht haben muß.
Gutenberg war seinen Zeitgenossen so unbedeutend und gleichgültig, daß wir von seinem Leben überhaupt nur höchst dürftige Einzelheiten, von seiner Jugend gar nichts wissen. Die erste Urkunde, welche seiner gedenkt, ist von dem Jahre 1430, wo derselbe also längst über die Kinderjahre hinaus war und schon ein Jahrzehend im Auslande zugebracht hatte. Von diesem Jahre ist nämlich die Rechtung, d. h. rechtliche Entscheidung des Erzbischofs von Mainz datirt, wo dieser zwischen den im langweiligen Kampfe getrennten Patriciern und Bürgerlichen der Stadt Frieden stiftet. In dieser Richtung wird unter den, in Folge der Feindseligkeiten im Jahr 1420 ausgewanderten jungen Adeligen, denen die Rückkehr in die Vaterstadt erlaubt und Vergessenheit des Vergangenen angelobt wurde, Johann Gutenberg genannt. Da wir ihn jedoch 4 Jahre darauf völlig ansäßig in Straßburg finden, so scheint er von der erhaltenen Erlaubniß keinen Gebrauch gemacht zu haben; es ist vielmehr wahrscheinlich, daß er schon das 10jährige Exil von 1420 bis 1430, dem er ein freiwilliges von 14 Jahren hinzufügte, größtenteils in Straßburg zubrachte und dort eine zweite Heimath fand. So schwach die von der Geschichte hier gewährten Anhaltspunkte sind, so lassen sich doch einige Vermuthungen über Gutenbergs Charakter wagen. Wenn der 20 — 27jährige Hans Gutenberg unter den ersten Anführern der Adelspartei seiner Vaterstadt hervortritt, und erst zehn Jahr später durch angesehene Vermittelung die Erlaubniß zur Rückkehr erhielt, so war er zu der Zeit wohl noch kein stiller Grübler, sondern ein heftiger, waffenlustiger Jüngling und ein leidenschaftlicher Vertheidiger seiner Standesvorrechte, sonst wäre er lieber in seinem Kämmerlein geblieben und hätte Bilder geschnitzt. Auch an Ausdauer und Beharrlichkeit scheint es dem jungen Mann nicht gefehlt zu haben; die Sehnsucht nach seiner alten Mutter und alle die Annehmlichkeiten des Lebens in der Heimath vermochten ihn nicht, vor oder nach der Amnestie seinen Erbfeinden unter die Augen zu treten. Ja wenn ihn nicht außergewöhnliche Verhältnisse in Straßburg zurückhielten, so scheint es, als schimmere schon hier der Eigensinn aus seinen Handlungen hervor, welchen wir auch in seinem spätern Leben wahrnehmen. Anderer Geits ergiebt sich aber doch, daß Was auch Gutenberg in dem Kampfe gethan haben mochte, er kein unverzeihliches Verbrechen an seinen Mitbürgern begangen hatte, wie andere seiner Parteigenossen.
Von einer Art Entschlossenheit oder Rücksichtslosigkeit zeugt wieder die nächste beurkundete Handlung Gutenbergs. Da die Stadt Mainz die ihm schuldigen Renten, eine Summe von 300 Gulden, nicht bezahlte, so ließ er nach damaligem Gewaltrecht den durch Straßburg reisenden Stadtschreiber von Mainz gerichtlich anhalten, und nöthigte ihn zu dem eidlichen Versprechen, zu Pfingsten 1434 jene Schuld nach Oppenheim zu bringen. Die Verwendung des Straßburger Rathes stimmte ihn jedoch zu versöhnlicheren Maßregeln. Er erließ dem gefangenen Stadtschreiber sein Versprechen und scheint seit der Zeit in besseres Vernehmen mit seiner Vaterstadt getreten zu sein. Bei dieser Gelegenheit stoßen wir zum ersten Male auf die Geldnoth unseres Helden, welche bis an sein Ende seine beständige Begleiterin und die hauptsächlichste Störerin seiner Lebensfreuden war. Immer finden wir ihn Geld borgend, Renten verkaufend oder verpfändend, immer mangelt es ihm an den Mitteln, seine Projekte und Erfindungen auszuführen, Woher diese Armuth rührte, ob die Familie schon vor seiner Auswanderung verarmt war, oder ob Gütereinziehungen während des Exils es veranlasst hatten, das lässt sich nicht ermitteln. Allein das dürfte kaum zu verkennen sein, daß Gutenberg kein Haushalter war, und, wie so viele große Geister, über den Ideen, woran sein Geist sich klammerte, die Bedürfnisse und Forderungen der Erde vergaß. Uns kommt es nicht zu, ihm darüber Vorwürfe zu machen, uns, die wir an den Früchten seines Nachdenkens zehren; hätte er nach der Weise der meisten Junker seiner Zeit gelebt, hätte eine