Friedrich von Warnstedt
Omnes
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Thorvaldsens
Arbeiten für die Frauenkirche
in Kopenhagen
Zweiter Brief.
Kopenhagen. Juni 1820.
Im Gefühl des Wenigen was ich leisten könnte, gab ich der von Ihnen verlangten Nachricht über Thorvaldsens hiesige Arbeiten (im Januar dieses Jahres) die Form und die, auch weniger fordernde Benennung eines Briefes. Im Vorgefühl des Wenigeren was ich fürder zu leisten vermöchte, wenn ich Ihrem gütigem Wunsche horchte: auch über die späteren Arbeiten unsers verehrten Künstlers Ihnen nachrichtlich Etwas mitzutheilen, — war es, daß ich jenes Briefes Ueberschrift in das, gewissermaaßen bindende: „Erster Brief,” veränderte. Die Zeit, demnächst die Anschauung des Meisterwerks, worüber ich Ihnen jetzt meine Gefühle mittheilen wollte, rechtfertigen mein Verfahren, Denn nur zu sehr ist meine Ahndung zur Wirklichkeit geworden. Wie wird es mir möglich seyn, Ihnen, verehrte Freundinn, etwas über das zweite Bas-relief Thorvaldsens mitzutheilen, etwas — desselben Würdiges, — zugleich auch, Ihren gerechten Forderungen nicht gar zu wenig Entsprechendes?
Doch! so durch mich selbst gezwungen, — dem einzigen Zwange, unter dem sich die geistige Freiheit des Menschen zu erhalten vermag — schreite ich zur Ausführung; mich, Ihrer gütevollen Gesinnung, meine Mittheilung, Ihrer liebevollen Nachricht anvertrauend. —
Dieß Bas-relief hat dieselbe Größe wie jenes, wo die Taufe Christi so schön dargestellt worden ist – 3 Ell. 12 Z. in der Länge, 1 Elle 12 Z. in der Höhe.
Es ist für die Sacristei der Frauenkirche bestimt, wie jenes für die Taufkapelle, und versinnlicht uns die Stunde, wo der göttliche Lehrer seinen Jüngern, zur Einigung und Erinnerung, das Abendmahl einsetzt. Auf jener Tafel machten 11 Figuren die ganze Gruppe aus; hier sind es 13; über deren Zusammenstellung ich Ihnen folgende kurze Schilderung vorausschicke; — nachher einen Augenblick bey Nennung der einzelnen Haupt-Figuren verweilend.
Wer mit Liebe und Interesse, schon vor dem Entstehen, zu weilen bei der Idee verweilte: Der Künstler wolle uns die Stiftung des Abendmahls im Bas-relief und in dem gegebnen Raume darstellen, dem mag es, denke ich, vielleicht wie mir gegangen seyn, daß ihm die glückliche Lösung dieser Aufgabe schwierig genug erschienen ist. Mich hat wenigstens oft dieser Gedanke beschäftigt, und wie mußte mir da nicht die schöne, herrliche und leichte Lösung, als ich die Gruppe zuerst sah’, so ganz im vollsten Maaße die Größe und Genialität des Meisters und Künstlers bewähren?
Christus steht mit dem Kelch, himmelgehobnen Blikes, nah an den, ganz zur Linken des Bas-relief’s angedeuteten Tisch. Dagegen, auf der rechten Seite der Gruppe sein Gegner, sein Verräther Ischariot, abgehenden Schrittes, mit bitterm, verzweiflungsvollen Blicke, unstätt überschauend den Jünger-Kreiß, der, in herrlich- und schönster Harmonie zwischen dem Lehrer und dem Abtrünnigen, kniend hingelagert ist. Den Mittelpunct dieser Gruppe und eben so auch des Ganzen, macht Jacobus, des Zebedæi Sohn, die einzige stehende Figur unter den Jüngern. Vor ihm knien neben einander die Brüder Andreas und Simon Petrus, dieser auf der vorderen Seite, so daß seine ganze Figur sichtlich. Christus zu nächst voran jenen beiden, mit liebevoll, wehmüthigst-gebeugtem Blick und Körper Johannes, der Bruder des Jacobus; hinter der stehenden und also der höchsten und Mittel-Figur, dem Jacobus, die sieben andern, knienden Apostel, — frey und leicht zusammen geordnet, abrundend die Gruppe, sie auch, als ein Ganzes abschließend.
Darf ich hoffen, daß Sie sich jetzt, nach Lesung dieser Darstellung des Ganzen, das Bild in Ihrer Phantasie im allgemeinen hervorrufen und denken können? Von einem Jeden dieß erwarten, hieße zu viel verlangen. Bey Ihnen aber, darf ich mir schmeicheln, daß Ihre reiche und gemüthliche Phantasie der Armuth und Schwäche meines Wort-Gemäldes nachhelfen werde.
