No. 5333 af 10318
Afsender Dato Modtager
P.O. Brøndsted [+]

Afsendersted

Paris

12.8.1830 [+]

Dateringsbegrundelse

Dateringen fremgår af brevet.

Bertel Thorvaldsen [+]

Modtagersted

Rom

Modtagerinfo

Ingen udskrift.

Resumé

Kommentarerne til dette brev er under udarbejdelse.

Se original
an Thorvaldsen Paris, Hôtel de l’Orient, place des Italiens
in Rom den 12ten. August 1830.


Theuersten Freund,

Wenn ich Dich in dieser fremden Zunge anrede, so geschieht es nur damit Du die paar Worte, die ich weiter unten, von den hiesigen merkwürdigen Ereignissen sagen werde, unseren deutschen Freunden in Rom ohne Umstände mittheilen mögest. Hr. von Wichfeld, ein lieber junger Landsmann, der dir dieses Blatt und ein Exemplar des zweiten Bandes meines Werks, der eben herausgekommen, überbringt, sey Dir herzlich empfohlen! Mach ihn auch, bitte, mit unseren lieben Freunden: den Gebrüdern Riepenhausen, mit Kestner und Bunsen bekannt, auch mit dem Hr. Sirletti, denn hr. v. Wichfeld liebt die Musik sehr und versteht sie recht wohl.

Ich hoffe dass der zweite Band meines Werks, der mir vielleicht nicht übel gerathen ist, Dir und unseren lieben Freunden in Rom gefallen wird, Indem ich Dir und Cockerell meine Untersuchungen über den Parthenon in diesem und in einem Theile des dritten Bandes (der im nächsten Winter kommen soll) “eigens zugeschrieben habe” erfüllte ich nur das Geheiss meines Gemuthes und meiner innigen Zuneigung.

Ich wollte dass mein Werk etwas mehr in Italien bekannt werden möchte. Vielleicht konntest Du etwas dafür thun (sey so gut dein Exemplar auch dem lieben Prof. Gerhard zu zeigen). Wenn einige Dutzend Exemplare nach Rom kämen, so würde das Buch schon von selbst verbreitet werden; aber mein Buchhandler (jetzt hr. Firmin Didot, rue Jacob No. 24 à Paris) kann sich nicht, ohne bestimmtes Verlangen von Italien aus, entschliessen eine Menge Exemplaren dorthin zu schicken. Die Preise der drei verschiedenen Papieren (Velin in folio, Velin gr. in 4to., und verjé gr. in 4to) sind auf dem Umschlage angegeben. Wer meine Schreibereien will, der sage an, und wir sind erbötig, Didot und ich, ihn prompte bedienen zu lassen. –

Ich bin eben hier ein sehr nahes Augenzeuge sehr merkwürdiger Begebenheiten gewesen; denn, in den drey glorreichen (aber auch sehr blutigen Tagen) 27, 28 und 29sten. Julius haben die Pariser, das muss man ihnen lassen, nicht bloss die eigene Sache, sondern recht eigentlich die Sache der europäischen Menschheit gegen Gewalt und Unterdrückung und Obscurantismus aller Art, tapfer und tüchtig ausgefochten; und, was beinahe noch merkwürdiger ist, zumal in diesem Volke und nach einer solchen Loslassung aller Furien, nach Strömen von Blut und einem Holocaust, in den Strassen von Paris, von 7000 bis 8000 Getödteten oder Verwundeten, Alles ist schon wieder ruhig und in die vorige Ordnung getreten (nur haben sich die absoluten und jesuitischen Herren verschiedener Farben absentirt, und Paris erscheint mir wie verjüngt, lebensfroher und lustiger als jemals). Die Franzosen haben sich in 8 bis 10 Tagen nicht nur eine revidirte und vielfach verbesserte Constitution erworben, sondern auch (was sehr wichtig ist, zumal in einem Lande wo die verschiedenen Partheyen grosse Lust haben einander todt zu schlagen) einen vortrefflichen, wahrhaft constitutionellen König, Louis-Philippe 1er (den Herzog von Orleans) erkoren, und der alte Herr mit seiner ganzen Familie, inclusive die Heroïne, ich meine die dauphinische Amazone, die es vergebens versucht hat die Vendée wiederum auf die Beine zu bringen, und mit allen seinen Pfaffen und Jesuiten und Heidukken u.s.w. schifft sich eben heute in Cherbourg für England ein, wo die ganze Gesellschaft sehr wahrscheinlich ein: damn the fellows! und ein Kootwerfen des Londonner Pöbels, und kein Mitleiden irgend eines rechten Mannes erwartet. –