Krämerseele in ihm gewohnt, wir harrten vielleicht noch jetzt auf das von ihm angezündete Licht der Gedankenverbreitung. Ueber Gutenbergs Geschäfte und ganzes Treiben in Straßburg geben die noch vorhandenen Akten eines gegen ihn geführten Processes einigen Aufschluß. Hieraus ergiebt sich, daß im Jahre 1438 Gutenberg in der Vorstadt St. Arbogast zu Straßburg wohnte und sich mit allerlei mechanischen Künsten abgab, worunter das Steineschleisen und Spiegelpoliren ausdrücklich genannt wird. Mehrere Bürger baten ihn um Unterricht in diesen Künsten und um Theilnahme an den Geschäft, was gegen Errichtung eines Lehrgeldes gewährt wurde. Da sie aber fanden, daß Gutenberg ins Geheim noch andere als die mitgetheilten Künste treibe, so bewogen sie ihn durch neue Zahlung zu neuen Mittheilungen und zur neuen Geschäftsgemeinschaft, wobei hauptsächlich für den Verkauf der 1440 bevorstehenden Aachener Messe gearbeitet wurde. In diesem letzten Geheimniß, welches Gutenberg seinen Genossen vertraute, haben nun die meisten Ausleger, wo nicht die vollkommene Buchdruckerkunst, doch wenigstens ihre Anfänge erkennen wollen , und sich durch keine Unwahrscheinlichkeit und keinen Widerspruch abhalten lassen, das Jahr 1436 als Erfindungsjahr anzusehen. Wer indessen die Urkunden mit Unbefangenheit liest, wird finden, daß von einem Drucke mit beweglichen Lettern, der allein den Namen Typographie verdient, nicht die leiseste Andeutung vorkommt, und daß nur vorgefasste Meinung die Widersprüche, worin jene Annahme verwickelt, übersehen kann. Selbst der Druck mit ganzen Holztafeln ist schwerlich das Geheimniß gewesen, das sich die Straßburger Bürger von Gutenberg erkauften, wenn sich gleich diese Annahme eher zu der Geschichte reimen würde. Indessen verliert ja Gutenbergs Ruhm durch das Hinausrücken seiner Erfindung in ein späteres Jahr nicht das Mindeste, er gewinnt vielmehr an Reinheit und Wahrheit, wenn man sieht, daß der Erfinder nicht durch eine vom Zufall eingegebene glückliche Idee, sondern durch ein ernstes, anhaltendes Nachsinnen stufenweise zu der herrlichen Kunst gelangte, welche der Forschung so vieler Jahrhunderte verborgen blieb. Es liegt etwas Erhebendes darin, daß, während säst alle übrigen Erfindungen dem Ohngefähr, so weit es nehmlich auf Erden ein Ohngefähr giebt, verdankt werden, die beiden größten, die Grundsteine der heutigen Civilisation: die Buchdruckerkunst und die Fahrt in die neue Welt, das Resultat menschlichen Denkens und menschlicher Absicht gewesen sind. Gutenberg hatten nicht einmal Erziehung und frühe Gewöhnung auf den Weg der Unsterblichkeit geleitet. Als Adliger hatte er sicherlich keinen Unterricht im Schleifen, Poliren und ähnlichen Künsten erhalten, die Natur selbst trieb ihn dazu, und die Noth— dafür spricht die ewige Erfahrung — die Noth schärfte sein Nachdenken. Die Vorsehung hatte ihn mit Genie und Geduld ausgerüstet, sie sandte ihn ins Exil, um die schlummernden Kräfte zu wecken, und es geschah, wie sie gewollt hatte, es wurde Licht. Schon zur Zeit seines Prozesses (1439) musste Gutenberg sich ganz in seiner Werkstätte vergraben haben; wir finden seine Mitarbeiter beständig nur in seiner Wohnung versammelt, wo sie, um ja keine Zeit zu verlieren, sogar an den Mahlzeiten Theil nahmen; wir sehen, als der Eine aus der Genossenschaft stirbt, daß Gutenberg nicht selbst in das Sterbehaus geht, um ein wichtiges Geräthe in Sicherheit zu bringen, sondern bloß seinen Diener darnach schickt. Diese Scheu vor öffentlichem Erscheinen, welche wir später noch auffallender an Gutenberg bemerken, hat bei einem Manne, der sich anhaltend mit mechanischen Versuchen abgiebt, durchaus nichts Auffallendes; sie ist vielmehr ein allgemeines Merkmal tief nachsinnender Menschen. Es ist also lächerlich und höhnisch zugleich, wenn die Vertheidiger der angeblichen Erfindung der Buchdruckerkunst in Hartem zuversichtlich annehmen, Gutenberg müsse irgend eine That, die das Licht nicht vertragen konnte, z. B. den Diebstahl, welchen sie ihm anzudichten suchen, begangen haben.