Sie sehen der Künstler hat den Gegenstand auf eine bis dahin ganz ungewöhnliche, neue Art genommen. Man hat Darstellungen, wo die Jünger, nach orientalischer Sitte gelagert sind. Uns ist diese Weise fremd, sie stöhrt also, wie alles Ungewohnte. Die schönste und gepriesenste Behandlung, das Fresco-Gemälde Leonards da Vinci’s, dessen schöne Nachbildung von Raphael Morghen Ihr Zimmer schmückt, hat für mich, ich gestehe es, doch stets etwas, das Gefühl stoßendes gehabt. Sollen wir ganz uns mit dem Heiligen beschäftigen, so muß nichts Stöhrendes, nichts Irdisches, Niederes dazwischen treten. Man kann es aber wohl nicht leugnen, daß dieß selbst in der Anordnung jenes, übrigens so herrlichen Gemäldes der Fall ist. Jene Eleganz, jener Reichthum in Besetzung des Tisches, — er stöhrt uns, zieht unsre Aufmerksamkeit von der Haupthandlung, und könnte es uns leicht verrathen, wüßten wir es nicht historisch, daß der Maler für und in dem Speisezimmer eines reichen Klosters malte.
Geschichtlich läßt sich wohl wider diese neue Behandlungsweise nichts einwenden; denn Moses, bey der Stiftung des Osterlammes sagt ausdrücklich: „Ihr sollt gegürtet seyn und Stäbe in euren Händen haben und sollts essen, als die hinwegeilen.” Stehend genossen die Israeliten das Osterlamm.
In der Art wie Thorvaldsen nun den Gegenstand behandelt hat, stöhrt uns nichts, wir sind ganz in Mitten der heil’gen Handlung. Selbst das einzige Stöhrende, das Bild der Sinnlichkeit und des bösen Princips entfernt sich, und mahnt uns so, durch die Aussonderung, zu noch höherer Andacht, noch tieferer und innigerer Samlung des Gemüths.
So entdeckt der Mann von Genie leichter, als Andere, die sichersten Mittel zu seinem Zweck zugelangen; findet bey Hindernissen glücklich die richtigen Auswege; begeisterndes Feuer regt seine ganze Wirksamkeit auf; er entdeckt in sich selbst Gedanken, Bilder der Phantasie und Empfindungen, die andre Menschen m Verwunderung setzen; — er selbst bewundert sie nicht, weil er sie, ohne mühsames Suchen in sich mehr wahrgenommen, als erfunden hat. Immer, wenn so der Künstler, in den verschiedenen Blüthen-Zeitaltern, mit dem der Kunst eignem Geiste die großen Gedanken des Genius bearbeitete, entstanden die herrlichen Werke der schönen Künste, die nicht nur der Künstler, sondern jeder Mensch von Gefühl und Sinn bewundert.
Erlauben Sie mir nun noch Einiges über die drey verschiedenen Theile des Ganzen — Judas Ischariot; die Gruppe der 11 Apostel und Christus — zu skizziren; — denn mehr als eine Skizze dürfen und können Sie hier und von mir nicht erwarten.
Der wegeilende Judas, in aller seiner innersten Unruhe, die schon Verzweiflung und Selbstmord ahnden läßt, und die sich durchaus eben so bestimmt ausspricht als der mißgünstige Unmuth seines kämpfenden Gemüthes, womit sein unstätes Auge die fromme Bruderschaar flüchtig überschau’t, — dieser Judas läßt uns dennoch nicht den Blick wegwenden; nein, vielmehr, ein Etwas fesselt unsre Aufmerksamkeit, verweilend auf ihn. Ein ausgezeichneter Mann, dessen Grundzüge Karakter und etwas Höheres ahnden lassen, mußte er wohl auch, trotz seines Abfalles dargestellt werden; denn auch ihn hatte einst Christus zum Jünger und Apostelamt erwählt. So fühlen wir uns bey seinem Anblick wehmüthig gestimmt und eben in dieser Regung des Gemüthes auch grade doppelt empfänglich für den Karakter der Gruppe auf die zunächst unser Auge fallt, die der Jünger, deren entschiedener Karakter — ohnerachtet der größten Mannigfaltigkeit in Stellung und Gesichtsbildung, — dennoch an jedem Einzeln: Hingebung, Zuneigung, Frömmigkeit ist. —
Natürlich konnten, in dem gegebnen Raum nur einige der Apostel als Hauptfiguren hervorgehoben seyn. Der Künstler wählte die zwey Brüderpaare: Petrus und Andreas; Jacobus und Johannes.
Für den Kopf des Petrus scheint schon die altere Malerschule eine Norm vorgezeichnet zu haben. Wir finden sie hier wieder; wäre aber auch dieß nicht, so würde die auf die Brust gelegte Rechte unverkennbar uns die Worte dieses Jüngers ins Gedächtniß rufen: „Und wenn ich auch mit Dir sterben müßte, wollte ich Dich nicht verläugnen.” — Das Jugendliche, die mildeste Frömmigkeit, eine besondere tiefe Wemuth bezeichnen den zunächst vor Christus mit gefalteten Händen knienden Apostel, als Johannes. Mit frommer und ernster Andacht betet neben Petrus, Andreas. Und soll ich Ihnen sagen, welcher von allen diesen Aposteln mir seines schönen Ausdrucks halber am gemüthlichsten zu sagt? so ist es dieser stehende Jacobus. So aber habe ich auch mit: „gemüthlich”, Alles gesagt, was ich in diesem Fall mit Worten bezeichnen kann; und ich muß Sie hier, durchaus auf die eigne Anschauung verweisen.