Ich habe in meinem Leben nichts nationalschöneres gesehen, und die Ereignisse der drey thatenreichen Tage (27, 28 u. 29 Jul.) haben mich mit den Franzosen und ihren, nur zu wohl bekannten Fehlern und Unarten gänzlich ausgesöhnt. Es war nur eine, sehr schöne und patriotische Volksbewegung, elastisch, schnell, fast wie instinctmässig, durchaus allgemein und f[r]actionslos, und dabei sehr brav und tapfer, und, was individuelle Ansprüche betrift, vollkommen uneigennützig. Von Millionen, welche den Erstürmern der Königlichen Schlösser in die Hände fielen, ist kein Piaster entwendet worden, und der hitzige 18 oder 20jährige Student von der école polytechnique oder de Médecine oder des droits, hauchte, wenn von einer Kugel getroffen, eben so gelassen als der alte geprüfte Soldat, sein junges Leben aus, und ein schwarzbärtiger Lastträger oder fort de la halle, der etwa neben ihm gefochten hatte und nun den jungen Menschen aus dem Getümmel heraustrug, kehrte alsbald eben so gelassen dahin zurück – es war nur ein einziger Wille, ein Zweck, eine That. Wenn ein Volk so beträgt, so verdient es frey zu seyn –

Über das Detail dieser merkwürdigen und folgereichen Ereignisse, die ich mit der lebhaftesten Theilnahme angesehen habe, möchte ich sehr gerne Dir und unseren römischen Freunden einen genaueren Bericht abstatten – auch kann dieses sehr füglich geschehen, wenn ein anderer unserer Landsleute widerum von hier nach Rom geht; aber heute bin ich des Schreibens müde.
Was man alles in dieser Welt schreiben muss! bald Briefe, bald Bücher (und die Doctors noch dazu Recepte!); ich sympathisire in dieser Hinsicht ganz mit unserem tollen (aber hochseeligen) König Christian dem VIIten., der, als zwei Pagen ihm den Lehnstuhl am Tische fest hielten, damit Sr. Majestät nicht échappire bis nicht alle Höchstderselben vorgelegte Sachen unterschrieben wären, ganz gelassen und mit einer Art von Wehmuth dem einen der beiden Pagen sagte: “höre, Du! es ist aber doch auch entsetzlich viel Schmiererei in meinem Reiche!” und Du selbst, lieber Thorwaldsen, scheinst mir auch, was la horreur der Schmiererey betrift, mit Sr. Majestät ziemlich einverstanden, indem ich nun in 6 Jahren keine Zeile von dir gesehen habe.

Apropos des Spasses, an Spässen mangelt es auch hier nicht; In Tours, wo man eben drei der vorigen Minister, welche die fameusen Ordonnancen vom 25sten. Julius unterschrieben, nämlich Peyronnet, Chantelauze und Guernon Ranville, eingefangen hat, schrieb jemand aus dem Volke über dem Gefängnisse, wo die drei Herren darin stechen: “hôtel des Ministres” und hier sah ich nemlich auf allen Ecken ein gedrucktes Blättchen angeschlagen das folgende kurze aber erbanliche Unterredung zwischen Charles X und dem Dey von Alger enthielt:

Camarade le Dey, par moi ton fort est pris;
”Oui, Charles dix, mais Vous perdez Paris –
Nous voila tous deux sans capitale!
Buvons un coup, c’est moi qui Vous regale”.

Adieu, theurester; vergiss nicht Freund Linckh herzlich von mir zu grüssen. Ich werde ihm mit Baron Stampe, der nächstens von hier abreissen wird, eine Exemplar meines zweiten Bandes schicken (hr. v. Wickfeld konnte nur das eine, Dir bestimmte folio-exemplar mitnehmen) – Stackelberg, der noch in Dresden ist (über ein Jahr verlebten wir hier gar schöne Monate zusammen), befindet sich dort sehr wohl und schreibt mir dann und wann; sein pittoreskes Werk (die griechischen Aussichten) das hier bei Osterwald erscheint, hat den schönsten Fortgang. Allen römischen Freunden und Freundinnen den besten (auch mit unter herzlichsten) Gruss von deinem

ganz und herzlich ergebenen
Brøndsted.

Arkivplacering
m15 1830, nr. 118
Sidst opdateret 10.05.2011 Print