Nach diesem Prozesse verlässt uns wieder die Geschichte. Im Jahre 1444 war er noch in Straßburg; 1448 finden wir ihn abermals, Schulden machend, in Mainz wieder. Es lässt sich beinahe nicht bezweifeln, daß das unabläßige, fast alchimistische Ringen nach Verbesserungen und neuen Erfindungen und die davon unzertrennlichen kostspieligen Versuche, indem sie ihn von der Gewinn bringenden Ausübung bekannter Künste abzogen, Gutenberg in diese ewigen Verlegenheiten stürzten. Er war zum Fabrikanten, zum Handelsmanne nicht geboren, und Andere erndteten, was er gesäet hatte. Nicht das äußere, sondern das innere Interesse und die ihm eigenthümliche Hartnäckigkeit hielten ihn in dem düstern Laboratorium zurück, sogar der Ruhm, Etwas ergrübelt zu haben, war ihm nicht so lieb, als dieses Grübeln selbst. — Wahrscheinlich ist es, daß seine Gattin Ennel in den Jahren 1444 bis 1448 starb, und daß dann der kinderlose Gutenberg, welchen nun an Straßburg Nichts mehr fesselte, den Aufenthalt in Mainz, wo seine Verwandten lebten, vorzog. — Schade, daß über die Jahre 1448 bis 1455, in welche, sofern geschichtliche Wahrscheinlichkeit die Stelle der Urkunden vertreten kann, ohne Zweifel die eigentliche Erfindung sammt allen hauptsächlichen Vervollkommnungen fällt, so spärliche Nachrichten vorhanden sind. Auch hier muß wieder ein leidiger Proceß unsere Hauptquelle sein. Dieser im Jahre 1455 durch die Klage seines neuen Associes, des Mainzer Goldschmiedes Johann Fust (oder Faust), gegen Gutenberg entstandene Proceß führt auf das Jahr 1450 zurück, wo Gutenberg mit Faust einen Gesellschafts-vertrag zur Errichtung einer gemeinschaftlichen Druckerri abschloß. Die Haupterfindung, das Zersägen der bis dahin gebrauchten Holztafeln zu einzelnen Lettern und das Setzen derselben zu Wörtern und Zeilen muß also damals schon gemacht gewesen sein, weil sonst der eigennützige Fust nicht auf Gewinn hätte rechnen können. Eine Summe von 800 Fl., die er zu Anschaffung des Druckgeräthes zu 6 Procent vorschoß, so wie die übrigen Vorschüsse zur Ausführung der Drucke selbst, waren für jene Zeit viel zu bedeutend, als daß sie Jemand auf den unfruchtbaren Tafeldruck hätte verwenden mögen. Die Möglichkeit, die Bücher schneller und um geringern Preis zu vervielfältigen, musste vor dem Vertrag von Gutenberg erwiesen sein, Fust musste Proben gesehen haben, ehe er Geld hergab. Folglich kann die Erfindung nicht wohl nach 1450 gemacht worden sein, aber auch nicht viel früher, weil Gutenberg sonst eher zu sichtbaren Resultaten hätte gelangt sein müssen. Ueberdies nehmen auch die glaubwürdigsten und gleichzeitigsten Schriftsteller das Jahr 1450, und nur eine Buchdrukkersage, welche wahrscheinlich das Fortschreiten des Tafeldrucks mit der Erfindung der Lettern verwechselte, brachte das Jahr 1440 zu der Ehre, die Jubeljahre der nächsten drei Jahrhunderte zu bestimmen. Wohl mögen diese zehn Jahre von 1440 bis 1450 traurige Jahre für den Erfinder gewesen sein, da er, unablässig von dem Gedanken getrieben, die Schrift durch Druck zu vervielfältigen, die mühseligsten und kostspieligsten Versuche entweder scheitern oder so schwerfällig gerathen sah, daß er vor der Welt nicht aufzutreten getraute, da die Mittel, das Unternehmen zu Ende zu führen, trotz alles Borgens ausgingen, da er zuletzt vergeblich gelebt zu haben fürchten musste. Es gehört unendliche Seelenstärke dazu, eine Idee durch ein Labyrinth von solchen Schwierigkeiten hindurch zu führen, um nicht zu ermatten, bis endlich das jubelnde: Ich hab’s gefunden! ertönt.