Es war gewiß ein recht glücklich und richtig gewählter Gedanke des Künstlers, daß er, so wie er den Judas höchst handelnd, beweglich, schreitend, vor unser Auge geführt — daß er, im Gegensatz, eben so: Christus in höchster Ruhe dargestellt hat; ein Moment, in welchem der gegebne Karakter, soll man ihn ganz fühlen, gewiß besser erkannt werden wird, als wenn wir durch die einzelne und besondre Handlung gestöhrt werden; wir können so unsre Aufmerksamkeit mehr auf die Beobachtung des ganzen Karakters lenken. Einige Worte des Johannes glaube ich schwebten dem Künstler vor, als er hier bildete, und mit diesen meine ich Ihnen zugleich die zeichnendste Schilderung dieses Christus zu geben.
Lieben Kindlein, ich bin noch eine kleine Weile bey euch; und ich sage euch nun: Ein neu Gebot geb’ ich euch, daß ihr euch unter einander liebet, wie ich euch geliebet habe, auf daß auch ihr einander lieb habet. Dabei wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seyd, so ihr Liebe unter einander habt.
So viel denn über die Arbeit unsers verehrten Bildners, den wir gewiß Alle, die wir ihn kennen lernten, mit Wehmuth, für dieses Mal aus unserm Kreise scheiden sehen. Aber dankbar und verehrend werden wir uns stets, auch noch besonders seiner erinnern beym Schauen seiner Gebilde, die unserm Auge Scenen des Herrlichsten und Höchsten darbieten. Ein Jeder, der Gelegenheit fand seines Meisels Producte zu sehen, wird es eingestehen, daß dieser Meister den weitesten Forderungen ein Gnüge zu leisten vermag. Und so erlaube ich es mir diese Zeilen mit der Forderung eines tiefen Denkers an die Bildhauerkunst zu schließen. Er sagt:
„Sie soll nicht nur eine flüchtige Ueberraschung der Einbildungskraft, nicht eine blosse Ergötzlichkeit des Auges, nicht die Bewunderung der Geschicklichkeit und des Reichthums, sondern etwas größeres zum Entzweck haben. Sie sucht tiefe Eindrücke des Guten, des Erhabenen, und des Großen zu machen, die nach der Betrachtung des Bildes auf immer in der Seele übrig bleiben. Erst zieht sie das Auge durch die harmonische Schönheit der Formen auf sich; dann reitzt sie dasselbe durch den Ausdruck zu ernsthafterer Betrachtung. Es sieht nun Gedanken, Empfindungen, Größe des Geistes und Kräfte, woraus jede Tugend entsteht, angedeutet, dringt durch das Aeußerliche in das Innere, und stellt sich ein denkendes, empfindendes Wesen vor, das den Marmor belebt. Dann bestreben sich Geist und Herz, die Vollkommenheit, deren Begriff durch das Bild erweckt worden ist ganz zu fassen, ihre eignen Gedanken und Empfindungen darnach zu stimmen; die ganze Seele strebt nun nach einem höherem Grade der Vollkommenheit. Dieß ist ohne Zweifel eine Wirkung, die von vollkomnen Werken der Bildhauerkunst zu erwarten ist. Also wußte ein Phidias (weiß ein Thorvaldsen) Seelen erhöhende Kräfte in den Marmor zu legen; ist vermögend jede Vollkommenheit des Geistes, jede Tugend und jede Empfindung des Herzens den Sinnen fühlbar zu machen. Was kann aber zur Bestrebung nach innerlicher Vollkommenheit nützlicher seyn, als wenn wir dieselbe fühlen? Unter allen sichtbaren Dingen ist der Mensch ohne Zweifel der wichtigste Gegenstand des Auges; in ihm aber können alle menschliche Tugenden sichtbar werden vielleicht auch übermenschliche; wenn nur die Muse dem Künstler ein höheres Ideal in seine Phantasie gelegt hat. Was also der Moralist mit ungemeiner Mühe dem Verstande vorstellt, große Muster jeder Volkommenheit, das giebt der bildende Künstler, wenn ihm nur die Geheimnisse seiner Kunst geoffenbart sind, dem Auge zu sehen. Dieß aber ist das höchste der Kunst.”
Gewiß: sie wurden ihm aufgeschlossen diese Geheimnisse und mit kühnem und edlem Schritte sehen wir ihn schon nahe dem hohen Ziele — den hochverehrten Künstler!
Warnstedt.
1820
Dette brev er en trykt udgave og er Warnstedts andet brev. Der er to i alt, og det første er også at finde i arkivet.
Den hellige nadver indstiftes, Tidligst 1820, inv.nr. A558 |
Last updated 29.04.2014