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Albrecht Dürers Standbild.
Berlin, 20 Oktober. Professor Rauch, der geniale liebenswürdige Künstler, vereinigt gegenwärtig in seinem Atelier zu Berlin kostbare Arbeiten, welche theils der Vollendung nahe, theils bereits vollendet sind. Und vollendet muß man die Arbeiten dieses größten deutschen Sculptors wohl nennen! Während Thorwaldsen seine großen Bestellungen beinahe fabrikmäßig abfertigt, und Größeres nie mehr arbeitet, kan man bei den Schöpfungen Rauchs stets die Meisterhand erkennen, und kein Bildhauer lebt in unsrer Zeit, welcher dem Erhabenen der Antike näher gekommen, als Rauch. Als der Kaiser von Rußland sich zulezt hier befand, klagte Rauch, daß durch die vielen Statuen in Kleidung, und besonders in der für Sculptur so ganz ungünstigen modernen Kleidertracht, die Kunst, welche nur im Nakten Großes wirken kan, nach und nach ganz verloren gehen müsse. Sogleich bestellte der Kaiser eine Danaide, und bereits steht sie fertig in den anmuthigsten und reinsten Formen. Gerechte Bewunderung erregen die für die Walhalla bestimmten Viktorien, zwei sizend, vier stehend, und jede andern Charakter ausbrütend. Sie gehören zu den vollendetsten Arbeiten Rauch’s, und der herrliche weiße carrarische Marmor erringt auch in diesen großen Statuen den Sieg über den blauen Stein, worin Thorwaldsen mit solcher Vorliebe arbeitet, da er dem Meißel zugänglicher und weicher ist. Uebrigens will Rauch in Zukunft blos griechischen Marmor verwenden. Die Walhalla aber, diese hohe Kunstschöpfung unsrer Zeit, wird in diesen Viktorien eine ihrer schönsten Zierden erhalten, und die Kränze, welche sie tragen, dürften am besten auf der Stirne des Fürsten ruhen, der groß genug ist, um vergangene menschliche Größe erhaben zu ehren. Den Göttern wurden zu allen Zeiten Tempel errichtet, allein noch besteht kein Haus, eigens erbaut für die Erinnerung und die Bilder großer edler Menschen; denn die Pantheons in Rom und Paris waren Kirchen, und wurden erst später dem Kultus menschlicher Größe zugewendet. Und wie der deutsche Parthenon in seinen herrlichen Hallen dem dankbaren Vaterlande die Büsten fast aller der Männer zeigen wird, die zu seinem Ruhm und seiner Wohlfahrt mitgewirkt, so wird nun auch bald das ehrwürdige Norikum dem großen Dürer, den es stolz den Seinen nennt, ein Denkmal sezen, das in Anerkennung des unsterblichen Bürgers die dankbare Stadt selbst ehren und zieren soll. Albrecht Dürer, einer der vielseitigsten Künstler die je gelebt, konnte wohl keinen würdigern Darsteller finden als einen der ersten Bildhauer unseres Jahrhunderts, und die unendliche Liebe und Aufopferung, womit das Modell ausgeführt ist, zeigt, daß Rauch die ganze Größe seiner Aufgabe gefühlt und sie mit der ganzen Macht seines Genies umfaßt hat. Kein Hinderniß konnte ihn schreken, und selbst als die Ausführung durch den näher liegenden Entwurf einer kolossalen Statue Friedrichs des Großen, welche gegenwärtig auf der Kunstausstellung zu sehen, seine Arbeit mehrere Monate verzögerte, konnte die tiefe Kränkung, daß er von den Bestellern peremtorisch gleich einem Handwerksmanne zur Einhaltung einer bestimmten Frist, und dis unter äußerst unstatthaften Drohungen angetrieben wurde, seine Kraft und Ausdauer nicht erschlaffen, obschon er in edler Entrüstung betheuert, daß er im Unmuthe über solche Begegnung oft versucht gewesen, sein herrliches Modell zur Seite zu stellen, wenn es nicht Albrecht Dürer gewesen, den er arbeitete, sein Stolz und seine Freude. Ein Zufall ließ ihn ein Medaillon in Braunschweig finden, das in Holz geschnizt, die Virtuosität der schönsten Zeit dieser nun ganz verloren gegangenen Kunst in höchster Vollendung ausspricht. Es gehört mit zu den Bildern, von denen man augenbliklich anerkennen muß, daß es getroffen ist, so hohe