Die Hauptsache, die beweglichen Typen, waren nun wohl erfunden; allein man überlege, mit welchen weitern Schwierigkeiten der Erfinder noch zu kämpfen hatte, bis der Druck einer größern Schrift vorbereitet war. Die Buchstaben mussten alle einzeln in festes Holz geschnitzt, die Tafeln äußerst genau zersägt, die Lettern mit Löchern zum Einfädeln in eine Zeile versehen sein. Man denke, welche Mühe für einen oder zwei Männer, da das Geheimniß doch noch Geheimniß bleiben sollte! So wurden denn auch Anfangs nur wenige und kleinere Schriften gedruckt, und Gutenberg war auf dem Punkte, gemüthskrank zu werden vor lauter Sinnen aus Verbesserung und Erleichterung seiner neuen Erfindung. Doch Gott war mit ihm; auch die weitern Schritte gelangen, Erfindung folgte der Erfindung, Gutenberg war nicht bloß Entdecker des ersten Inselchens in dem großen Ocean, sondern auch der Durchforscher der benachbarten Länder, und ließ seinen Nachfolgern nicht so viel zu thun übrig, als Kolumbus den seinigen.
Bis zum Jahre 1452 war die Presse, wodurch erst ein genauer gleichmäßiger Abdruck möglich ward, und die noch wichtigern Matrizen (Gußformen der Lettern, ohne welche diese weder gleichmäßig, noch wohlfeil verfertigt werden können), so wie eine haltbare Schwärze noch erfunden, und die Unternehmer durften sich nun an größere Drucke wagen. Auch war die erste Unternehmung sogleich auf den würdigsten Gegenstand gerichtet; es war die noch jetzt in einigen Exemplaren vorhandene 42zeilige lateinische Bibel, deren Druck im Jahre 1455 beendigt wurde, nur leider nicht durch den, welchem dieser Triumph allein gebührte, nicht durch Gutenberg! Ach, schon damals entstand eine Tyrannei des Geldes, wie jetzt! Der Reichthum erndtete, wo das Genie gesäet hatte. Fust, der inzwischen an Peter Schösser aus Gernheim einen bequemern Gehülfen gefunden hatte, als den immer versuchenden, schweigsamen, vielleicht langsamen, wenigstens nicht kaufmännischen Gutenberg, stieß nun den Mann, in dessen Kopfe Alles entsprungen, durch dessen Hände Alles geschaffen und gediehen war, stieß den Freund, der ihm sein Geheimniß vertraut, aus der Werkstätte, deren Gründung sein ganzes Lebensglück verschlungen hatte. Nachdem nehmlich mit den geliehenen 800 Fl. das Druckwerkzeug schon hergerichtet und verbessert war, hatten sie nach eines glaubwürdigen Zeitgenossen Berichte bis zur Vollendung des zwölften Bogens der Bibel 4000 Fl. ausgegeben; Gutenberg war dadurch vollends zu Grunde gerichtet und ganz in den Händen des rechtskundigen, schlauen Fust.
Unterdessen war Peter Schösser, ein trefflicher Schreiber und gewandter Arbeiter, als Diener in das Geschäft aufgenommen, und hatte bald begriffen, daß der Gewinn des Druckgeschäftes hauptsächlich aus einer wohlfeilern Verfertigung geschmackvoller Lettern entspringen müsse, und daß also weder die älteste Art, sie aus Holz zu schneiden, noch die spätere, sie aus bleiernen Matrizen, die wiederum um hölzerne Stempel geformt waren, befriedigend sei. Sein Scharfsinn leitete ihn auf stählerne Patrizen (Schriftstempel), welche in kupferne Platten eingeschlagen, weit stärker gezeichnete und weit weniger abnutzbare Matrizen hervorbrachten, ganz ähnlich denen, welche noch heutiges Tages benutzt werden. Er war klug genug, diese Erfindung geheim zu halten, bis er sie zur Anwendung reif sah. Nun wandte er sich mit derselben nicht an den armen, düstern, eigensinnigen Gutenberg, von dem er vielleicht künstlerische Eifersucht besorgte, sondern an den reichen, speculativen Fust, dessen Tochter Christine wohl schon längst seine Augen auf sich gezogen hatte. Fust erkannte sogleich die Vorzüge der Schöfferschen Typen vor den Gutenbergischen, und die Begierde, den Ertrag dieser wichtigen Erfindung seiner Familie ungetheilt zuzuwenden, übertäubte die Stimme des Gewissens. Schösser wurde Fust’s Schwiegersohn, während gegen Gutenberg eine Klage auf Rückzahlung der sämmtlichen Vorschüsse, welche sich nach Fust’s sehr jüdischer Berechnung auf 2000 Fl. beliefen, angestellt wurde. Der Plan war so richtig, als herzlos angelegt; Gutenberg wurde von einem entweder partheiischen oder unselbstständigen Gerichte, vor dem er obendrein nicht persönlich erschienen war, verurtheilt, zu bezahlen; und da er weiter Nichts hatte, als Druckgeräth und seinen Antheil an den gedruckten Exemplaren der bald vollendeten Bibel, so musste er sein geliebtes Druckhaus verlassen und alle die Schöpfungen des Genies, die ersten, einzigen gedruckten Bücher in der Welt, wovon man jetzt jedes Exemplar mit Gold aufwiegt, seinem hartherzigen Gegner überlassen.
Wie eine Mutter von ihren Kindern, so mag wohl Gutenberg von seiner Presse geschieden sein. Kolumbus in Fesseln, Gutenberg aus seiner Druckerei vertrieben, das sind zwei große Schandsäulen in der Geschichte des Menschengeschlechts. Und doch konnte Undank und Demüthigung weder in dem Einen, noch in dem Andern die Glut löschen, womit er die Erreichung seines Zieles umfasste. Kolumbus segelte, als Unterbefehlshaber, mit einer Mannschaft von Verbrechern zum vierten Male nach Amerika, das nicht einmal seinen Namen tragen sollte; Gutenberg irrte umher, kam nach Mainz zurück, bis er wieder Jemanden fand, in dessen Namen und mit dessen Gelde er eine neue Druckerei errichten konnte. Abermals ein Rechtsgelehrter, Dr. Humery in Mainz, reichte dem armen Erfinder die Hand, der nicht einmal als Miteigenthümer der Druckerei erscheinen durfte, weil Fust als nicht vollständig befriedigter Gläubiger sonst seine Hand nach derselben ausgestreckt haben würde. Doch ging es mit der Einrichtung der neuen Druckerei gar langsam vorwärts. Gutenberg war alt, gebeugt und voll Kummer, daß Schösser, dessen Gußverfahren er immer noch nicht kannte, ihn mit seinen eleganten Lettern verdunkelte. Er war kein Schönschreiber wie Schösser, deshalb blieben seine Buchstaben unregelmäßig, unproportionirt, seine Bleimatrizen gaben nach, deshalb gingen die feinern Striche im Abdruck verloren; dazu war er nicht unbeschränkter Herr seiner Druckerei, konnte an Verzierung des Drucks nicht das Nämliche wenden, wie der wohlhabende Fust, musste allein oder mit minder geübten Gehülfen arbeiten, er war und blieb übertroffen. Von seinem Vorrechte als eigentlicher Erfinder wussten nur Wenige; die große Menge würde nach dem Schein geurtheilt und die vollkommneren