Wahrheit liegt in der Ausführung. Rauch stand auch keinen Augenblik an, diesem Bilde den Vorzug vor Dürers eigenen Gemälden zu geben, welche niemals die Passivität und Ruhe ausdrüken, wie die Arbeit des fremdes Künstlers. Noch ferner hielt er sich von fremden Abbildungen Dürers, worin man ihm einen Christuskopf oder andre Göttlichkeiten andichtet. Wie wir ihn hier sehen, mit dem herrlichen langen Barte, die Augenlieder forschend über das Auge gezogen, die Lippen nachlässig gesenkt, in der ganzen erhabenen Gestalt ein edles Sichgehenlassen, im Momente geistiger Abstraktion ausgedrükt, wodurch so treffend die in diesem erhabenen Genius sich ewig drehende Gedankenfülle und hohe Seelenruhe zugleich sich aussprechen, steht das herrliche Lehmmodell in wahrer Majestät vollendet vor uns, und der antike Faltenwurf erhöht den Adel des kolossalen Standbildes. In wenigen Tagen wird der Gypsguß gemacht und zum Gießen geeignet polirt seyn; dann wandert das Modell nach der geweihten Erde, die des größten deutschen Künstlers Gebeine birgt. Sehr zu wünschen ist, daß der Metallguß erfahrenen geprüften Händen anvertraut werde, und wer wäre hierzu geeigneter als der trefliche Stiglmaier, dessen glüklicherweise falsch befundene Todesnachricht so große Sensation erregte und namentlich Rauch in tiefste Trauer versezte. Und wo wäre auch der Mann jezt wieder zu finden, der dem in großartigen Kunstentwikelungen begriffenen Bayern, ja selbst Europa diesen Verlust ersezen könnte, und wer wäre würdiger als er, Rauchs Meisterbild im Meistergusse der staunenden Nachwelt zu überliefern! Möchte man wohl bedenken, welche Schwierigkeiten mit dem Gusse einer solchen kolossalen 11 bis 12 Fuß hohen Figur verbunden sind, und wie bei der Möglichkeit des Mißlingens von ungeübter Hand das Opfer von mehreren Tausend Thalern eine emfindliche Lüke in den für diese schöne Unternehmung so beschränkten Mitteln hervorbringen, und das Ganze durch Beschädigung des Modells auf lange, vielleicht auf immer unausführbar machen müßte. Und nicht sollten irrige Ansichten von Patriotismus auf dem Abgüsse in Nürnberg selbst verharren lassen, dessen Rothschmiede wohl vor dreihundert Jahren weltberühmt waren, deren Kunst sich aber seit Fischers Zeiten nur traditionell erhalten hat. Möge Nürnberg das Beispiel Breslau’s vor Augen halten, das für das Standbild Blüchers keinen fremden Granit, das heißt keine der Granitmassen, die in der Gegend Berlins gefunden wurden, verwenden wollte, weil sie angeblich, vielleicht antediluvianisch, aus Norwegen angeschwemmt worden seyen, sondern hierzu aus ihrer Gegend Granit brachen, der, mit Schiefer vermischt, dem Marschall Vorwärts das Ansehen eines ewig thränenden, aus allen Schieferporen sikernden Ecce homo’s gibt. Hinc illae lacrymae! Was aber nun immer hierbei für Fehler begangen worden oder noch begangen werden mögen, so gebührt Nürnberg die Anerkennung und der Dank des deutschen Vaterlandes, daß es die erste Stadt durch die weiten deutschen Gauen war, die dem großen Manne, der in ihren Mauern gewirkt und gelebt, ein Denkmal gesezt, würdig des großen Gegenstandes, und das erste Monument, das in Deutschland einem Künstler errichtet wurde. Und auf dem schönen Hügel, der hinter der wunderherrlichen Sebalduskirche und der an mittelalterlichen Gemäldeschäzen reichen Morizkapelle steil gegen die stolze Kaiserburg ansteigt, wird sich in Jahresfrist der Held des Kunstfleißes und der Prototyp deutscher Kunst gleich dem Schuzpatron der altehrwürdigen Stadt erheben, und von hohem thronenden Piedestal den von Nah’ und Ferne zuströmenden Kunstjüngern zurufen: Thuet wie ich gethan, und nie wird die wahre Kunst in unserm schönen Deutschland untergehen!
Denne tekst blev trykt i Ausserordentliche Beilage zur Allgemeine Zeitung, Nr. 504 und 505, 26.10.1836.
Last updated 07.03.2015