Drucke für Producte der ältesten Presse, die unvollkommneren für das Werk eines unreifen Schülers gehalten haben. In einer Zeit, wo die Oeffentlichkeit noch kein Organ hatte, wo Alles noch aus dem niedrigen Gesichtspunkte des Handwerks und der Zunft betrachtet zu werden pflegte, in dieser blieb Gutenberg nur die Hoffnung, durch neue Verbesserungen seine Rebenbuhler zu beschämen, und den vollständigen Ruhm wieder zu gewinnen. So und nicht anders erklärt sich, warum Gutenberg in der Schlußschrift des einzigen Druckwerks, das er angefangen und vollendet hat, des Wörterbuchs Catholicon, sich nicht als Erfinder nennt, sondern nur die Stadt Mainz als Erfindungsort. Aber in dem Gefühle der Wichtigkeit seiner Erfindung kann er sie nicht als Menschenwerk ansehen, sondern leitet sie von der Gnade Gottes ab, und hat sich gerade dadurch als einen viel höher stehenden Mann charakterisirt, als Fust und Schösser, welche lieber von der Künstlichkeit des Druckes reden. Als seine Hoffnung auf eine neue entscheidende Erfindung nicht in Erfüllung ging, als seine Werkstätte Unterbrechung und Zerstörung durch den Krieg litt, da trennte er sich von seinem Lieblingsgeschäft, gab die Druckerei an einen Verwandten ab, während er die Gnade seines Churfürsten benutzte, seinem Alter eine Ruhe zu gönnen, die er bis dahin nicht gegefunden hatte. Für seinen Ruhm war er schon dem Geiste seines Zeitalters nach nicht so ängstlich besorgt, seine stille Gesinnung hielt ihn noch mehr von jeder Art Marktschreierei zurück, außerdem war Schösser zwar nicht so aufrichtig, daß er Gutenbergs Verdienst geradezu und öffentlich über das seinige gesetzt hätte, allein er hatte doch Gutenberg unter den Erfindern genannt, er hatte in mündlichen Erzählungen die Wahrheit nicht verschwiegen und die Entstellung, welche sich Schössers Sohn späterhin zu Schulden kommen ließ, war damals noch nicht zu besorgen. So kam es, daß die Geschichte nicht mit Entschiedenheit Gutenberg als einzigen Erfinder der Kunst nannte, ohne welche selbst die Geschichte keine Wahrheit wäre.
Das Jahr 1462, für die Stadt Mainz ein sehr unglückliches, war für die Verbreitung der Buchdruckerkunst ein erfreuliches. Bis dahin hatte die engherzige Gewinnsucht Fust’s und vielleicht auch Gutenbergs Neigung zu alchimistischer Geheimnißsucht eine Ausbreitung der wohlthätigen Kunst verhindert; alle Arbeiter waren durch Eidschwur zum Schweigen verpflichtet. Jetzt aber überfiel der Erzbischof Adolph von Nassau die seinen Gegnern anhängige Stadt, und verfuhr mit ihr nicht wie mit verirrten Unterthanen, sondern wie mit unversöhnlichen Feinden. Durch die Gräuel der allgemeinen Plünderung wurden die beiden einzigen Druckereien in der Welt aus einander gesprengt, die Arbeiter hielten sich durch die Gewalt des Ereignisses ihres Eides entbunden und zogen nach allen Himmelsgegenden, um ihre Kunst auszuüben. Erst nach einigen Jahren erholten sich die Mainzer Offizinen wieder; die Gutenbergische förderte sogar erst nach ihrer Verlegung nach Eltville und nach dem Tode ihres Gründers ein neues Werk zu Tage.
Dieser war inzwischen (1475) von dem Churfürsten Adolph zu einem Hofmanne gemacht und durch den damit verbundenen Gehalt endlich seiner drückenden Lage enthoben worden. Lange indeß genoß der Edele nicht der spät beschiedenen Ruhe, für welche er überhaupt nicht geschaffen gewesen zu sein scheint. Er starb, wie schon erwähnt, gegen Anfang des Jahres 1468 und wurde in der Minoritenkirche zu Mainz begraben, wie die von einem seiner Verwandten verfasste Grabschrift bezeugt.
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Dette er en trykt tekst, som blev udgivet i Småtryk 1837, Archiv für Natur, Kunst und leben, 1837.
Johann Gutenberg, 3. februar 1834 - 28. juni 1834, inv.nr. A114 |
Sidst opdateret 18.03.2016